Aufgrund dreier Nachfragen (bin selbst schuld, was mache ich auch einen solchen Thread auf….^^) möchte ich hier einmal versuchen, das, was aus meiner Sicht den besonderen Reiz der pre factorys aus macht, in Worte zu fassen.
Konkreten Anlass bietet mir der Erwerb einer PRS Signature, eines pre factory - Sondermodells, von dem in dem Zeitraum von 1986 bis 1991 insgesamt 1000 Exemplare gebaut wurden. Es unterscheidet sich von der typischen Custom 24 (Pauls mit Abstand meistverkauftes pre factory-Modell) nur dadurch, dass einige Optionen wie Birds serienmäßig waren, besonders gute / schöne Hölzer ausgewählt und der gelabelte Schriftzug auf der Kopfplatte durch eine Originalunterschrift von Paul Reed Smith ersetzt wurde. Technisch sind Custom 24 und Signature abgesehen davon, dass die Custom 24 ab 1992 andere PUs bekam, identisch.
Die Besonderheiten der pre factorys lassen sich am besten anhand der frühen Baujahre 1985 bis 1991 ausmachen.
Vergleicht man die in dieser Zeit gebauten Gitarren mit heutigen PRSi, dann fällt sofort die filigranere Bauweise der pre factorys auf. Das beginnt mit einem filigranen Hals-Shaping und dem etwas dünneren Korpus. Wir sprechen hier über Nuancen, die sich aber haptisch durchaus bemerkbar machen, vor allem im direkten Vergleich.
Auch klanglich kommt bei frühen pre factorys (bis Baujahr 1991) eher die feine Klinge, als das grobe Schwert zum Einsatz, die Signature klingt insgesamt luftiger, nicht so wuchtig, deutlich weniger "les paulig". Der Klang ist ausgewogen, sehr differenziert und das Sustain selbst in den hohen Lagen grandios.
Das alles ist weder ein einzelfallbedingter Zufall, noch beruht es auf Einbildung: Paul selbst ordnete Ende 1991 ganz bewusst nach und nach Änderungen an, die den Sound der Custom 24 dem wuchtigerem Klang einer Gibson Les Paul annähern sollten. Nähere Infos hierzu finden sich in den großartigen Burrlock-Büchern, zusammengefasst: Die Umstellungen betrafen Halsform (fetter) und Korpus (kräftiger/tiefer), verwendete Leime, die Verlängerung des Halsfußes (also des Teils des Halses, der in den Korpus eingeleimt wird) und viele andere Details. Das Ende 1991 vorgestellt Sondermodell Artist 1 wies schon einige dieser Umstellungen auf (und weitere Besonderheiten, etwa einen besonders dünnen Lack), ab 1992 auch die Serie. Ferner kamen ab 1992 andere Tonabnehmer zum Einsatz (dazu unten mehr), das Griffbrett aus Brazilian Rosewood wurde durch eines aus Indian Rosewood ersetzt, etc.
Der Umfang der Änderungen zwischen den Jahren 1991 und 1992 betrifft so viele Bauteile, dass man die pre factory – Phase aus meiner Sicht in einen früheren (1985 bis 1991) und einen späteren (1992 bis 1995) Abschnitt aufteilen kann. Auch hier gibt es kein „besser“ oder „schlechter“, aber die Gitarren dieser Zeiträume unterscheiden sich. Zur schnellen Differenzierung: Die letzte 1991 vergebene Seriennummer ist die 1 (Leerzeichen) 12600.
Tatsächlich kann ich anhand eines Direktvergleichs meiner beiden pre factorys den haptischen und klanglichen Unterschied sehr gut nachvollziehen. Diese beiden Gitarren ergänzen sich prima: Die Signature (1986 bis 1991) ist spürbar (klanglich, haptisch) filigraner als die 10th Anniversary von 1995. Ich spiele sie sehr gern im cleanen und leicht verzerrten Bereich. Die Ten Anni spielt sich demgegenüber fast schon so, wie eine gute aktuelle PRS. Ihre Hölzer sind kräftiger dimensioniert, sie ist mächtiger, setzt sich klanglich gut durch und ist für viele modernere Anwendungen (Tapping, Sweeping, Metal) geeigneter, wobei hier sicher auch die PUs (bei der Ten Anni McCartys) eine Rolle spielen.
