Heike schrieb:
An Personlichkeitsbildung glaube ich auch sonst kaum, angefangen damit, daß man m.E. nicht als unbeschriebenes Blatt geboren wird, auf das jeder kritzeln ("einschreiben", um das philosophische Modewort zu nennen) kann, was er gerade will. Und bis man meist als Teenager zum ersten Male auf eigene Initiative beim Ensemblespiel in welcher Form auch immer landet, hat man schon so viel hinter sich, was soll einem da noch viel anders prägen können?
Liebe. Zu einem Menschen, oder zu einer, ääh, Sache. Wie Musik. Oder Nahtoderfahrungen. Japanischer Kampfsport. Erfolgsdruck.
Drogen. Ernsthafte Ideale. Und die Verwerfung dieser, weil einen nichts so desillusioniert, wie die Notwendigkeit sein eigenes Geld zu verdienen mit allen Folgeerscheinungen.
Was ich bis zum 17 Lebensjahr erlebt habe, war mit Sicherheit nicht wenig, aber die Zeit, die danach kam, hatte gravierende und vor allem andersartige Auswirkungen auf mich. Das war so die Zeit, wo ich etwas mehr wurde, "als nur die Summe meiner Gene". Bis dahin hatte ich nur hohl gegen alles rebelliert. Schuldzuweisung an Hormone. Doch dann kam langsam der Wille ich zu sein, mit meinem Kopf, nicht dem, was ich von zuhaus aus kannte, und dies zu ergründen. Und so ging ich hinaus in die Welt, begann mein Leben selbst in die Hand zu nehmen und nicht immer nur zu Mami & Papi zu rennen. Eigene Entscheidungen, eigene Ansichten, eigene Fehler, Auswirkungen auf andere, und dies versucht mal von ihrem Standpunkt aus zu betrachten. Und ich möchte mir von damals nicht begegnen.
Dass ich Bassist bin, können sich alle Menschen vorstellen, denen ich sage, dass ich vorgebe Musiker zu sein. Es passt mit ihren Vorstellungen vom Bass überein, wasauchimmer das sein mag. Die meisten erklären es passt zusammen mit meiner Körpergröße (
), meiner Ausstrahlung einer inneren Ruhe, Selbstbeherrschung, Kontrolle, Führungsstärke, und ich frage mich dann auch immer was die Leute so in mir sehen (und wie kommen die darauf?...). So stellen sie sich jedenfalls einen Bassisten vor, und das bin ich. Als ich noch jünger war, bin ich über den Schulhof gelaufen und habe andere Kinder geknechtet. Auch größere und ältere. Beim Sport habe ich durch erhöhte Gewaltbereitschaft auf mich aufmerksam gemacht. Hat zwar zu meiner Sportart gepasst, aber es ist einfach mal kein lobenswertes Verhalten. Mir hat alles Spaß gemacht, wo ich anderen die Laune verderben konnte.
Und das bin ich heute nicht mehr. Unterbewusst habe ich noch manchmal so bestimmte blutrünstige Gedanken, wenn mir eine bestimmte Person begegnet oder wenn etwas passiert, was ich nicht leiden kann, so pawlowscher-Reflex-mäßig, aber es macht keinen Sinn, es bringt keinen Vorteil, und ich will es nicht. Ich will meine Mitte finden, anderen eine Freude machen und glücklich sterben.
Was hat Musik damit zu tun? Weiß ich nicht genau, ich wüsste auch nicht wie ich das vom "Gesamterfolg" filtern könnte. Aber die Zeit in den Bands, in der Musikschule, mit Musik auf dem Bett liegen, zu Astor Piazolla tanzen, wow. Das war echt intensiv. Seitdem ich auf den Blues gestoßen bin, komme ich nicht mehr von ihm weg, und ich möchte ihn anderen Interessenten nahebringen, zumindest das davon, was ich (denke zu) können tue. Es ist fast von allein geflossen, weil ich diese Musik sehr gemocht habe, doch auch das letzte Quentchen Herzblut mit hineinzulegen, das ist etwas, dass ich bis heute versuche. Dieser Trip dauert schon seine Zeit an, und ich lerne immernoch. Und das hat mein Wesen verändert. Wie viele andere Dinge auch, aber für nichts, außer für Kleidung und Nahrung gebe ich so viel Geld aus wie für die Musik. Da ist was dran, mit Persönlichkeit. Und deren Bildungsmaßnahmen.