Stellen wir uns einfach mal die Frage, was singen eigentlich ist.
Singen.
Singen beinhaltet für mich drei Faktoren, die aus reinem Gesang, der physiologisch jedem möglich ist, der funktionstüchtige Stimmbänder besitzt Gesang macht, der den Menschen als Tonerzeuger vom Menschen als Sänger unterscheidet.
Und zwar sind das zum einen...
Musikalität
Schauspielerisches/Darstellendes Talent
Der stimmliche Umgang/ Technik
Man sieht, diese Faktoren beinhalten auf der einen Seite Dinge, die man trainieren kann und wiederum Dinge, die man versuchen kann zu trainieren, die aber letztlich auf relativ unfruchtbaren Boden stoßen, wenn kein grundlegendes Talent in die Richtung vorhanden ist.
Ein musikalischer Mensch hat dem unmusikalischem Menschen einen großen Schritt voraus: Er muss die Musikalität nicht erlernen, er hat Musikalität. Er fühlt Takt, Rhythmus, Tonabstände, hat einen gewaltigen Vorsprung was die Fähigkeit der tonalen Adaption anbelangt usw.
Ein unmusikalischer Mensch kann bis zu einem gewissen Maße versuchen sich durch Normen und Regeln eine gewisse Grundlage zu erarbeiten, er kann beispielsweise Rhythmen mathematisch gliedern und zählen, er kann verschiedene Intervallübungen machen usw. Dieser Weg ist aber mühsam und der Lernende stößt schnell an die Grenzen seiner Fähigkeiten. Es gibt nach und nach kein Ausbaupotenzial mehr. Dazu kommt, dass obige andere Qualitäten potenziell unter dem dem Mangel an Musikalität leiden könnten.
Auch der Fakt des sich "verkaufens" sollte bei einem Sänger nicht außer Acht gelassen werden. Ein gutes Beispiel dafür ist die viel gefeierte und hoch gelobte Anna Netrebko. Wenn man sich ein bisschen in der Klassik auskennt, wird man feststellen: Ja, unser Anna ist schon nettes Stimmchen, sie hat durchaus stimmliches Potenzial. Allerdings ist es keinesfalls nur ihrer Stimme zu verdanken, dass sie als so zahlreich gefeierte Diva in den Opernolymp aufsteigt.
Anna Netrebko ist eine begnadete Performerin. Sie versteht es auf der Bühne schauspielerisch alle in ihren Bann zu ziehen, sie erzählt Geschichten mit ihren Liedern, sie zeigt ein breites Spektrum an Emotion und...ja, auch das spielt eine Rolle...sie sieht einfach toll aus, sie weiß um ihre äußerlichen Reize und setzt ihre Schönheit klassisch, pur und trotzdem unendlich gekonnt in Szene.
Ein wirklich wichtiger Punkt, dieses Charisma.
Der Letzte Faktor ist nun meiner Meinung nach der am besten erlernbare: Die Fähigkeit, seine Stimme technisch so weit zu entwickeln, dass man seinen "Klang" findet, die Fähigkeit seine Stimme einzusetzen. Man erzielt mehr oder weniger schnelle Resultate, man fängt an mehr oder weniger zu klingen. Gute Gesangslehrer wissen aber bei noch unausgebildeten Stimmen bereits entweder "Ja, aus dem/der könnte was großes werden" oder "hmm, ja mittelmaß, mehr nicht". Das heißt also im Rückschluss, eine stimmliche Ausbildung schafft noch nicht "den Sänger", obgleich sie natürlich für den Sänger unabdingbar ist, wenigstens bis zu einem gewissen Maß.
Zusammenfassend:
Was macht also einen guten Sänger aus?
Vor allem der Wille, mit seiner Stimme etwas tun zu wollen.
Dann das oben beschriebene Talent.
Als letztes das Wissen, seine Stimme einzusetzen.
Mehr nicht....