PUs sind ein gutes Stichwort: In der pre factory - Zeit wurden verschiedene Humbucker verbaut. In den Jahren 1985 bis 1991 wurden den Signatures und allen Custom 24 – Gitarren Standard Treble- und Standard Bass- Pickups verbaut, 1991/92 wurden sie durch sehr outputstarke HFS am Steg und Vintage Bass - PUs am Hals ersetzt, ferner kamen in den Folgejahren in verschiedenen Modellen Artist-, Dragon- und ab 1994 auch McCarty-PUs zum Einsatz. Letztlich alles Geschmackssache, ich persönlich finde, dass die Standard Treble- und Standard Bass- Pickups klanglich am besten zum Charakter früher pre factorys passen.
Kommen wir zu weiteren Besonderheiten früher pre factorys: Anstelle eines 3- oder 5-Weg-Schalters haben sie ein Poti, das an 5 Stellen einrastet („five-way rotary pickup selector“), anstelle eines Tonhöhen-Potis einen sogenannten Sweet Switch- Mini-Schalter.
Beginnen wir mit dem Pickupwahlpoti. In der vordersten und hintersten Stelle des drehbaren Potiweges (Positionen 1 und 5) finden sich naturgemäß hinterer oder vorderer Humbucker in Alleinstellung. Die Anwahl der dazwischen liegenden Positionen hat sich im Laufe der Zeit 2mal geändert (etwa zunächst in Pos. 4 der damals angesagte out-of-phase-Sound). Am häufigsten dürften in den Positionen 2 und 4 Singlecoilvarianten beider PUs und in der Mitte (Pos.3) ein aus jeweils einer Spule der Humbucker gebildeter Humbuckersound sein.
Das Pickupwahlpoti liefert zwar sehr schnell andere Sounds, ich finde es aber im Vergleich zu einem einfach 5-Weg-Schalter unpraktisch, zumal es einen gewissen Kraftaufwand erfordert und die frühen Potiknöpfe nicht rutschfest ausgestaltet sind (Handschweiß).
Nach einer kurzen Eingewöhnungsphase kommt man aber mit den Schaltungsvarianten gut zurecht. Wer eine pre factory mit einem normalen 3-Wege-Schalter anstelle des rotary - Potis sucht, wird bei den 1994er und 1995er McCarty-Modellen fündig.
Der Sweet Switch - Schalter legt alle anwählbaren Sounds mit wahlweise mit einem eher bass- (obere Schalterposition) oder höhenlastigeren (untere Position) Klang aus. Dies wird aber nicht durch ein Höhenpoti, sondern durch eine spezielle Schaltung erreicht. An den Sweet Switch gewöhnt man sich schnell. Dennoch ersetzte PRS diesen Schalter 1992 durch ein übliches Tone-Poti.
Zusammenfassend:
Wer mit einer aktuellen PRS klar kommt, dem wird auch eine pre factory gefallen, die Umstellung auch auf eine frühe pre factory (vor `92) ist problemlos, sieht man mal von einer gewissen Eingewöhnungszeit für den rotary pickup selector ab.
Wer einen den heutigen PRSi ähnlichen Charakter wünscht, sollte eines der Modelle von 1992 bis 1995 auswählen, wer demgegenüber die beschriebenen Besonderheiten der ersten PRSi zu schätzen weiß, ist mit den früheren Modellen gut bedient.
Auf jeden Fall sollte wirklich jeder User, der PRSi mag, jede sich ihm bietende Gelegenheit zum Anspielen einer pre factory nutzen.
Tipp für Interessenten: Sammler haben seit geraumer Zeit die pre factorys für sich entdeckt. Insbesondere Sondermodelle und besonders frühe Gitarren der Baujahre 1985 bis 86 sind daher leider inzwischen sehr teuer, auch die Jahre 1987 und 88 sind teuer. Lässt man aber einmal Sammlergesichtspunkte außen vor, dann spricht nichts dagegen, eine (derzeit noch) preiswertere 89er, 90er oder 91er zu erwerben, da sie sich technisch nicht von den früheren Baujahren unterscheidet.
Ansonsten gilt –wie für alle PRS- : Schöne Decken erzielen höhere Verkaufspreise.