Hi,
das ist definitiv keine Road Worn, allerdings auch keine Custom Shop Relic. Es handelt sich schlicht und einfach um eine Strat, genauer gesagt um eine damals aktuelle Fender American Standard Stratocaster, die original und richtig beim Spielen (ja, das gibts!) abgerockt wurde. Der vergilbte Lack war mal schlicht weiß, und die Gitarre stand entweder viel in der Sonne und/oder wurde in verrauchten Clubs und Proberäumen durch den Teer vergilbt. Nicht nur Nitro-Lacke altern, kommt immer darauf an, was man der Oberfläche zumutet.
Eine HSS-Strat auf Basis der Am Std wurden erst Jahre später, mWn im Herbst 1997 eingeführt, die gab es nicht von Anfang an. Sie hieß dann jedenfalls auch nicht HSS Am Std, sondern lange Zeit "Lone Star Strat" (nicht zu verwechseln mit dem heutigen, gleichnamigen Mexico-Modell). Es gab in dieser sog. "Hot Rodded"-Serie dann noch die "Texas Special Strat" mit den namengebenden SC-PUs und eine HH-Version namens "Big Apple Strat". Alle hatten bereits das Spaghetti-Logo. HSS-Versionen gab es vorher nur in anderen Serien, als Contemporary oder aus dem CS. In der Kombinaktion mit Deinem Logo und 22 Bünden: Fehlanzeige.
Dass Du nicht fündig wurdest, liegt also daran, dass es am Anfang gar keine HSS-Strat war. Man sieht deutlich, dass das Pickguard ein umgearbeitetes SSS ist, höchstwahrscheinlich noch das Original. Beim StegPU hat man sich noch etwas Mühe gegeben - der HB wurde so weit zum Hals hin eingebaut, dass er die vorherige schräge SC-Fräsung voll abdeckte, und das untere Schraubloch ist zugeklebt, was man neben dem Volumepoti sieht.
Ebenso ist das Tremolo die damalige Serienversion der Am Std mit asymmetrischen Oktavschrauben und gesinterten Reitern. Der PU am Hals ist ein Seymour Duncan P-Rails, an der Position des Schriftzugs sieht man, dass es kurioserweise die ziemlich heiße Bridge-Version ist.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Body ebenfalls original ist, denn er passt genau ins Bild. An den Cutaways sieht man, dass das Shaping am Übergang zu den Zargen nicht sehr ausgeprägt ist, dementsprechend ist der flache Teil der Body-Oberseite rund ums Pickguard-Horn etwas breiter als bei Road Worns. Auch Nachrüstbodies sind in aller Regel diesen weicheren Rundungen der Vintage-Strats nachgebildet. Bei späteren Versionen der Am Std hat Fender übrigens auch damit geworben, dass man u.a. das Shaping verbessert und den runderen Vintage-Formen nachgebildet habe. Bei der ursprünglichen Version der Am Std hatte man da wohl schlichtweg etwas Bearbeitungszeit gespart.
Der Vollständigkeit halber: Bei Road Worns sind die "Spielspuren" an jeder Gitarre weitgehend identisch, und einige Bereiche davon fehlen hier, nämlich die "angenagten" Kanten der Zargen im Bereich Buchsenblech / unteres Tonpoti. Hier dagegen sieht alles nicht "gewollt", sondern sehr typisch für eine intensiv benutzte Strat aus. Sie ist nicht mal misshandelt, denn es sind keine groben Abplatzer oder sowas zu sehen. Eher wurde sie nach Klang und Bespielbarkeit als Arbeitsgerät sehr geschätzt und gerade deshalb auch mal an neue Bedürfnisse angepasst. Kein Sammlerstück, keine besonders gesuchte Serie (rein monetär), aber kann durchaus eine tolle Gitarre sein. Auf jeden Fall eine mit sehr viel "Mojo"...
Gruß, bagotrix