Hier nochmal eine Zusammenfassung von Twang mit dem, was ich aus diesem Thread, paar Papern und meinen eigenen Erfahrungen so gelernt habe:
Wie fühlt sich Twang an und was passiert?
Der charakteristische Vokal für die Twang-Stellung ist ein ganz stark betontes, langes "e". Versucht mal ein "e" zu halten und das so stark wie möglich zu betonen. Ihr werdet merken, wenn ihr zu stark betont, kommt keine oder fast keine Luft mehr raus. Das zeigt: Twang verengt die Luftröhre. Das passiert, indem der Kehldeckel, der normalerweie leicht schräg nach hinten offen steht, sich stärker verschließt.
In diesem Video, das Foxx mal gepostet hat, kann man das schön sehen. Da malt der Typ an die Tafel, was beim Twang passiert:
http://www.youtube.com/watch?v=l9EjZuuK0As
Wie man so auch schön sehen kann, geht die letztendliche Öffnung der Luftröhre, die ohnehin schon leicht nach hinten zeigt, beim Twang noch stärker in Richtung hinten. Deshalb wird Twang beim Singen weiter hinten wahrgenommen. In der Extremstellung so weit hinten, dass man denkt, man würde aus dem hinteren unteren Nacken nach hinten hinaus singen (beim betonten "e" sollte man dieses Gefühl haben).
In der Gesangspraxis twangt man aber meist nicht soo stark, deshalb wird Twang in der Regel nicht auf "e" geübt, sondern auf "ä", was eine etwas mildere Twang-Stellung erzeugt (die aber immer noch extremer ist als die klassiche Twang-Einstellung). Eine typische Übung ist die berühmt-berüchtigte "nay nay nay"-Übung aus dem Singing Success-Programm (das englische "a" muss hier als "ä" übersetzt werden, was auch phonetisch eher korrekt ist als "e"). Das isolierte und betonte "ä" erzeugt das Gefühl nach hinten oben hinaus zu singen. Das abschließende "i" holt die Stimme sogar noch etwas weiter nach vorne und ermöglicht so, das Gaumensegel zu heben, was in der extremen Twang-Position nicht möglich ist (das erzeugt dann den manchmal mit Twang verbundenen nasalen Klang).
Twang und Deckung
Ein weiterer wichtiger Zusammenhang ist der von Twang und Deckung. Unabhängig von der Theorie, ob Twang nun der Sängerformant ist bzw. ob Twang die Brillianz erzeugt, ist der Zusammenhang mit der Deckung sozusagen der Beweis, das Klassiker auch twangen. Deckung (in der Klassik auch Coupe de Glotte genannt) bedeutet, dass die Stimmbandschluss, der in der Schwingungsphase periodisch auftritt,
vollständig ist, also keine Luft mehr rauskommt. Ist der Stimmbandschluss unvollständig, hat der Klang eine hauchige Qualität (das nennt man dann klassicherweise im Falsett singen).
Der entscheidende Punkt ist nun, dass in der Randstimme (oft auch als Kopfstimme bezeichnet) meist keine Deckung mehr möglich ist (auch bei Frauen oft nicht!). Der Stimmbandschluss ist unvollständig. Durch den Einsatz von Twang kann aber sozusagen der Klang eines vollständigen Stimmbandschlusses "vorgetäuscht" werden, indem die Luftröhre im Bereich, der nach den Stimmlippen kommt, verengt wird und die austretende Luft so komprimiert wird. Dadurch bekommt die Stimme wieder den fokussierten Klang, den sie auch beim "echt gedeckten" Singen hat.
Twang und Belt
Das Belten (in diesem Fall einfach als "mit höherem Atemdruck singen" zu interpretieren) ist eine weitere Art Deckung zu erzeugen. In höheren Lagen werden die Stimmbänder mit höherem Druck zusammengpresst. Bei konstantem Atemdruck müssen sie, wie vorher schon beschrieben, leicht geöffnet werden, damit sie von der Atemluft noch in Schwingung gebracht werden können. Das Belten erhöht den Atemdruck und erlaubt so einen vollständigen Stimmbandschluss auch im Bereich der Kopfstimme, weil auch die stärker aneienander gepressten Stimmbänder dann noch aufgestoßen werden können. Gleichzeitig wird durch den höheren Atemdruck auch ein größerer Teil der Stimmbänder in Schwingung versetzt, was die Schwungmasse erhöht und tiefere Frequenzen hinzufügt. Belten in der Kopfstimme klingt deshalb "brustiger" als reine Kopfstimme.
