War die "gute alte Zeit" wirklich so viel besser oder was vermisst ihr von damals?

Man war der Yamaha-Musikschule mit angegliedertem Tischhupen-Verkauf gnadenlos ausgeliefert.
Definiere „Yamaha-Musikschule“ und „Tischhupen-Verkauf“
Ich muss gestehen, dass habe ich in den letzten 61 Jahren noch nie gehört. Ich kenn zwar Fußhupen, aber das sind hier kleine, ständig kläffende Hunde………
 
Also das funzt so: Die Yamaha-Musikschule bringt Yamaha-Musikschülern bei, wie sie auf Yamaha-Alleinunterhalter-Keyboards* so musizieren können, dass Omas und Opas mitschunkeln können und zu Weihnachten den Enkeln in eben jener Yamaha-Musikschule mit angegliedertem Yamaha-Musikalienhandel ein neues Keyboard rauslassen. Am Besten natürlich öfter mal ein neues Modell, das noch geilere Sachen hat.

Ich persönlich tätigte in so einem Etablissement mehrere schwere Fehler, die ein vorläufiges Komplett-Ende meiner teenagerlichen Musikerkarriere bedeuteten: 1) Ich marschierte zum Schülervorspiel mit einer gebraucht gekauften Monstertischhupe auf (also nicht in der Yamaha-Musikschule erworben) 2) ich hatte einen Keyboardständer dabei, den ich in der Yamaha-Musikschule für 460DM kaufen hätte sollen ohne ihn gesehen zu haben, in der weiter entfernten Stadt war er im Laden zur Ansicht verfügbar und kostete 360DM, also hatte ich ihn dort gekauft 3) Ich versuchte mich zu eben jenem Anlass (eher fehlschlagend) an einem Eurodance-Stück, das die Omas und Opas gar grauslig fanden.

Danach hatte ich den Chef vom Club als Lehrer und der war nicht so nice zu mir. Ich hörte dann auf, weil ich außer Alleinunterhalter-Keyboard nix gelernt hatte, erst recht nix, um in Bands spielen zu können.

* Für die, die im Usenet noch nicht dabei waren damals: Alleinunterhalter-Keyboard: Tischhupe. Heimorgel: Wandhupe.

Vgl. Rüttmusgerät/Lambaaada:


View: https://youtu.be/8UQNV-xUPG4
 
Kommt vermutlich auf den Wohnort an. Wie Frankpaush schon bemerkte gab es vermutlich in den Großstädten/hier in München früher auch gefühlt 10x mehr Musikläden
 
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Danke, jetzt bin ich wieder etwas schlauer.
 
Kommt vermutlich auf den Wohnort an.
das sicher, ja. Und vielleicht eben auch etwas auf den Zeitraum, der da als "früher" bezeichnet wird. Denn das hat sich ja nach meiner Erinnerung in auf- und absteigenden Kurven entwickelt ... so ganz sicher bin ich mir nicht, aber die Spitze der Versorgungsdichte dürfte etwa Ende 70er erreicht worden sein in H. (500k-Einwohner), mit vielleicht 15 Läden leicht unterschiedlicher Ausrichtung, aber deutlich vielen Rock-orientierten Anbietern, plus einige (ich kannte vielleicht 3) große Versandoptionen. Heute gibt es in H. noch ...na, maximal 5, vielleicht 6 Läden. Das sind dann heute immer noch mehr, als es in ländlichen Gebieten je waren, aber in Großstädten dürfte das überall ähnlich aussehen.
 
Vermutlich lassen sich die astronomischen Mietpreise in den Städten mit Musikinstrumenten kaum noch erwirtschaften-
auch Kneipen etc. gibts viel viel weniger.
 
