Stradivari nicht besser als neue Geigen?

  • Ersteller michaeldewerd
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Hi,

die Holzqualität ist die Grundlage für ein Top-Instrument.
Was man daraus macht, ist Handwerk mit viel Erfahrung und Bauchgefühl,
denn Messwerte sind bei solch einem unbeständigen Werkstoff nur ein Anhaltspunkt.

Es gibt noch eine vielzahl anderer baulicher Faktoren, die einfach wichtig sind. Das ist aber bekannt.
Also ein Geheimnis.. was ein Käse! Wenn ein Geigenbauer einem Nicht-Geigenbauer erzählt, wo er seine
unwissenschaftliche "Philosophie" reinsteckt, dann kann nur ein yellow-press-Artikel daraus werden..

Das ist ja schon innerhalb der Fachkreisen schwierig.

Meine Auffassung über das Handwerk: die Tradition wurde bis heute kontinuierlich fortgesetzt - da gab es keinen Abriss.

Heutige Geigenbauer können genausogute Instrumente bauen, wie damals - am Verfahren hat sich kaum etwas verändert.
Heutige Geigenbauer sind viel bessere Reparateure, als damals! Früher wurde viel schneller ein Instrument verschrottet und durch ein neues ersetzt.
Angesichts des enormen Preisanstiegs, werden heute Reparaturen in ausgetüfteltsten Verfahren durchgeführt, deren Aufwand den Bau eines neuen Instrumentes um ein Vielfaches übersteigt. Was ich selbst davon gesehen habe, ist eine große Kunst und hat (aus meiner Sicht) eine eigene Ästhetik.

Ein Teil dieser Kunst (und Mystik) liegt darin, daß man am Schluß nichts davon sieht. (ich rede gerade von Reparatur)
Gottseidank gibt es Fotoapparate, sonst würde sowas kaum jemand bezahlen :D

Die Blindtests sind kein unnötiger Zeitvertreib für Insrumentenfreaks.
Es ist nur die stetige Suche und Bestätigung nach DEM Klangideal.
Sicherlich ist es unstrittig, daß Stradivari zu seiner Zeit ganz andere Klänge gehört hat, als wir heute.
Aber das Instrument funktioniert, auch nach dem Umbau, nach den gleichen physikalischen Gegebenheiten.

Für mich ist es kein Wunder, daß ein top-Barock-Instrument nach dem Umbau auf modern, besser klingt, als ein
klanglich mittelmäßiges Barock-Instrument nach dem selben Umbau.

Klanglich und baulich sind die Streichinstrumente, meiner Meinung nach, ausgereitzt.
Es gibt ein Optimum, das je nach Tagesform der Zuhörer etwas schwankt.
Diesen Level vom GB zu halten bzw. zu erreichen, ist schon ein Projekt für sich.

Heute get das auch und einige können das verdammt gut.


cheers, fiddle
 
Och, ich fand das schon beeindruckend und sehr überzeugend:)
Was hat dich beeindruckt? Dass Garrett die verschiedenen CD-Aufnahmen von Beethovens Violinkonzert auseinander halten oder dass er sofort hören kann, welche Geige gespielt wird? Er tut ja so, also er zuerst den Klang der Geige wiedererkennt und erst dann den Interpreten. Allerdings verrät er sich bei der zweiten Aufnahme. Da sagt er nämlich, dass es die einzige Aufnahme ist, wo die Geige "unbekannt" ist - was natürlich zutrifft. Wie kann er hören, dass eine Geige unbekannt ist? Er weiß also genau zwischen welchen Aufnahmen von Beethovens Konzert er wählen muss. Es ist immer die gleiche Stelle aus dem gleichen Konzert.
Und er hat auswendig gelernt auf welchen Geigen die Violonisten spielen. So eine übermenschliche Leistung ist das nun auch wieder nicht! Die Geiger spielen ja unterschiedlich, das Orchester klingt anders, und wenn ältere Aufnahmen dabei sind, ist die Aufnahmetechnik auch anders. Wenn mich etwas beeindruckt, dann ist es wie es Garrett gelingt, alle an der Nase herumzuführen. :great:

Da kann ich mir auch eine Wette vorstellen, wo ich behaupte, dass ich nur auf Grund der Stimme einer Opernsängerin hören kann, welche Farbe ihr Kleid hat. Es werden immer Aufnahmen von Turandot gespielt. Ich: "Hmm... ich höre, dass die Ärmel rot sind" (Applaus vom Publikum) "Und bei den Schultern höre ich... rosa!" (Mehr Applaus) "Und in dem Kleid steckt... Mal überlegen: Birgit Nillson! (Thomas Gottschalk/Markus Lanz: "Das ist vollkommen richtig!") Alles quatsch natürlich, ich habe einfach gehört, dass es die Aufnahme von Nilsson in der Oper von Rom ist.
 
