Ich denke das ich sehr offen, sowohl alter, als auch neuer Technologie gegenüber stehe.
Ich habe in den 80ern mit einem sehr einseitigen Roland Cube Chorus angefangen, der eigentlich nur Clean vernünftig konnte.
Dann ein Transistor-Röhren-Hybrid-Verstärker (Marshall Artist) der noch finanzierbar war (und deshalb kein JCM800) und schon richtig gut klang.
Dann ging die Rack Zeit los. Das war IMO mehr "cool" und Hype als sinnvoll, da ich als Amateur zwar, (Röhren-)Vorverstärker, Transistor-Endstufe, Digital Delay und sogar ein Roland Dimension D ergattern konnte, doch ein Bradshaw Switching System, wie die "Große" hatten, ging dann auch nicht und so hatte ich im Grunde nur viel mehr zu schleppen und statt eines Pedalboard, eine selbstgebaute Leiste mit einzelnen Schaltern, die die Geräte ein- und ausschalten konnten....
In Summe hat sich dieser Weg dann also - wohl auch nicht nur für mich - nicht bewährt und so schnell dieser Hype kam, so schnell verschwand er auch wieder.
Nichtsdestotrotz gibt es auch heute noch entsprechende Komponenten zu kaufen und Rack Anlagen werden auch heute noch genutzt!!
Dann kam als krasse Gegenbewegung in Sachen Transportabilität der Tom Scholz Rockman und das Nobel Sound Studio raus. Ich hatte letzteres und war in Sachen des auch aufkommenden Homerecording super happy damit, wenn gleich die Soundqualität überhaupt nicht mit meinem Probenraum Rig konkurrieren konnte. Dennoch waren die praktischen Vorteile so groß, dass ich viele Demos damit eingespielt habe.
Als ich dann aus dem Band Zirkus ausgestiegen bin, habe mein ganzes Geraffel ziemlich komplett verkauft und mir für den Heimgebrauch einen Laney Transistor Combo + Zoom Muliteffekt besorgt. Auch da ging Praktikabilität (und Preis...) vor "Sound".
...Time Warp nach ca. 2010. Geld war mittlerweile nicht mehr das Problem und ich begann mir ein neues Rig aufzubauen. Modeling war mit der Pod Bohne zwar besser, aber noch nicht auf dem Niveau von "richtigem" Equipment angekommen, daher habe ich damit gar nicht erst angefangen, sondern mir wieder einen Röhrenverstärker geholt... dann habe das für mich bestklingenste Röhrentop, das ich kenne, gefunden. Dazu die richtige Box und mittlerweile ein Pedalboard mit Switching System. Damit bin ich "angekommen" und habe alles, was ich mir klanglich wünschen könnte. Allerdings ja, beim Auf- und Abbau müssen wieder über 50 kg Zeugs bewegt und die Rückback meines Mazda 6 umgelegt werden...
Für Bandprojekte habe ich mir dann Alternaiv-Rigs zusammengestellt (Röhren Lunchbox Top mit 1x12" Box bzw. Röhren Combo) und ich plane auch nicht, das zu ändern:
Zum einen das Zeug ist da, ist gut und funktioniert klasse und ich fahre mit dem Leadsheet Ordner in der Tasche mit dem Fahrrad zu Probe. Warum das ändern? Für die paar kleinen Gigs ist das Auf- und Abbauen ok.
Ich habe aber durchaus mittlerweile auch ein Helix Stomp. Das ist wieder z.B. für Recordings oder wenn es sonst "schnell" gehen soll, richtig klasse! Ich kann bei Recordings da auch keinen gravierenden Sound Nachteil ausmachen. Im Gegenteil das Helix kann Sounds, die ich analog nicht in der Qualität hinbekomme.
Dennoch, im Probenraum oder live, mit einer "konventionellen" Backline mit akustischen Schlagzeug, Verstärkern und Gesangsanlage/Monitoren, bin ich mit dem Modeling nicht glücklich geworden: Der Transportaufwand für ein Modeler/FRFR-Monitor ist nicht entscheidend geringer, als bei einem konventionellen Röhren Kombo.
Modeling + FRFR-Monitoring erfordert IMO aber eine Menge Anpassung/Twaeken, damit das funktioniert. Leider sind diese Modeling Kisten genau dafür aber ganz schlecht gemacht. Sich da durch die Menues zu scrollen und das "mal eben" via Mäuse Kino einzustellen, ist einfach blöd, wogegen ich einen guten Röhren Amp hinstelle und der tut einfach was er soll.
Ein andere Geschichte ist es, wenn eine Band auf InEar Monitoring umsteigt! Da weiß ich nicht, wie lange ich meine Röhrentops noch weiter nutzen würde.
Von daher lange Rede kurzer Sinn:
So lange Bands noch im Probenraum und live in kleinen Clubs/auf kleinen Bühnen, ohne InEar und Silent Stage spielen sind Röhrentops und Combos, eine bewährte Technik, die wunderbar funktioniert und auch weiterhin gefragt sein wird.
Zuhause und auch je digitaler/technisch aufwändig das Musikmachen wird, desto wenig sind Röhren mit all ihren Nachteilen noch notwendig.
Soweit meine Einschätzung der momentanen realen Vor- und Nachteile.
Ob die digitalen Kisten Image, Mytos, Exklusivität, Feel,... von Röhrenamp ersetzen könne oder müssen, ist eine ganz andere Frage. Doch wie viele alte Dinge, haben Röhrenverstärker da einen Charme, den die digitalen Clone nicht liefern können.