Hallo zusammen,
ich selber bin ja eher jemand, der die Saiten lieber mit den Fingerkuppen spürt als sie mit dem Hämmerchen anzuschlagen (sieht man wohl auch an meinem Profilbild ;-) aber mein Töchterchen ist da völlig aus der Art geschlagen. Anstatt Gitarre wollte sie lieber Klavier lernen (irgend etwas muss da bei der Erziehung falsch gelaufen sein)...
Na ja, was tut man nicht alles für seinen Nachwuchs...
Bei ihr fing alles mit GarageBand auf dem iPad an. Damit hat sie so mit 6 oder 7 schon ganz begeistert herumgespielt und sogar ein paar ganz interessante Aufnahmen gemacht.
Dann wollte sie ein Keyboard. Gut, da in dem Alter die Begeisterung meist nicht lange anhält, habe ich nix teures kaufen wollen, aber immerhin habe ich nicht den Fehler gemacht, ein "Kinder-Keyboard" anzuschaffen, das lustig blinkt, aber mit dem man sonst nichts ernsthaftes anfangen kann. So in der 100-Euro-Klasse bekommt man aber schon recht brauchbare Tasteninstrumente...
Da haben wir uns gemeinsam ein paar Stücke herausgearbeitet, und zwar indem ich die Namen der Töne auf die Tasten geklebt und unter die Noten auf's Blatt geschrieben habe. War eine Höllenarbeit, war's aber wert: "Nightporter" von Japan hat sie nach ein paar Tagen gut drin gehabt. Für mich selber habe ich auch "Merry Christmas Mr Lawrence" von Sakamoto so vorbereitet, und das hat sie auch schnell besser als ich hin gekriegt. Hmpf! :-/
Wir einigten uns darauf, dass sie zu Weihnachten ein "richtiges" Klavier bekommt. Na ja, fast, ein Stage-Piano sollte's sein (wir wohnten im 4. Stock und der Aufzug war zu klein für ein Klavier) und für 800 Euro haben wir ein wirklich gutes Teil bekommen (das sie heute noch spielt).
Teil des Deals war, dass sie auch "richtigen" Klavierunterricht nimmt (und das auch ernsthaft durchzieht). In der Schule wurde Klavierunterricht organisiert - dafür kamen externe Klavierlehrer in die Schule und die Bezahlung wurde über die Schule einfach per Festpreis abgerechnet.
Da hatten wir Glück, eine wirklich fähige Klavierlehrerin zu bekommen, mit der sie sofort einen sehr guten Draht hatte. Die Begeisterung lies auch nicht nach - um ehrlich zu sein weiß ich gar nicht, ob sie wirklich nach der Schule immer erst 'ne Weile geübt hat, wie sie behauptete, aber sie wurde ziemlich schnell ziemlich besser.
Ich schätze aber, der gute Draht zu der Lehrerin hat in der Phase am meisten geholfen. Wenn das nicht dagewesen wäre, wäre es ziemlich schwer geworden, sie zu motivieren.
Leider hat die Lehrerin dann irgendwann eine volle Beschäftigung an einer Musikschule begonnen und hatte keine Zeit mehr - dafür hat sie uns eine Kollegin empfohlen, die es ebenso gut macht. Außerdem kommt die zu uns nach Hause, was es für uns viel einfacher macht (dafür müssen wir immer eine ganze Stunde nehmen, aber das geht schon OK).
Die ganze Zeit hat meine Tochter übrigens auch Lieder geschrieben und vertont. Sie liebt es, Geschichten zu erfinden, hat auch schon ganze Bücher voll davon aufgeschrieben, und als sie so Sachen wie die frühen Genesis, Bob Dylan und ähnliches entdeckt hat, hat sie auch viel Energie in musikalische Geschichten gesteckt.
Klar, in dem Alter schreibt man eher Tierfabeln und Fantasy-Geschichten, aber die kriegt sie recht tiefsinnig hin. Und wenn ich mal einen was vorschlagen kann ("Probier doch mal einen Aug-Akkord hier") bin ich auch involviert. Meist macht sie aber eh' nur, was sie will :-/
Irgendwann hat sie dann auch BBC mal "X-Factor" gesehen und erklärt: "wenn ich alt genug bin, mache ich da auch mit!".
Gut, ich meinte, schöne Lieder hat sie ja, die Töne trifft sie auch einigermaßen, wenn sie singt, aber so eine Stimme wie die dort hat sie nicht...
Sie bestand aber auf Gesangsunterricht und ich habe auch einen Lehrer gefunden: ein italienischer Tenor (im Training), der sich auch bereit gefunden hat, zu uns zu kommen.
Auch hier hatten wir wieder Glück und die beiden verstanden sich sofort sehr gut. Besser noch: schon nach der ersten Lektion konnte ich einen gewaltigen Fortschritt hören (und sie hatte einen Höllen-Muskelkater im Brustkorb!), nach zwei, drei Lektionen dachte ich: na, das könnte doch noch was werden...
Der nächste große Motivationsschub kam im Sommer, als für den Abschluss der Grundschulzeit (das ist hier nach der 5. Klasse) eine Party für alle ihre Klassenkameraden (samt Eltern) geschmissen wurde. Da haben wir ihr Piano und PA aufgebaut und sie hat allen einmal ihre Lieblingsstücke vorgespielt und -gesungen.
Wenn man bedenkt, dass die Lieder wirklich eher in Richtung Acoustic, Prog Rock, Folk Rock, etc. gehen und die Klassenkameraden sonst eher so die Kategorie Justin Bieber bis Helene Fischer anhören, war der Erfolg enorm. Selbst die Jungs (!) kamen zu ihr und sagten Sachen wie "Hey, das war richtig gut!"
Jedenfalls ist sie voll motiviert, damit weiter zu machen.
Also, langer Rede, kurzer Sinn: alles hängt davon ab, ob und wie man mit dem Lehrer zurecht kommt. Hätten wir am Anfang eine Klavierlehrerin gehabt, die nur stur ihr Programm runterbetet und sie endlos Tonleitern üben gelassen hätte, würde das Klavier jetzt sicher Staub ansetzen.
Der nächste Schritt: jetzt will sie 'ne Band gründen. Und das ist gar nicht so einfach - versucht mal, gute Musiker zu finden, wenn ihr erst 10 Jahre alt seit... :-/
Aber bisher war's immer so: wenn sie sich mal was in den Kopf gesetzt hat ...
Viele Grüße
/sascha