Frage von michaeldewerd: Was hat dich beeindruckt? Dass Garrett die verschiedenen CD-Aufnahmen von Beethovens Violinkonzert auseinander halten oder dass er sofort hören kann, welche Geige gespielt wird? Er tut ja so, also er zuerst den Klang der Geige wiedererkennt und erst dann den Interpreten.

Es standen ja wohl 30? Aufnahmen zur Verfügung, aus denen 5 ausgewählt wurden. Ich fand beeindruckend, wie schnell er in der kurzen Zeit die Geiger überhaupt erkennen bzw. zuordnen konnte.

Ein Beweis, dass er die Geige nicht am Ton sondern nur über den Interpreten erkannte, wäre für mich äußerst interessant. Bei dem kurzen Soundschnipsel unter 30 möglichen Aufnahmen 5 richtige nur auf Grund der Interpretation zu benennen, scheint mir nämlich noch schwieriger zu sein.

Oder anders: der Interpretationsunterschied dieses Werkes auf 15 Sekunden x 30 Spieler ist bestimmt viel geringer, als z.B. eine ähnliche Situation mit 30 Tina Turner Cover-Sängerinnen wenn es um die Stimmfarbe vom Gesang geht

Vielleicht liege ich auch falsch....
 
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Ich wäre vorsichtig dem David, da voreilig was zu unterstellen. schließlich heißt er eigentlch gar nicht garrett (so heißt seine mutter), sondern bongartz und er ist der sohn von deutschlands bekanntesten und gewichtigstem geigenauktionator...insofern dürfte er wirklich seeerh viel ahnung haben vom klang der top-geigen. das nur am rande.

alle großen geiger haben mehrere geigen und nicht immer spielen sie auf ihrer altitalienerin...wichtig ist nur, daß man weiß, daß sie ne strad haben.....;-)))) alles glanz und gloria, der sich immer gut macht. letzlich kommt dieser mythos der ganzen geigenkultur zugute und insofern wird da keiner groß dran rütteln. wozu auch? die alten instrumente klingen wirklich top und jeder adelt sich damit.

letztlich muß man so ein instrument trotzdem auch zum klingen bringen. ich hab schon geiger gehört, wo ich es nicht glauben konnte, daß die auf ner strad gespielt haben! da klang meine brückner besser. ohne mist! wenn ein geiger da nur draufdrückt und auch z.b. gewisse phys. grundlagen nicht begriffen hat, incl. falschem bogen und falscher bogentechnik, nützt einem die strad gar nix...
alles relativ, aber die optionen, die einem so eine gute geige bietet, sind schon klasse. leider alles zu teuer, für normalmusiker....
 
Tabea Zimmermann spielt laut Aussage ihrer Homepage auf einer modernen Bratsche, Jacqueline du Pré ersetzte ihre beiden Stradivari-Cellos 1970 mit einem Neubau (Wikipedia), das dürften deutliche Indizien sein, dass auch die Stars der heutigen Geigenbauerszene richtig was können.

Aber der Zauber der alten Instrumente ist eben ein ganz anderer. Merke schon ich, wenn ich bei meinen Freunden von der Holzbläserfraktion andeute, dass meine deutlich angemackte Geige, mutmaßlich aus böhmischer Serienproduktion, wohl schon über 100 Jahre alt ist. Für die ist grundsätzlich völlig klar, dass so ein Instrument etwas ganz Besonderes ist, muss man natürlich vorsichtig mit umgehen und ist sicher sehr wertvoll!
 