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Bei mir war's auch 1978, als ich so langsam mit Schülerbands startete. Ich komme vom Dorf - knapp 2000 Einwohner - , im Nachbardorf - 4000 Einwohner - gab es einen kleinen Musikladen, der hatte genau ein Effektgerät zur Auswahl und einen Carslboro Combo Gitarrenverstärker, der mir mit 800 DM allerdings zu teuer war. Celle war die nächst größere Stadt, ca. 35km und 75k Einwohner. Da gab's zwei oder drei Musikläden, allerdings eher Geigenbauer. Bei einem hab ich meine erste E-Gitarre gekauft. Insgesamt 5 Stück hätte er zur Auswahl gehabt. Marke? Keine annähernd bekannte. 400DM für ein Stück Sperrholz - sogenannte Herticaster. 2 Jahre später hab ich mir dann in Hannover - ca. 100km meine erste Gibson gekauft.
Ansonsten war die Hauptquelle für Musikinstrumente die hiesigen Tanzmuckerkapellen, die genug Kohle hatten, um immer wieder mal was neues zu kaufen. Da konnte man schon mal Glück haben und einen Fender Bass oder Fender Amp zu ergattern, was für Schüler aber immer noch recht teuer war. Von denen hab ich für 50DM mein erstes Effektgerät, ein WEM Copycat erstanden, später dann meinen erste Gesanganlage M3 oder Mthree.
Einige etwas besser etablierte Rockbands aus dem Umkreis mussten wohl bessere Quellen oder Geldgeber haben. Da sah man schon mal einen Marshallturm, eine Hammond B3, Fender Rhodes, oder sogar einen Jupiter 6 Synthesizer. Die hatten auch schon mal etwas bessere PAs mit Bassrutschen, Mittel- und Hochton Hörner mit entsprechenden Endstufen Racks. Na ja, sie legten halt schon mehr Wert auf guten Sound, während Tanzmucker - auch in meiner Anfangszeit als Tanzmucker - noch mit Zeck 15/3er ein ganzes Festzelt beschallten. Bass kam aus einem Ampeg SVT, den hörte man schon aus 5km Entfernung. Sound war was anderes, interessierte aber niemanden.
 
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Gefühlt wurde früher (in den 70ern) auch viel mehr privat getauscht und gehandelt. In Ermangelung von jederzeit erreichbaren Musikläden (und in Ermangelung von Kohle!) wechselten viele Instrumente im Freundes- und Bekanntenkreis den Besitzer.
Irgendwer wusste, dass sich XY eine neue Gitarre oder einen neuen Amp gekauft hatte, und beim nächsten Treffen oder über irgendwelche gemeinsame Bekannten wurde dann ein Verkauf des bisherigen Instruments ausgedealt.

Und ja, als Keyboarder war man damals ziemlich aufgeschmissen, wenn man keinen zahlungskräftigen Papa (oder eine entsprechende Oma!) hatte.
Ein Minimoog - damals das Instrumente meiner Träume - war durch Ferienjobs oder Zeitungaustragen kaum zu finanzieren.
Da geht es uns heute doch deutlich besser!
 
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MP hinterm Bahnhof?
Wir sind immer zum Dete Klamann gegangen. "Trink erst mal 'nen Kaffee!" kam immer, wenn man noch unentschlossen war...

Cooler Laden, da hab ich damals eine Gibson gekauft, LP Custom für 1800 DM (muss so Ende 80er gewesen sein)
 
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..jup, meine erste Strat kam auch von ihm (Hammersteinstr, da war er noch "Music Market", später Nordstadt mit Anpielkabine und der Letzte dann Gustav Adolfstr.) Das war so richtig der Laden zum rumschnuppern und es gab eigentlich auch immer faire Kurse (sogar Tauschmöglichkeiten), würde ich rückblickend sagen. Das ist so der Laden, von dem ich sagen würde: so haben wir uns das damals gewünscht und es tatsächlich gekriegt. Der Versuch, diesen Hauch in die Gegenwart zu transportieren, fand ich aber nicht komplett gelungen, aber nah dran. Das hing schon an der Person, denke ich. Sonst, wenn man sich benehmen konnte, war zumindest von der Auswahl Emma sehr spannend (nicht aber von den Kursen ... das scheint heute 2 oder sind's 3 Generationen später noch so zu sein ...) Himmel, was hab ich den Läden genervt :D (Rolf Kleemann war auch was, und der dicke am E-Damm, wie hieß der noch? der hatte immer waghalsiges Vintage auf Lager, den ham die Furys leergekauft eine Zeitlang, MP nobelnobelKram ohne Ende, und etwas später PPC in der Theaterstr. ... wir hatten jedenfalls keinen Mangel zu leiden in H.)

