Hach... da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll.
Ich bin schon wirklich ziemlich lange dabei, verdiene auch seit etlichen Jahren mit Musik meinen Lebensunterhalt (und nee, nicht nur Tanzmucken, durchaus auch mal ernsthafteres Zeugs...), habe ferner das riesengroße Glück, relativ oft mit absolut fantastischen Mitmusikern spielen zu dürfen (für mich ein paar der Besten, die man hierzulande so finden kann).
Warum sage ich das alles?
Weil ich trotz meiner relativ glücklichen Situation festgestellt habe, dass es irgendwie mit so richtig guter, eigener und handgemachter Bandmusik in den letzten Jahren ziemlich den Bach runtergegangen ist.
Worin das genau seine Ursache hat, kann ich natürlich nicht genau beurteilen, auch noch nicht einmal, ob es jetzt tatsächlich so ist - aber mir scheint's so. Ich werfe einfach mal ganz ungeordnet ein paar Dinge in den Raum.
- Musik hat an Stellenwert verloren, ist ein Gebrauchsgut geworden.
- Als Folge: Früher war eine Plattensammlung ein beinahe kultisches Objekt, heute hat jeder den MP3 Player und die Festplatte voll mit Musik.
- Für Bands gab es früher, vollkommen abseits vom großen Ruhm, zumindest einige Möglichkeiten, relativ häufig live zu spielen.
- Ähnliche Geschichte: Wenn man wirklich "dran" war, konnte man mit viel Einsatz zumindest auch gewisse Einnahmen erzielen, selbst als relative unbekannte Band. Nicht draufzuzahlen kann die Motivation, durch die halbe Republik zu einern, deutlich steigern.
- Es gab durchaus Möglichkeiten, erneut mit viel (streckenweise natürlich auch finanziellem) Einsatz, sein "Produkt" einer breiteren Hörerschaft zu Ohren zu bringen, sprich: Durch Airplay. Heute läuft "die größten Hits der 80er und 90er plus das Beste von heute", wobei Letzteres einem gefühlte 10973 pro Tag Amy McDonald beschert.
- Jeder kann heute seine Musik alleine daheim produzieren. Aufwändige Sachen, wie einen Proberaum zu finden, den auszubauen, zu finanzieren, hinzueiern, sein Equipment da reinzustellen - entfällt alles, und man kann nebenbei noch TV glotzen. Mit anderen Musikern und deren Eigenarten bzw. deren Spiel muss man sich auch nicht rumärgern.
- Schaut euch mal einen Großteil meiner Gitarristenkollegen an (Achtung, ich übertreibe natürlich ein wenig!): Jeder sucht nach Tabs, will irgendwelche Soli lernen, will shredden, will endlos zu irgendeinem Blues rumgniedeln, etc. pp. Und am Ende stellt man sein Gedüdel bei YouTube online und hofft, dass einem irgendwelche Gleichgesinnten Honig um den Bart schmieren ("hey dude, cool lick at 2:31").
Kaum jemand kann noch Akkorde spielen, geschweige denn eine groovige Rhythmusgitarre, geschweige denn eigenes Zeug, von Songwriting mal ganz zu schweigen.
- Die Chancen, überhaupt mal etwas Verwertbares in den Händen zu halten, sind denkbar klein. In der gegenwärtigen Medienlandschaft sind selbst kleine Achtungserfolge kaum noch möglich. Live-Clubs haben in den letzten Jahren noch und nöcher den Livemusikbetrieb eingestellt, im Radio läuft oben beschriebenes und im TV sieht man die 9917836. Casting-Show (obwohl es ja in der Tat, vielleicht mit Ausnahme der No Angels, nicht EINEN EINZIGEN Pop- oder Superstar gibt, nicht einmal ansatzweise). Wie gesagt, Musik ist Gebrauchsgut geworden, dient bestenfalls dem Verkauf anderer Dinge.
Ich könnte vermutlich noch ewig mit irgendwelchen anderen Sachen fortfahren, wie gesagt, das war nur mal so schnell und wahllos in den Raum geworfen.
Jedenfalls empfinde ich die Situation als traurig, kann aber infolgedessen verstehen, dass sich immer weniger Leute so richtig den Arsch aufreißen, um musikalisch etwas auf die Beine zu stellen, speziell als "richtige" Band.
Zum Glück spiele ich nachher noch sehr geile Musik mit sehr geilen Leuten, in einem sehr geilen Club. Das entschädigt dann zumindest gelegentlich für Einiges.
Gruß
Sascha