Es heißt doch immer, dass man ein Instrument erst einspielen muss und dass man es immer wieder spielen muss, damit es gut bleibt. Ich kenne mich da jetzt nicht sooo gut aus, aber vielleicht versteht ihr, was ich meine. Also ein guter Geiger aus alter Zeit kauft sich eine neue Stradivari und diese Geige wird dauernd und gut über viele Jahre hinweg gespielt und dann kauft sich der nächste gute Geiger wieder eine Stradivari und spielt die gut und vielleicht ist so 1. Der Mythos um die guten Geigen entstanden und 2. Die Geigen vielleicht wirklich besser geworden, als andere, die nur von zweitklassiken Geigern hin und wieder gespielt wurden. ? Vielleicht nochmal als anderen Ansatz
 
Hi! - Ich halte den ganzen Stradivari-Mythos (durch zahlreiche Blindversuche hinreichend belegt!) für einen riesen Promotion Coup. Es gab da im 19. Jh. einen Musikimpressario - dessen Name ich leider vergessen habe und nicht wiederfinde - der einige, ich meine es waren acht oder neun, Stradivaris besaß und und diese lauthals als die besten Violinen der Welt anpries. Und wer viel Geschrei macht findet auch Zuhörer... Zuvor galten allgemein die Geigen von Jacobus Stainer als die "besten" Instrumente. - Wir sollten uns auch folgende Fakten vor Augen - oder vor Ohren ;) - halten: Was ist bei einem 300 Jahre alten Instrument noch original? Auch bei den Stradivaris wurden Verschleißteile wie das Griffbrett ersetzt, der Halswinkel moderneren Spielweisen angepaßt, Anschäfter gemacht, im Extremfall das ganze Instrument neu zusammen geleimt und neu lackiert hat wie bei den beiden Stradivaris, die man nach einem Schiffsuntergang vom Meeresboden holte und restaurierte. Und fast alle werden heute mit Stahl- statt Darmsaiten gespielt. Original? - Außerdem sollten wir folgendes nicht vergessen: Die wahrnehmbaren Frequenzkurven eines Menschen sind so individuell wie Fingerabdrücke und verändern sich zudem noch im Laufe eines Lebens. Zwei Menschen können das gleiche Instrument hören, aber nie den selben Klangeindruck haben. Und ein junger Mensch hört in seiner Jugend anders als im Alter. Wer vermag da ernsthaft von einem "unübertrefflichen" Klang zu reden, von Faktoren wie Raumakustik, Luftfeuchtigkeit etc. mal abgesehen. - Mir ist mancher Baß für 3.500,-- € klanglich lieber als andere für 35.000,-- €; mein Lehrer handelt auch mit Bässen und sagt auch, daß für ihn selbst so mancher 80.000,-- € Baß klanglich keine 8.000,-- € wert ist. Die Relation zwischen Preis und Klang sollte man ganz weit außen vor lassen, erst recht wenn die Preise sieben- oder achtstellig wie bei den den Stradivaris ausfallen. Es sind trotzdem ;) verdammt gute Geigen, sollen aber extrem zickig sein und verzeihen nicht den geringsten Fehler, wie maffyn das bereits angedeuted hat. Und einen der fünf Bässe die Antonio nachweislich gebaut hat würde ich zu gerne mal hören - die sind wohl aber alle futsch. - Grüße, Thomas
 
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Tabea Zimmermann spielt laut Aussage ihrer Homepage auf einer modernen Bratsche, Jacqueline du Pré ersetzte ihre beiden Stradivari-Cellos 1970 mit einem Neubau (Wikipedia), das dürften deutliche Indizien sein, dass auch die Stars der heutigen Geigenbauerszene richtig was können.
Tabea Zimmermann kannte ich nicht, aber ich finde es positiv, dass auch eine Legende wie Jacqueline du Pré auf ein neues Cello umgestiegen ist. Natürlich kann ich verstehen, dass alte Instrumente wie die Stradivari etwas besonderes sind, auch wenn nur ein Teil von Ihnen so alt ist. Und es ist bestimmt interessanter, dass sie gespielt werden als dass sie nur im Museum liegen. Was mich aber stört, ist wenn man mich einreden will, dass ihr Klang einmalig ist und total verschieden ist von den neuen Geigen oder das Geheimnis der Stradivari so und so ist. Für mich haben die verschiedene Experimente wie das letzte in Indianapolis bewiesen, dass das einfach nicht stimmt. Und wenn jemand wie David Garrett den Gegenteil behauptet - und es vielleicht auch noch selber glaubt - dann soll sich einem echten wissenschaftlichen Blindtest unterziehen und nicht so etwas mit CDs, die er alle kennt.