Neulich habe ich mal eine Autobiographie vom "anderen" Dete gelesen (mir hochgelobt empfohlen), :sick:da kam mir allerdings ein Duft der 70er entgegen, den ich auch damals schon nicht mochte, diese offenbar in bestimmten Kreisen salonfähige Mischung aus Mief, dreckigen Bleiben, Abzocke, Suff und Krach. Das war auch nicht die Armut (so wird das in der Bio etwas verklärt), das verstand sich als Stil. So mussten Mucker sein. Sich gegenseitig beweihräuchernde Soziopathen (sach ich jetzt mal so)... da war mir selbst die Punkszene näher, die teilweise durchaus Verbindungen ins wavige hatte oder das, was sich damals als Avantgarde sah.
Gibt es heute eigentlich noch so eine eng vernetzte Szene?
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Zeit im MuHaBo, wo mir mein Kollege - ich nenne ihn mal - "Keyboard-Yoda" alles beigebracht hat, was ich über Gitarrenservice wissen musste - vom Löten bis zur Reparatur eines brutalen Halsbruches. Wo ich Freitags morgens den Laden aufgeschlossen hab (anstatt die Schulbank zu drücken) und mit ein bisschen Glück mit Gerd Knebel einen Kaffe trinken konnte. Wo das Studio im Hinterhof und auch der Seitengang voller Vintage Les Pauls hing, die damals noch keiner so genannt hat. Wo man über den Tag mit den unterschiedlichsten Frankfurter Originalen jammen konnte und ich versucht habe, vom "Resident Al Di Meola" was abzuschauen und all das zu spielen, was nach dem Erscheinen von Wayne's World einige Jahre darauf in den Musikgeschäften dieser Welt verpönt war. Wo wir ein DIN A5 Heftchen führten, damit wir im Auge behalten konnten, wer was noch abzubezahlen hatte (mein Name stand da auch immer drin).

War das schöner als heute? Keine Ahnung, es hat dazu geführt, wo ich heute bin - "a healthy dose of reality" hat mir gezeigt, dass "Karrieren" als Musiker/Rockstar statistisch unwahrscheinlich sind und lieber die "sichere" Variante zu wählen ist (ich hatte damals so wenig Kohle, ich wollte schon finanzielle Unabhängigkeit). Durch massive Vernachlässigung meiner Lehranstalt stand mir da allerdings nur noch WiWi offen.

Vermisse ich das? Ohne das hätte ich wohl nicht meine Frau kennengelernt und wir hätten unsere Tochter nicht.

Es geht also weniger um das "Schöne" oder das "Vermissen" als um die Tatsache, dass es uns zu dem macht, was wir geworden sind. Und damit bin ich persönlich absolut und zu 100% glücklich.

Und ja, meine erste Les Paul hat auch knapp 1.800 DM gekostet (86er Cherry Sunburst Plaintop - mein "Ssssschatz").
 
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... Es geht also weniger um das "Schöne" oder das "Vermissen" als um die Tatsache, dass es uns zu dem macht, was wir geworden sind. Und damit bin ich persönlich absolut und zu 100% glücklich.
Und diese Chance hat jeder Mensch und jede Generation zu ihrer Zeit.

Was bleibt, sind Unterschiede und Gemeinsamkeiten - und die Art, darauf zu schauen und sie zu bewerten ... wenn man mag.

x-Riff
 
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Eins vermisse ich an der guten alten Zeit: Subjektiv hat man sich früher nicht so sehr über Sound definiert wie heute, sondern hat eher Ideen und Energie bewundert.
 
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Das einzige, was ich an der guten alten Zeit definitiv vermisse, ist das Fehlen diverser körperlicher Zipperlein in jungen Jahren sowie der Bierpreis von 2,20 DM für die Halbe. Alles andere verklärt man halt gerne, da natürlich Jungend und die dort erfahrenen Prägungen die wohl wichtigste Phase des musikalischen Schaffens ist. Klar fehlt mir in der heutigen Musik das Spontane, manchmal etwas Ungehobelte, was für uns rückblickend ein Qualitätsmerkmal ist. Fragt man unsere Eltern, war unsere Musik hingegen "Lärm", weil die Musik ihrer Jugend noch viel braver und - in der Rückschau - etabliert war. So könnte man das vermutlich Generation für Generation bis zum alten Sokrates zurückführen, wenn man wollte.