Das Belten ist aber nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich, ab dem die Stimmritze geöffnet werden
muss. Das soll hier mal am Beispiel eines typischen Tenors illustriert werden:
Die Kopfstimme eines Tenors beginnt in der Regel etwa bei e'. Ab diesem Punkt müsste eigentlich die Stimmritze geöffnet werden. Durch Erhöhung des Atemdrucks kann aber meist noch bis etwa g' gesungen werden (das entspricht dem natürlichen Rufmodus). Ab etwa a' müsste dann eigentlich die Stimmritze geöffnet werden. Durch Kombination von Belt und Twang kann dieser Punkt aber noch hinausgezögert werden. Das funktioniert beim Tenor etwa bis c''. Ab d'' muss dann die Stimmritze geöffnet werden und eine Deckung ist nur noch durch Twang erreichbar.
Bei Frauen verhält es sich wahrscheinlich änhlich, nur dass sie nach dem Ende der Belting-Range nicht so stark twangen müssen wie die Männer.
Twang und Passagio
Twang ist aus diesem Grund auch für den Registerausgleich wichtig. Der Übergang in die Randstimme geht letztendlich mit einer leichten Öffnung der Stimmlippen einher. Deshalb sind die typischen Anfängersymptome im Passagio auch, dass die Stimme entweder bricht (wenn der Schüler die Stimmlippen mit Gewalt zusammenhält, wodurch keine Randstimme möglich ist) oder dass die Stimme überkippt ins Falsett, also dass die Stimmlippen schlagartig aufgehen und die Deckung verloren geht. Damit das Passagio sauber überbrückt werden kann, müssen die Stimmlippen graduell geöffnet werden (damit die Stimme nicht bricht) und gleichzeitig die "künstiliche" Deckung (also der Twang) verstärkt werden (damit es kein Überkippen ins Falsett gibt).
Wie übt der Klassiker Twang?
Der Klassiker übt Twang weit weniger direkt als der Funktionale. Der Grund dafür ist, dass beim Twang der Kehlkopf tendenziell hochgeht und somit die klassiche, tiefe Kehlkopfstellung immer schwieriger wird (versucht mal auf dem stark betonten "e" den Kehlkopf zu senken). Die Haupt-Twang-Übungen der Klassiker sind Übungen auf dem Vokal "i" und auf NG, die machen eine sehr dezente Twang-Stellung, gerade eben so viel, dass die künstliche Deckung der Randstimme erreicht werden kann. Kleines Experiment dazu: versucht mal auf dem Vokal "a" (das ist der Vokal der die größte Nicht-Twang-Stellung erzeugt) mit flacher Zunge nach vorne raus von der Brust- in die Kopfstimme überzugehen, die Kopfstimme ist in dieser Position (wenn überhaupt) nur im hauchigen Falsett möglich.
Wenn ihr das gleiche mit der Zunge in NG-Stellung macht, ist der Übergang möglich, aber ihr werdet fühlen, dass der Stimmsitz dabei weiter nach hinten (oben) wandert, je höher ihr geht. Das ist sehr dezenter Twang.
Was ist nun mit dem klassischen Männer-Falsett?
Das klassische Männer-Falsett bzw. die Vorstellung, die Männer hätten noch ein seltsames Register über der Kopfstimme, das die Frauen nicht haben, ist im Prinzip ein Mißverständnis. Männer und Frauen besitzen jeweils nur Modalstimme (Vollstimme) und Randstimme. Allerdings sind Männer nicht in der Lage in der dezenten Twang-Position auf sehr hohen Randstimmentönen die künstliche Deckung zu erzeugen. Dafür müssen sie im Gegensatz zu Frauen den Twang-Anteil deutlich verstärken, wodurch sie die klassiche tiefe Kehlkopfstellung aufgeben müssen.
Wie singt also ein Countertenor?
Countertenöre haben in der Klassik also nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie singen mit klassischer Kehlkopfstellung, dafür aber mit hauchigem, weniger fokussiertem Klang, oder sie singen mit mehr Twang dafür aber mit höherem Kehlkopf und weniger vollem Klang. Aus diesem Grund klingen klassische Countertenöre auch häufig sehr individuell unterschiedlich. Das ist auch der Grund warum Countertenöre sehr häufig von der Grundstimmlage Bass oder Bariton sind. Diese Stimmtypen besitzen häufig von Natur aus einen tiefer sitzenden Kehlkopf und können mit mehr Twang singen ohne den runden Klang so stark zu verlieren wie etwa ein Tenor. Daher haben Bässe und Baritone häufig ein "schöneres" (klassisches) Falsett als Tenöre.