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Hi! - Ich halte den ganzen Stradivari-Mythos (durch zahlreiche Blindversuche hinreichend belegt!) für einen riesen Promotion Coup. Es gab da im 19. Jh. einen Musikimpressario - dessen Name ich leider vergessen habe und nicht wiederfinde - der einige, ich meine es waren acht oder neun, Stradivaris besaß und und diese lauthals als die besten Violinen der Welt anpries. Und wer viel Geschrei macht findet auch Zuhörer... Zuvor galten allgemein die Geigen von Jacobus Stainer als die "besten" Instrumente.
Das finde ich eine interessante Erkenntnis über die ich gerne mehr wissen wüsste. Ich hatte vor einigen Jahren schon gehört, dass die Geigen von Stainer einen besseren Ruf hatten als Stradivari. Und ich habe mich deswegen schon gefragt wann die Stradivari/Guaneri sich so haben durchsetzen können. Dass das ein bewußter Coup von jemandem war, stellt das Ganze in einem neuen Tageslicht.
 
Hi michaeldewerd! - Entschuldige bitte meine verspätete Antwort, aber ich habe erst jetzt einen (den?) Namen gefunden: Graf Cozio di Salabue, der den gesamten Nachlaß der Stradivari-Werkstatt nach deren Schließung erwarb, einschließlich (nach Wikipedia) acht Instrumenten, von der Zeit her dürfte es auch stimmen. Leider gibt es zu ihm nicht viel im Netz, ich glaube meine diesbezüglichen Kenntnisse stammen aus einer Fernsehsendung, das muß aber schon viele Jahre her sein. Jetzt gibt es eine Biographie über ihn - aber 225,-- $... Hier noch ein paar Links zu ihm: http://en.wikipedia.org/wiki/Count_Ignazio_Alessandro_Cozio_di_Salabue , http://coziodisalabue.com/ , http://www.geige24.com/italienische...alienischer-geigebau-stradivarius-cremona.htm . Luigi Tarisio http://en.wikipedia.org/wiki/Luigi_Tarisio dürfte in dem Zusammenhang auch noch eine Rolle gespielt haben. Grüße, Thomas
 
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Hallo Thomas

Vielen Dank für den Hinweis! Das ist ja wirklich eine interessante Theorie. Es ist Schade, dass es nicht so viel Cozio di Salabue zu finden gibt, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er einen wichtigen Beitrag zum Enstehen des Mythos Stradivari gespielt hat. So was kommt ja nicht von selbst.

Liebe Grüße von Michael
 
ich finde die Testergebnisse nicht richtig interpretiert. Die Schlussfolgerung "Mythos Stradivari entzaubert" ergibt sich für mich nicht.
Der ganze Test sieht sehr bedenklich aus.

1. die Instrumente
was waren es für Instrumente? Stradivaris gegen neue Geigen. Waren es ausgesucht gute Stradivaris oder irgendwelche?
Waren es ausgesucht gute neue Instrumente oder irgendwelche? Je nach Konstellation kommen wir auf völlig neue, z.T. gegensätzliche Voraussetzungen.

2. die Spieler
irgendwelche Studenten? Hochkarätige Musiker? Erfahren oder unerfahren?

3. Das Hotelzimmer
keine Umgebung, um den Klang eines klassischen Instruments zu genießen. Als akustisch dämmender Raum absichtlich und nicht in bösem Willen ausgewählt, aber dennoch... kein Mensch veranstaltet Konzerte in solch einer Umgebung, nanu warum wohl. Niemand hört sich Musik in solch einem Zimmer an und erwartet dann, derart weitreichende Entscheidungen zur Qualität treffen zu können.

Die hätten den Test ja meinetwegen so machen können, aber danach noch mal in einer anständigen Konzerthalle wiederholen sollen.
Das Instrument muss auch eine Chance bekommen, sich akustisch zu entfalten, und dazu fällt mir gleich der nächste Punkt ein

4. Zeitbegrenzung
Die erste Hälfte des Tests bestand darin, in absurd kurzer Zeit (1 Minute incl. Stimmen) mal flott zwei Instrumente auszuprobieren und dann ein Urteil abzugeben. Kurz anspielen und fertig. Dieser Teil des Tests ist nach meinem Dafürhalten mal gleich für die Tonne.
Erst in der zweiten Hälfte konnte man mit mehr Zeit auch mehrmals zwischen den Instrumenten hin- und herwechseln.

