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Selbstironie ade?
Nein. Aus Versehen sind wir sehr oft selbstironisch und mit Absicht ist das auch schon passiert. Gerade die Deutschen sind sehr froh, wenn so eine martialische Pose wie die unsere zusammenbricht und das Ganze eine ironische Brechung erfährt, weil sie damit aus geschichtlichen Gründen nicht so gut umgehen können. Generell ist in Deutschland übrigens auch der Umgang mit Erfolg ein anderer als in anderen Ländern, das wird anders bewertet.
Ich will diese Sache jetzt nicht so sehr streifen, weil das glaube ich umfassend abgehandelt ist. Aber ihr nehmt auch auf dem aktuellen Album wieder billigend in Kauf, dass man euch missversteht wenn ihr zum Beispiel einen Song wie "Zerstören", in dem es um den Wunsch geht, fremdes Eigentum zu zerstören, mit arabischen Harmonien einleitet. Das könnte man auch als Aufruf zu rassistischen Übergriffen deuten...
Interessant, habe ich noch nie so gesehen. Da würde ich allerdings unterstellen, dass du irgendeine Frequenz hast, die so darauf reagiert. Wir halten ja mit solchen Sachen gewissermaßen den Leuten einen Spiegel vor. Entstanden ist der Text während des Irak-Krieges. Uns haben die Parallelen zwischen einer marodierenden Horde Jugendlicher interessiert, die nach einem Fußballspiel durch die Straßen zieht und alles kaputt schlägt, und Staaten, die in andere Staaten einfallen und dort alles kaputt schlagen. Unser Grundgedanke war der, dass das überhaupt keinen Unterschied macht. Wir haben es als Frechheit empfunden, dass die Amerikaner einfach irgendein Land bombardieren und damit auch noch durchkommen. In dem Moment ist George Bush für mich nichts anders als irgendein asozialer Hooligan. Grundsätzlich kannst du bei uns immer vom Richtigen ausgehen und brauchst eigentlich nie zu denken, dass wir solche Sachen falsch meinen (lacht).
Ich glaube aber, dass viele das bei euch gerne tun: vom Falschen ausgehen. Deshalb ist es ja auch in gewisser Weise mutig, dass ihr euch solche Sachen überhaupt noch traut und nicht aus Angst missverstanden zu werden übersensibilisiert darauf verzichtet.
Wir waren eine ganze Weile ziemlich übersensibilisiert, haben uns das aber abgewöhnt. Wir fühlen uns schließlich keiner Schuld bewusst.
Es gibt noch weitere Songs, die zu Missinterpretationen Anlass geben. So ist die Richtung bei "Mann Gegen Mann" für mich ebenfalls nicht ganz klar.
Das ist jetzt aber interessant, was würdest du denn sagen?
Nachdem du gesagt hast, man soll das Richtige vermuten, würde ich es wohlwollend für eine Auseinandersetzung mit homosexuellen Befindlichkeiten aus heterosexueller Sicht halten.
Aber?
Aber ich war mir nicht ganz sicher und wollte die Urheber fragen. Ich glaube, es liegt an Till Stimme und der Art und Weise, wie er so was singt. Dadurch können Fehldeutungen zustande kommen.
Genau! Und damit spielen wir auch ganz bewusst. Zum Beispiel wenn du jetzt einen Nena-Text nimmst: (Verstellt die Stimme wie Till Lindemann und singt) "Alles, was ich an dir mag, ist grad so wie ich es sag'. Ich bin total verwirrt, ich werd verrückt, wenn's heut' passiert." Du siehst, nur durch die Interpretation kannst du einen Text ins Gegenteil verkehren. Damit spielen wir und das macht auch einen Teil unseres Erfolgsrezeptes aus, dass die Leute das durch die Interpretation als Angriff werten. Wenn man die Texte gedruckt liest und sie des durch den Vortrag bedingten Bedrohlichen beraubt sind, stellt man fest, dass gerade "Mann Gegen Mann" eine ganz süße Lyrik über Schwule ist. In unserem Zusammenhang wirkt das fast wie das Gegenteil. Das finden wir aber gut. Da kann jeder gucken, wie locker er ist, das ist ein kleiner Test!
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