Solche Fragestellungen finde ich inzwischen eher müßig, da das Ergebnis von vornherein doch irgendwie feststeht. Klar war früher gefühlt alles besser, und wer mit der Zeit geht, ist nur zu feige, sich einzugestehen, dass inzwischen andere das Geschehen bestimmen, während man selbst alt geworden ist.

Nein, halt, was ich wirklich und ganz ehrlich vermisse, sind die vielen Läden, in denen bis in die 80er Livemusik stattfand, sei es als Band zum Auftreten oder zum Anhören anderer bekannter und unbekannter Gruppen. Alleine in meiner Heimatstadt FFB und Umgebung gab es mehrere Kneipen mit wöchentlichen Konzerten, in denen teils auch etablierte Künstler auftraten, denen man aus der Nähe auf die Finger schauen konnte.
Nach dem Konzert mit Charly Antolini, Stefan Stoppok etc. noch bei einem Bier zu quatschen, war dann das Sahnehäubchen obendrauf.

Ach, irgendwie war es früher doch schön ;)
 
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Klar fehlt mir in der heutigen Musik das Spontane, manchmal etwas Ungehobelte, was für uns rückblickend ein Qualitätsmerkmal ist. Fragt man unsere Eltern, war unsere Musik hingegen "Lärm", weil die Musik ihrer Jugend noch viel braver und - in der Rückschau - etabliert war. So könnte man das vermutlich Generation für Generation bis zum alten Sokrates zurückführen, wenn man wollte.
Das stimmt wohl. Eine Sache ist aber tatsächlich doch vielleicht anders als in früheren Generationen"Konflikten": früher waren die Jungen immer die wilden, unangepassten, die mit mehr "Dreck" im Sound und mehr (musikalisch ausgedrückter) Wut im Bauch. Die Älteren fanden das meist zu laut, zu verzerrt, zu wild... Das Spiel hat sich wiederholt, ob das dann jeweils Beat war oder Punk, Hardrock, Metal, Grunge oder auch HipHop.
Jetzt haben wir interessanterweise die Situation, dass den Älteren die Musik der Jugend eher "zu" angepasst und langweilig vorkommt, und sich die Jüngeren aber eben die Helden ihrer Eltern durchaus auch noch anhören (und die passenden Shirts direkt bei H&M kaufen können...) - also fast genau andersherum...
Bei all den schwelenden gesellschaftlichen Interessenskonflikten (Klima, Diversität, new work etc) vermisse ich eigentlich den passenden Soundtrack der heutigen jungen Generation dazu, der das inhaltlich aufgreift und musikalisch in irgendeiner neuen Stilrichtung mündet...
 
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dass den Älteren die Musik der Jugend eher "zu" angepasst und langweilig vorkommt
Mmmmmhh, entschuldige aber, NEIN, wenn ich mir die Rapper, auf die meine Teenietochter so abfährt anhöre, dann ist da nichts, absolut nichts angepasst. Und die Texte sind ganz bestimmt nicht langweilig, geschweige denn brav.
Rap ist nur leider überhaupt nicht meine Musikrichtung, hat aber nichts mit dem Alter zu tun. Mir fehlt da eher die „Musik“ die „Vielzuschnellquaseler“ stehen mir zu sehr im Vordergrund. Rap halt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das mag sein - aber das wird dennoch kaum etwas sein, das einem sagen wir mal Mittfünfziger, Hiphopper der ersten Stunde irgendwie die Schamesröte und Gesicht treibt oder ihn provoziert.
Dass nicht jeder jede Musikrichtung mag, ist klar. Aber Hiphop ist eigentlich längst keine Jugendkultur mehr, sondern gehört seit fast einem halben Jahrhundert zum musikalischen Establishment - das meine ich.
Früher hat jede Generation (zumindest jede politisch aufmüpfige Generation) ihre Abgrenzung auch musikalisch ausgedrückt und dabei neue Stile erschaffen. Da sehe ich irgendwie gerade nichts, was es nicht schon ziemlich lange gibt. Sowas bahnbrechende neues wie damals Punk oder Grunge ist heute nicht in Sicht...
 
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