5. ungewohntes Instrument
Das Instrument lebt und atmet erst durch den Spieler. Wer sein Instrument kennt, seine Eigenheiten und Besonderheiten, sich darauf einstellen und hineinschlüpfen kann, der kann erst richtig damit spielen.

Instrumente haben (manchmal mehr, mal weniger) Charakter, Spieler erst recht^^. Das kann man in solch einem Test nicht erfassen, da hätte ich keinen Verbesserungsvorschlag außer der Erkenntnis, dass es in dem Punkt keinen wirklichen Vergleichstest geben kann. (Weil man verschiedene Spieler, die mit jeweils ihrem Instrument jahrelang vertraut sind, wieder nicht gegeneinander antreten lassen und vergleichen kann.)
Es ist nur mein Einwand, dass dieser wichtige Aspekt nicht beachtet wurde und trotzdem so eine dreiste Schlussfolgerung aufgestellt wird.

Die einzige Schlussfolgerung, die zu ziehen ich für legitim halte, ist, dass diese Art des Testes nichts taugt.

Beweis:
6. das Testergebnis
weder die alten noch die neuen Geigen wurden bevorzugt. Es gab gar kein Ergebnis im Sinne von "die Stradivaris klingen gar nicht so toll", und es ist falsch das so hinzudrehen. Es gab überhaupt kein Ergebnis. Die Tester widersprachen sich ständig und gaben selbst zu, keine Entscheidung fällen zu können. Die bevorzugten oder verschmähten Instrumente wären durch Würfeln genauso zufällig und sinnlos ausgewählt worden, keinerlei Konsistenz.
Wurden dieselben Geigen im Testdurchlauf unerkannt ein weiteres Mal gereicht, kam ein anderes Urteil dabei heraus. Keine einzige Entscheidung hielt einer zweiten Überprüfung stand. In meinen Augen reicht das, um die Sache hinfällig zu machen. Das sind keine Entscheidungen, das ist Zufall.



Nichtsdestotrotz mag der Mythos der Stradivari erstunken und erlogen sein und andere, neue Instrumente könnten viel besser sein. Das kann ich mir durchaus vorstellen, ich weiß es nicht. Ich finde nur: dieser Test hat es nicht gezeigt.
 
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Es scheint mir klar, dass kein einziger Test perfekt sein kann. Dazu ist ja auch ein Test. Und meiner Meinung nach ist es der bisher beste, den es bisher über dieses Thema gegeben hat. Ich werde mich ein wenig wiederholen müssen, aber zu deinen Bemerkungen noch folgendes:

1) Es handelte sich um zwei Stradivari und einen Guaneri der Spitzenklasse, die von angesehen Musikern gespielt wurde. Aus Rücksicht auf die Besitzer wurde nicht genau gesagt, welche Instrumente es waren. Sie hatten aber angeblich einen Marktwert von 10 Millionen Euro - d.h. hundert (!) mal so viel als die drei neuen. Also es waren bestimmte keine schlechten Instrumente. Die drei neuen Instrumente waren bewußt wegen ihrer Qualität ausgesucht. A

2) Die Testpersonen waren sehr unterschiedlich, aber allesamt erfahrene Musiker.

3) Die Test fanden bewußt in einem Hotelzimmer mit einer trockenen Akustik statt, weil laut den Untersuchern dies eher den Umständen entsprechen würde, unter denen Kunden vorzugsweise ein Instrument ausprobieren. Vergleiche in einer Konzerthalle hat es auch schon gegeben, und auch dort war das Ergebnis das Gleiche: die Testpersonen konnten keinen Unterschied hören zwischen den Stradivari und den neuen Geigen.

4) Alle Tests haben eine zeitliche Beschränkung. Man kann nicht erwarten, dass die Testpersonen die Stradivari einen Monat lang ausgeborgt bekommen.

Das Testergebnis war ja gerade, dass es nicht möglich war einen Unterschied zu hören zwischen alten und den neuen Geigen. Aber das ist ja gerade das Spektakuläre. Wenn der Klang der Stradivari oder Guaneri wirklich so einmalig wäre - was ja die Hypothese-, hätte es einen Unterschied geben sollen.
Es ist mir aber klar, dass es bei jedem Test immer Leute geben wird, die nicht zufrieden sind, und der Mythos Stradivari vorläufig nicht auszurotten ist.
 