Twang und Pfeifregister
Die Randstimme geht ab einer bestimmten Höhe (meist so bei h'' oder c''') in das Pfeifregister über. Die (nach wie vor leicht geöffneten) Stimmbänder werden mit so viel Druck in dieser Stellung gehalten, dass die Atemluft sie nicht mehr in Schwingung versetzen kann. Ein weiteres Öffnen funktioniert auch nicht, da dann zu viel Atemluft durch die Stimmritze entweicht und nicht mehr an der Schwingung beteiligt ist. Also bleiben die Stimmbänder fest und es entsteht ein Pfeifton durch Luftverwirbelgungen ähnlich wie beim Pfeifen mit den Lippen. Im Pfeifregister müssten eigentlich auch Frauen stärker twangen, um noch den Anschein von Deckung zu behalten. Dadurch, dass die Luft verwirbelt ausgestoßen wird, wird die hauchige Qualität allerdings nicht mehr in dem Maße wahrgenommen wie beim Falsett, weshalb die klassichen weiblichen Sänger auch hier auf mehr Twang verzichten können. Mit stärkerem Twang hört sich die Pfeifstimme aber dennoch schneidender und fokussierter an.
Was ist nun der Unterschied zwischen klassischer und funktioneller Herangehensweise
Der Unterschied ist letztlich, dass sozusagen von unterschiedlichen Seiten herangegangen wird. Der Funktionelle setzt den Fokus darauf, dass Deckung auf jeden Fall vorhanden sein soll. Das macht den Übergang im Passagio sehr einfach. Von dort ausgehend wird sozusagen
im Nachhinein an der Klangqualität gearbeitet, so wird z.B. durch Übungen auf "NG" oder Verbindung von "ä" und "i" die Stimme etwas weiter nach vorne geholt um einen schöneren Klang zu erzeugen. Danach kann sogar noch der Kehlkopf gesenkt werden.
Der Klassiker hingegen geht von der anderen Seite heran und legt den Fokus von Beginn an auf ein bestimmtes Klangideal, nämlich den runden Klang auf "NG" und den tiefen Kehlkopf. Dann wird am Registerübergang gearbeitet. Oft wird dies gemacht, indem man von der Kopfstimme runtergeht in die Bruststimme. Damit fängt man nämlich sozusagen in der gerade noch zulässigen Twang-Position an und verringert den Twang graduell. Der Registerübergang ist in klassischer Einstellung mit Sicherheit schwierieger zu lernen, dafür wird man von Beginn an auf das Klangideal getrimmt, was ja später auch sehr wichtig ist.
Twang und Brillianz (Sängerformant)
Die Theorie, dass Twang für die Brillianz verantwortlich ist, finde ich sehr interessant. Ich möchte mich hier mal nicht festlegen, ob das stimmt, aber ich halte es für gut möglich. Ich halte es aber für problematisch zu sagen, dass Twang
allein für die Brillianz verantwortlich ist. Meine Theorie ist eher so: Der Kehldeckel (und damit Twang) ist sozusagen der erste Filter (wenn man das Power-Source-Filter-Modell zugrunde legt, dass singintutor angesprochen hat), weil er ja direkt nach den Stimmlippen kommt. Er erhöht zum einen den Druck, mit dem die Luft die Luftröhre verlässt (weil die Öffnung ja kleiner wird). Zum Anderen verändert er das Abstrahlungsverhalten, indem der Klang stärker richtung hinten abgestrahlt wird. Die Brillianz ist letztendlich eine Verstärkung bestimmter vergleichsweise hoher Frequenzen und die Luftkompression durch die Verengung der Luftröhre bewirkt auf jeden Fall eine Verstärkung der hohen Frequenzen, weil niedrige Frequenzen halt mehr Raum zum Schwingen brauchen.
Danach kommen allerdings noch andere Filter. Wenn z.B. die Zungenposition falsch ist (Zungengrund liegt über den Stimmlippen), dann werden die hohen Frequenzen wiederum gedämpft. Meiner Meinung nach könnte es deshalb sein, dass Twang die Brillianz tatsächlich erzeugt, aber es müssen weitere Faktoren eingehalten werden, um sie auch zu erhalten und "nach draußen zu lassen".
Twang und Geschlecht
Wie man aus den bisherigen Ausführungen erkennen kann, müssen Männer teilweise stärker twangen als Frauen, um noch Deckung zu erreichen. Deshalb sind oft größere Ausmaße an Twang bei Männern zu beobachten als bei Frauen (was ja durch diesen Thread in gewisser Wiese bestätigt wurde). Männer können dadurch in großen höhen (Countertenorlage) nicht den runden vollen Klang erreichen, den eine Frau erreichen kann. Dafür werden die Männer sozusagen dadurch "entschädigt", dass sie (bei entsprechendem Training) eine insgesamt größere Range erreichen können. Dabei ist die maximale Range umso höher, je tiefer die Grundstimme ist, d.h. Bässe (wie ich z.B.) können die größte Range erreichen, müssen aber auch am meisten twangen und klingen dadurch in den Höhen am wenigsten rund.