Die Frage, ob es Gitarristen gibt, die so etwas können, ist IMO müßig. ...kann sein, es gibt viele Leute, die ziemlich krasse Skills haben..
Interessanter wird es wenn man fragt, was man dann davon hat?
Soweit ist in Interviews und Berichten über „Berufs-E-Gitarristen“ gelesen habe, gibt es ein paar Jobs, wo zumindest gefordert ist, von jetzt auf nun etwas Bestimmtes korrekt spielen zu können. Das betrifft schon Leute, die auf Kreuzfahrtschiffen in unterschiedliche Rollen performen sollen. Für einen Studio Gitarrist kann es auch von Nutzen sein, mit einem Notenblatt klarzukommen, wenn da z.B. eine auskomponierte Filmmusik aufgenommen werden soll.
Solche Beispiele kann man finden, es aber wohl auch so, dass die Menge an Profi-Gitarristen, die das wirklich können, eher gering ist. Wogegen es aber mehr als genug Gitarristen gibt, sich so „gut“ sind, dass sie sich auch durch diese Situationen „durchmogeln“ können und dennoch ihre Auftraggeber zufrieden stellen können.
Jetzt kann man wiederum fragen, warum ist das eigentlich so? Wenn Noten die Sprache und das Alphabet der Musik ist, warum sind so viele, auch wirklich hervorragende Gitarristen „Analphabeten“?
Jetzt gibt es gewiss auch im E-Gitarren Mikrokosmos „Verdrängungswettbewerb“ und wenn Noten-Skills, so krass hilfreich wären, würde es IMO auch mehr notenfeste Gitarristen geben.
Die Gitarre ist aber wie schon mehrfach hier erörtert wurde, ein Instrument, dass eher semi-optimal notiert werden kann und mit Tabulaturen eine schon ernstzunehmend Konkurrenz hat, die zu lesen, wesentlich einfacher zu erlernen ist. Dass, wer „nur“ Tabulaturen lesen gelernt hat, dabei dann auch ziemlich Null-Komma-Null musikalisch gelernt hat ist natürlich auch richtig!
Nichtsdestotrotz, E-Gitarre ist einfach auch eine andere Geschichte, als Klavier, Geige oder Blockflöte.
Es gibt ganze Diskussion hier im Forum, wie sehr es nicht geht, wenn eine Rock-Band Notenständer auf der Bühne stehen hat!
Dann noch die Situation aus meinem häuslichen Umfeld:
Ich bin so ein typischer „Laien-Autodidakt“, der sich mit 14 Jahren eine E-Gitarre geschnappt hat, einfach weil cool und geil war, in einer Band „Lärm“ zu machen. Musik Theorie war langweilig, Musikpraxis aber klasse... aber ohne Theorie, blieb die Praxis auch mau, also da wo „Theorie“ notwendig und hilfreich war, habe ich mir die auch draufgeschafft. (...jeder Gitarrist sollte sich dafür ein Keyboard besorgen und das ganze Intervall und Harmonie/Akkord Geraffel da drauf lernen. Dazuzusetzen man IMO nicht Noten lesen können.)
Anders meine eigene Tochter, die insbesondere meine Frau, so mit 10 motiviert hat, ein Instrument zu lernen, um für die Ansprüche in der weiterführenden Schule gerüstet zu sein. Sie hat sich für Konzertgitarre entschieden, hat klassischen Unterricht und macht das jetzt mit Spaß an der Sache seit fünf Jahren. Sie ist notenfest und hat all das von der „Pieke“ auf gelernt und nutzt mittlerweile ... Tabulaturen....
Anders als ich, der nach fünf Jahren ohne irgendwelchen Unterricht, schon mindestens 10 eigene Stücke geschrieben hat (...weil das so viel leichter war, als den andere komplizierten Scheiß von Platte zu hören...) und in einer Band gespielt hat, ist für meine Tochter jedes Spielen vor Publikum ein Graus und selbst zu komponieren ist auch überhaupt nicht ihr Ding. Immerhin ihre Schulnoten in Musik müssen sich nicht verstecken!