Marktwert von 10 Millionen Euro - d.h. hundert (!) mal so viel als die drei neuen. Also es waren bestimmte keine schlechten Instrumente.

Bei musealen Kostbarkeiten hat der Preis nicht zwangsläufig etwas mit Qualität zu tun, das kann überhaupt nicht proportional sein
 
Ich werde mich ein wenig wiederholen müssen
...
Das Testergebnis war ja gerade, dass es nicht möglich war einen Unterschied zu hören zwischen alten und den neuen Geigen. Aber das ist ja gerade das Spektakuläre.
...
entschuldige den abgegriffenen Spruch, aber vom Wiederholen wird eine Behauptung ja nicht wahrer ;)

So wie ich die verschiedenen verlinkten Artikel gelesen habe, wurde eben sehr wohl ein Unterschied gehört.
Er konnte nur nicht den teureren oder billigeren Geigen zugeordnet werden - und dies wird von verschiedenen Journalisten und leider auch dir als "spektakuläres Ergebnis" verkauft.
Das Problem ist: es wurden sogar Unterschiede zwischen ein und derselben Geige gehört. So siehts aus. Muss man da noch mehr sagen?

Ich hatte schon vor einer Weile über den Test gelesen, hab nur jetzt erst diesen Thread entdeckt. Im ersten Moment damals war ich ja auch beeindruckt und hab die von den Medien vorgelegten "Schlussfolgerungen" für voll genommen. Ich versteh dich soweit schon. Meine oben angemeldeten Zweifel kamen mir erst bei ein bisschen drüber Nachdenken.

Was ist jetzt an der Sache spektakulär?
- Verschiedene Instrumente klingen verschieden
- Testumgebung, -aufbau, -durchführung können entscheidender fürs Ergebnis sein als das getestete Objekt selbst, mit Sicherheit bei solch sensiblen Fragen. (Ob ne Küchenmaschine sauber schneidet lässt sich glaub ich einfacher beurteilen.)
- Manche Sachen werden zu völlig unrealistischen Preisen gehandelt, denen mit Vernunftgründen nicht beizukommen ist.
Ich mein das jetzt nicht unbescheiden, und danke auch für den gutgemeinten Test, aber wussten wir das alles nicht schon vorher?



Um mich nicht auch zu wiederholen, hier mal ein blumiges Beispiel. Inspiriert von deinem "ich höre die Farbe des Kleides der Opernsängerin"- Vergleich, den ich sehr gut fand.

Angenommen, man testet wohlschmeckendes Essen und will Unterschiede zwischen (guten) preiswerten und teuren Gourmet-Produkten herausfinden. Dazu wählt man jetzt aber eine stressige, stinkende, laute unappetitliche Umgebung... stell dir meinetwegen einen U-Bahnhof im vollen Betrieb vor. Um mal nichts Ekligeres auszudenken. Die Essensproben werden verteilt und (so auf die Schnelle) werden von den Probanden die unterschiedlichsten Ergebnisse verkündet. Eigentlich schmeckt das Essen keinem.
So, was schließen wir jetzt daraus? Willst du in den Tenor der Schreiberlinge einstimmen "ha, es ist hiermit wissenschaftlich erwiesen. Die und die Produkte sind völlig überteuert, weil ja kein Unterschied zu den billigeren festgestellt werden konnte"?
Ich
würd sagen: der Test wäre ja schon völlig wertlos, aber die Schlussfolgerung auf so eine Weise zu ziehen ist schon geradezu skandalös.

Dazu ist ja auch ein Test. Und meiner Meinung nach ist es der bisher beste, den es bisher über dieses Thema gegeben hat.
das ist ja mal ein Argument. Wenn die anderen Tests noch schlechter waren :D...
 
