@ limerick, borstel etc.
Ich glaube nicht, dass es hier um Politik geht. Es geht meiner Meinung nach mehr um die Thematisierung des Einzugs der Pornografie in den Mainstream auf der einen Seite und den realen gesellschaftlichen, prüden, provinziellen Zwängen die dies verhindern auf der anderen Seite. Und weil die Deutschen zwar insgeheim Porno sein möchten, aber den Pornoflow nicht haben, müssen sie halt im Mercedes-Benz auf die Autobahn um bei ausländischen Prostituierten als ordentliche Deutsche ihre Träume zu verwirklichen. Das Rednerpult gibt den Hinweis, welche gesellschaftliche Gruppe, welche Schicht, hier womöglich angesprochen sein könnte.
Die Ironie ist erkennbar an den deutschen Klischees: dadurch präsentieren die Rammstein die Deutschen dem Ausland als ein sich selbst humorig auf die Schippe nehmendes Volk mit Abstand zu ihren eigenen Schwächen. Das kann nur Rammstein, weil es sonst kaum internationale deutsche Künstler gibt. Sie stehen hier, auch textlich, in der Tradition Kraftwerks.
Der Text ist mit Sicherheit keine lyrische Meisterleistung (wie Vieles im Rammstein-Kosmos) aber ein sehr klug auf die Wirkung kalkulierter Text, und das Ausland hört die Kraftwerkanleihen vielleicht mehr als wir, ebenso wie den Akzent.
Ich finde es sehr erfrischend, dass eine Band einfach mal stumpf, statt immer mehr in Richtung angedeuteter Pornogangbang-Ästhetik zu gehen (etwa Lady GaGa: Love Game), einen Porno macht. Pornografie schleicht sich momentan unmerklich in unsere Popkultur ein. Es ist gut, wenn es eine Band gibt, die dies visuell offenkundig macht, und auch inhaltlich (meiner Interpretation nach) thematisiert.
Bei Lady GaGa ist dies zwar subtiler, vielleicht auch erotischer, aber wird eben auch nicht so explizit gemacht. Man könnte es als Gefahr ansehen, dass dem unreflektierten jungen Musik-Hörer eine Pornoästhetik serviert wird, ohne dass dieser es merkt. Bei Rammstein besteht die Gefahr nicht.
Aber beide Ansätze haben ihren Reiz. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Rammsteiner bei einem Bier sich überlegt haben: "Warum nicht mal einen richtigen Porno als Musikvideo." Und warum? Weil sie's können. Das Ergebnis ist doch gut anzuschauen. Und im Popbiz hat das bisher noch niemand gebracht, selbst Marilyn Manson zeigt nicht mehr als hier und da mal 'ne Schamlippe. Zudem halte ich es für inhaltlich legitim.
Ich halte das Video daher für ein ernst zu nehmendes Kunstwerk, nicht für eine bloße Provokation. Wen provoziert man heute wirklich mit Pornos außer der Bildzeitung?
(bin übrigens kein Rammstein-Fan)