Hallo Mitbürgerin (bin auch aus H),
das mit dem Selbstvertrauen ist halt so ne Sache, an der ein Künstler wohl sein halbes Leben oder mehr bastelt.
Ich bin zwar (entgegen meiner Signature) nicht zu leise, aber einige Deiner Probleme sind mir (und vielen anderen Sängern) mehr als bekannt.
Auch mir fällt nach Jahren noch viel schwerer, vor den paar Leuten im Proberaum zu singen (die ich ja sogar alle persönlich kenne), als vor hunderten von Leuten auf der Bühne.
Das ist schonmal völlig normal. Es dauert immer einige Anläufe, bis ich ein neues Lied frei von der Leber weg vor meiner eigenen Band singen kann. MAn achtet immer nur auf sich, merkt jeden Fehler und es klingt nie so, wie man es möchte. Auch recht normal...
Und wenn Du Dich vor 80 Leuten traust zu singen, dann hast Du immerhin schon mal mehr Selbstvertrauen als die meisten: das traut sich nämlich kaum jemand. Also scheinst Du ja im tiefsten Inneren irgenwie schon ein bißchen an Deine Fähigkeiten zu glauben - sonst würdest Du es ja nicht tun.
Und immerhin hast Du auch eine Homepage, auf der Du Dich präsentierst - irgendwas "Exhibitionistisches" muss da ja sein.
Was die Selbsteinschätzung und Meinungen der anderen Leute angeht: Es gibt immer andere Mädchen und Jungen, die viieeel schöner Singen, als man selbst, viel besser aussehen und überhaupt viel geiler sind oder scheinen. Würde jeder sich dies als Maßstab nehmen, könnte man die erfolgreichen Menschen dieser Welt wahrscheinlich an einer Hand abzählen.
Es gibt aber noch andere Attribute, die oft mehr Wert sind als die reine Begabung oder die "Schönheit", die bekanntlich eh im Auge des Betrachters liegt: Persönlichkeit, Identifikationsmuster, Symphatie, Einfallsreichtum, Charme, Nonchalance, allgemeine Trends, der Wunsch nach was neuem, nach was anderem...
Sah Bob Dylan gut aus und war ein toller Sänger: nein!
Sieht Björk super aus: Naja - wie man es nimmt. Kann sie singen? Schon - aber es ist bestimmt nichts für den alltäglichen Geschmack.
Kennst Du Stina Nordenstam? Eine Künstlerin, die eher fiepst als singst, manchmal zu ganz schlimmen Low-Fi Musikbegleitungen, die klingen, wie mit Kassettenrekorder im Wohnzimmer aufgenommen - dennoch unglaublich schön und atmosphärisch.
Die Meinungen anderer sind sone Sache. Man weiß es nie. Meinungen sind bekanntlich wie A...löcher - jeder hat eins. Die einen sagen Nettes, weil sie schleimen wollen. Andere kritisieren Dich. Aber oft auch nur, weil sie gerne eine Meinung haben wollen und "kompetent" wirken wollen. Die ehrliche Meinungen heraus zu filtern, ist schwer. Oft spielt es eine Rolle, wen man eigentlich "packen" will und auf welche Art.
Wenn jemand zu mir sagt: "Deine Stimme klingt nicht unbedingt schön, aber irgendwas hat sie.." dann ist mir das immer noch lieber als "oh super, erinnert mich an xxxx"...
Am Ende musst Du leider hauptsächlich selbst an Dich glauben, aber auch bereit sein, an Dir zu arbeiten. Die Selbstzweifel bleiben meistens. Aber das ist auch gut für die Entwicklung. Solange man sie nicht gewinnen lässt und aufgibt.
Für mich gilt als Maßstab für meine Selsbteinschätzung hauptsächlich die direkte Interaktion und Reaktion mit dem / des Publikum(s) , ob ich es gut mache oder nicht. Wenn ich spüre "sie mögen es", dann ist mir die einzelnen Meinungen hinterher relativ egal - ob positiv oder negativ.