Also, ich hatte mir ja fest vorgenommen mich nicht an dieser Diskussion zu beteiligen, da man vermutlich
die Überzeugungen nicht beeinflussen kann, aber jetzt muss ich einfach auch mal...
Ich bin von Haus aus auch Physiker und wenn man da etwas gleich am Anfang lernt, dann dass bei einem
(komplexen) System jede Komponente - bzw.eine Änderung derselben - Einfluss auf das Ergebnis hat, und sei er
auch noch so klein. (Gemeine Spezialfälle lassen wir mal weg, spielen für Gitarren keine Rolle.) Übertragen
auf eine Gitarre heißt das: egal was ich ändere: Holz, Brücke, Tonabnehmer, Cryotechnik(!), was auch immer,
ich werde das Schwingungsverhalten beeinflussen und damit im weitesten Sinne auch den Klang (für den gibt es
übrigens auch keine richtige Definition
).
Das ist eigentlich trivial. Viel interessanter ist die Frage, ob ich die Änderung nachweisen kann oder ob
sie (a) zu klein für die Genauigkeit meiner Messverfahren ist oder (b) im Rauschen untergeht. Da wir ja an
wahrnehmbaren Effekten interessiert sind (höre ich den Unterschied zwischen Holz x und Holz y?) bedeutet für
uns:
(a) Genauigkeit: wie gut kann ich hören? Das ist sicherlich bei jedem anders, in meinem Alter eher schlecht,
bei jungen Leuten eher besser. Aber da spielt auch Erfahrung eine Rolle, die Tagesform und vieles andere.
Generell sind Menschenohren aber ziemlich begrenzt in ihrer Leistungsfähigkeit.
(b) Rauschen: alles, was die Unterschiede überdeckt, und da gibt es eine ganze Menge. Angefangen von
Unterschieden in der Anschlagstechnik, Verstärker und Effekte (und da komt auch tatsächlich echtes
"Rauschen" ins Spiel), bis hin zur Luftfeuchtigkeit und so weiter.
Bis hierhin ist das eigentlich kaum zu diskutieren, glaube ich, und die meisten Punkte sind ja auch schon an
der einen oder anderen Stelle genannt worden. Der große Streitpunkt ist doch eigentlich: was davon ist
wahrnehmbar und wo ist die Grenze? Das ist der Punkt, an dem es teilweise religiös wird und die Fakten auf
der Strecke bleiben.
Aber alleine die Länge dieses (und anderer) Threads zeigt doch, dass die Unterschiede eher subtil sein
müssen. Wenn für jeden glasklar zu hören wäre: "Ah ja, hör mal, was für ein schönes Ahorngriffbrett!", dann
würden wir hier wohl kaum diskutieren. Genau wie umgekehrt: wo läge der Sinn, wenn alle Gitarren identisch
klängen?
Meine persönliche Meinung?
Ich habe hier mehrere Gitarren und kann ziemlich gut meine Halbakustik von der Tele unterscheiden. Die
erfüllen auch ihre jeweiligen Klischees. Ich glaube aber nicht, dass ich meine Strat von irgendeiner anderen
unterscheiden könnte (am Klang). Geschweige denn ein Ahorn von einem Rosewood Griffbrett.
Ich glaube, dass diese subtilen Effekte entweder zu klein sind um verlässlich wahrgenommen zu werden oider
in besagtem Rauschen untergehen. Natürlich kann man versuchen, das Rauschen zu minimieren und die
Genauigkeit zu erhöhen (messen statt hören). Aber spielt das dann noch eine Rolle? Damit sind wir wieder bei
der Frage: Was ist eigentlich der "Klang" einer E-Gitarre? Trocken? Mit Effekten? Umgehängt? Auf dem Tisch?
Es gibt bestimmt Leute, die besser hören und/oder mehr Erfahrung haben als ich aber für die meisten wird in
Bezug auf die Wahrnehmungsgrenze wohl ähnliches gelten. Ich bin sicher, dass da auch die Erwartungshaltung
bzw. Vorurteile eine ganz große Rolle spielen. Die meisten Blindtests sind ja doch eher ernüchternd.
LG,
Thomas