Ich frag mich, wer solche nutzlosen Tests veranstaltet? Extra dafür teure Instrumente quer durch die Landschaft schickt. Oder haben die Journalisten mal wieder was falsch verstanden und es wurde was ganz anderes gemacht als ein Test oder wurde etwas anderes getestet? Wie man z.B. mit modernen Methoden der Medien das Wort Stradivari wieder unter die Massen bekommt? Oder war das eine Werbeaktion der Hersteller der andern Geigen (denn der Marktwert könnte sich etwas erhöht haben nach diesem "Test")


Und ich frag mich gerade, wie man es einem der Milliardäre erklärt hätte, dass seine Stradivari aufgrund des natürlichen Holzzerfalls nicht mehr ganz das Gelbe von Ei ist. Wäre es so gewesen, hätte man ein ähnliches nichtssagendes Ergebnis veröffentlicht, wie nun zu lesen ist, ansonsten hätte man den Milliardär durch den plötzlichen Fall des Marktwertes um Einiges enteignet, denn beim nächsten Auktionstermin würde er seinen Einsatz nicht rein bekommen. Was denkt ihr denn so ganz allgemein, wie Phantasie-Preise bei Raritäten zustande kommen und warum sie steigen oder fallen oder wie sie im Zweifel erhalten werden?. (Nur Gedankenspielerei)
Ich meine , der Test hätte öffentlich nicht viel anders ausgehen können und das beantwortet vielleicht auch deine Eingangsfrage:
Es ist nicht gerade eine neue Geschichte, aber es hat mich gewundert, dass das Ganze bisher relativ so wenige Reaktionen hervorgerufen hat und Folgen gehabt hat.
 
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entschuldige den abgegriffenen Spruch, aber vom Wiederholen wird eine Behauptung ja nicht wahrer

doch! Menschen sind so dumm und fallen auf sowas herein.
Dafür gibt es unzählige Beispiele.
Wahrheit ist das, was die Mehrheit glaubt, aber nicht weiß!
Das Ding hat einen Namen: Propaganda

Darauf basiert z.B. die aktuelle Wahlpropaganda und es wird eine Menge Geld darin investiert, weil es funktioniert.

Das menschliche Gehör ist sehrgut. Man kann sogar innerhalb von Sekunden den Unterschied von zwei Spitzen-Instrumenten erkennen.
Eine längere Spieldauer verfälscht sogar das Hörempfinden und man bildet sich irgendetwas ein.
Kurz und schnell hintereinander - das funktioniert und bleibt einigermaßen neutral für jeden Hörer.

cheers, fiddle
 
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Danke für den Hinweis, den ich leider etwas später gelesen habe. In Österreich kann ich die Videos anscheinend nicht anschauen, aber ich werde mir die Wiederholung vom dritten Teil am kommenden Samstag anschauen bzw. aufnehmen.
 
Eine kleine Aktualisierung zu diesem alten Thread. Die Forscherin Claudia Fritz, die 2012 schon den Vergleich in Indianopolis organisierte, hat diesen anscheinend vor kurzem unter etwas anderen Bedingungen wiederholt. Leider habe ich bisher nur den sehr kurzen Zusammenfassung gefunden: http://www.pnas.org/content/early/2014/04/03/1323367111.abstract

Ich habe den Eindruck, damit sie auch bestimmten Kritikpunkten entgegentreten wollten. Erstens wurden zwei Mal so viele Instrumente getestet. Beim ersten Mal waren es drei alte sehr wertvolle Geigen - zwei Stradivari und ein Guaneri - und drei neue, und beim zweiten Mal sechs alte - davon fünf Stradivari - und sechs neue. Außerdem waren dieses Mal alle zehn Testpersonen bekannte Solisten. Hatten die Testpersonen beim vorigen Test ingesamt eine Stunde Zeit gehabt, wo waren es jetzt zwei mal 75 Minuten.

Der vielleicht wichtigste Unterschied war, dass der Test sowohl in einem Hotelzimmer als in einem Konzertsaal gemacht wurde. Der erste Test war laut dem Forscherteam zwar bewußt in einem Hotelzimmer gemacht worden wegen der trockenen Akustik, aber gerade dieser Aspekt wurde von manchen kritisiert.

Auf jedem Fall war das Ergebnis fast genau das Gleiche wie beim ersten Mal. Die Testpersonen waren nicht imstande, die alten von den neuen Geigen zu unterscheiden, und die neuen Geigen wurden positiver bewertet als die alten. Und wie beim ersten Mal war eine neue Geige das populärste Instrument und ein Stradivari das unbeliebste. Mich hat das überhaupt nicht überrascht, aber ob es Folgen für den Mythos Stradivari hat, bezweifle ich.
 

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