Konnte zu einem fairen Kurs eine Tokai LS135 Plaintop mit Häussel AGL 62 Bridge Pickup ergattern. Am Neck sitzt dazu eine Vin N A2, zu dem es ja bereits jede Menge Infos gibt. Da aber der 62 Bridge bisher kaum beschrieben wurde hier ein Kurz-Review nach nun 4 Tagen ausführlichem Test:
Verarbeitung:
Die Version, die in meiner Tokai sitzt kommt mit Nickel Kappe mit leichtem Vintage Aging. Das ist wirklich sehr geschmackvoll ausgeführt. Die Materialien und die Verarbeitungsqualität sind vom Allerfeinsten, alles ist präzise und perfekt ausgeführt. Vor allem ist er perfekt gewachst, da pfeift nichts und quietscht nichts. Da habe ich bei anderen Boutique Herstellern schon Schlimmes erlebt. Auch die Schrauben passen perfekt, was auch nicht immer der Fall ist. Die Pole Pieces lassen sich butterweich verstellen, ohne dass dabei gleich Massen an Wachs austreten. Die Kabel sind robust und haben einen ordentlich Querschnitt, sind also kein Klingeldraht. In meinem Fall ist der PU vieradrig ausgelegt. Allerdings hat der Vorbesitzer keine Splitfunktion eingebaut, so dass ich zum Splitsound nicht viel sagen kann.
Ton:
Bevor ich jetzt lang rumschwafel post ich zuerst mal Acys Beschreibung (Acy ist der Privatkundenvertrieb von Harry Häussel und bietet das größte Häussel PU Test Center mit Dutzenden von Gitarren mit Häussel PUs drin):
http://www.acys-lounge.de/agl-pickup-modelle.html --> Runterscrollen zum Bridge PU.
Der 62 klingt typisch nach A2, also eher transparent, mit wirklich toller Saitentrennung. Die Bässe sind absolut sauber und sehr straff, also nicht voluminös, dick oder gar blubbrig, wie bei einigen PAFs es manchmal vorkommt. Was ich sofort unterschreiben kann sind die Begriffe frisch und klar: Der PU hat ein sehr ausgewogenes Klangspektrum über alle Frequenzen.
Höhen:
Im obersten Höhen Bereich kommt er allerdings mit einer kristallklaren Extra-Portion daher. Ich gehe mal davon aus, dass es auch genau diese Extra Prise Höhen ist, die diesen kristallklaren Charakter ausmacht. Letzten Endes unterstützen diese Höhen auch stark die Saitentrennung. Sie sind straff und mit schöner entschärfter Kontur, da sägt und kratzt nichts, aber auch gar nichts. Selbst über meinen kleinen Marshall MG15 Übungsamp, dem Meister der Kreissäge, klingen die Höhen absolut klar und ohne jedes Kreischen und Sägen.
Obere und mittlere Mitten:
Die Mitten sind genau richtig dosiert um nicht aus dem Gesamtspektrum herauszuragen oder dem Sound gar etwas topfig-mulmig-pappiges zu geben. Sie sind straff und transportieren einen ganzen LKW and Farbpaletten. Das ist wirklich Klangfarbe satt und ermöglicht natürlich das müheloseste Spiel mit den Obertönen: Pinch Harmonics sprudeln grad so raus als wärs nix. Gerade die oberen Mitten und Präsenzen sind wirklich fein und frisch dosiert. Da sägt überhaupt nichts. Wer ein Problem mit sägendem Sound hat und einen schlanken frischen Vintage Ton sucht wird hier genau fündig.
Untere Mitten:
Tja, die unteren Mitten...ja die sind da und auch nicht wirklich zu wenig. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass der Grund warum mir die PUs einfach zu lieb und brav klingen - Stichwort unschuldiger klarer Frühlingstag - genau in diesem Frequenzbereich liegt. Wer den Angus kennt weiss sofort was ich meine: Den Angus zeichnen 2 Attribute aus: Biss und Growl. Der Biss kommt von einem extra Schuss Präsenz und extra Tiefmitten. Und genau diese 2 Dinge scheinen für mein Gehör beim 62 dezenter. Nicht dass sie nicht da wären, aber sie stechen nicht hervor. Warum schreib ich das dann überhaupt? Ganz einfach. Jemand für den Vintage PUs auch Rotz mitbringen sollten, dem könnte hier etwas fehlen und er sollte eher zum Angus greifen. Jemand der den perfekt ausgewogenen klaren frisch-schlnaken Vintage PAF sucht, bei dem nichts spitzbübisch hervorlugt und sich in den Vordergrund drängt, der wird perfekt belohnt beim 62.
Bässe:
Die Bässe sind sehr sehr straff und völlig schlackefrei. In Gitarren, die von Haus aus mit dezenten Bässen daher kommen, könnte es fast etwas zu schlank werden, aber in der Tokai ist es wirklich perfekt. Gerade für Riff-Rock und Solos in den unteren Lagen perfekt, um sich in der Band fett durchzusetzen.
Und sonst:
Wer Häussel PUs kennt, weiß, dass sie das Anschlags-Schmatzen wirklich gut drauf haben. Der 62 toppt für mich alles: Der Anschlag ist selbst wenn ich nur ganz leicht spiele sofort da mit superschnellem aber nicht zu hartem Attack und schmatzt und schnalzt.
Die extreme Ausgewogenheit und die wunderschönen Klangfarben in den Mitten tragen das Sustain wirklich toll und tragen den Ton über die gesamte Dauer. Gerade einfacherere/billige PUs lassen den Ton oft regelrecht einbrechen.
Da der PU auf meinem Messgerät gerade mal 7,9kohm rüberbringt ist eher jetzt nicht unbedingt der No. 1 Kandidat für Splitsounds, da die dann eher etwas dünn rüber kommen dürften. Allerdings: In der Mittelstellung mit gesplittetem Br und N PU passt's wieder geil. Gerade auch wenn am Neck ein P90 sitzt.
Alternativen:
Aus dem eigenen Haus gibt es 2 direkte Alternativen: Ganz klar der Angus, der im Prinzip die Vorzüge des 62 in sich trägt und als Bonus noch Biss und Growl mitbringt. An zweiter Stelle der Vin B, der für mich allerdings etwas weniger frisch daher kommt, dafür aber kerniger. Von Seymour Duncan gibts die Antiquities, die noch mal deutlich transparenter sind.
Hoffe es hilft jemandem. Bitte beachten: Alles nur meine persönlichen Eindrücke ohne Anspruch auf Gültigkeit für irgendjemand anderen.