Liebe Akkordeon-Enthusiasten,
letztes Wochenende habe auch ich mich wieder auf den Weg nach Pirmasens gemacht.
Dankenswerterweise durfte ich Manfreds "Erlkönig" ausprobieren. Mein Fazit: Ich war wenig überrascht. Und das meine ich keineswegs negativ. Man konnte ja schon so manches lesen, von Manfreds technischer Einsicht und seiner klaren Analysefähigkeit bin ich ohnehin seit Jahren begeistert und überzeugt.
So gesehen war es letztlich natürlich "nur" eine Bestätigung meiner Erwartungshaltung: Ein auffallend leichtes Instrument. In allen Registern und Lagen absolut präzise Ansprache. Durch die Optimierung der akustischen Eigenschaften ein - zumindest auf die ersten Versuche - sehr kraftvolles Instrument. Dies ist aber letztlich eine Sache der Gewöhnung, und das geht m.E. im Ernstfall sehr rasch.
Vor allem die Tonstabilität ist extrem beeindruckend. Der Ton steht in jeder dynamischen Lage "gleich gut da". Kein Wegsacken, kein Abfallen, kein roher, schrill schreinder Ton im fff, kein blutarmer Ton im ppp: Das ist schon einzigartig. Und Ton-Glissandi (manche nennen das Bending) gehen trotzdem. Ist wahrscheinlich eine Übungssache (auf den ersten Blick war es nicht so leicht wie mit meinem eigenen Instrument).
Nur, leider: Eben kein Instrument mit Einzeltönen und somit für mich zwar schön zu hören, aber so gut wie nicht zu bespielen. In dieser Hinsicht musste ich den Meister ein wenig enttäuschen: Ich glaube, er hätte sich sehr gefreut, hätte ich ein bisschen mehr auf seinem "Schätzchen" gespielt.
Vielleicht kann sich der Meister ja eines Tages dazu hinreißen lassen, ein Akkordeon mit Einzeltönen zu bauen.
Da dies aber derzeit wohl keine akute Frage darstellt, durfte ich ihm ein "alteingesessenes" Instrument eines ehemals riesengroßen südwestdeutschen Herstellers, der einst gerne italienische oder Schweizer Meister für seine Premiumprodukte anheuerte, mitbringen. Mit drei "Weihnachtswünschen":
1.
Optimiere mir bitte das bestehende Instrument nach Deinen Maßstäben, ohne etwas Signifikantes an der Ursubstanz zu verändern.
2.
Baue mir in dieses Instrument "Dein" Innenleben ein, um die maximale Leistungs- und Klangfähigkeit dieses Instruments zu erreichen/auszuloten.
3.
Baue in das Instrument nach (mittlerweile nicht mehr verfügbarem) Vorbild o.g. Herstellers 4 Vierfach-Vario-Kinnregister in das Instrument ein.
So die Kurzform. Wunsch no. 1 wird mir erfüllt werden, was mich enorm freut. Ich bin schon jetzt sehr gespannt auf das Ergebnis.
Daß Wunsch no. 2 mit einem galaktischen Arbeitsaufwand verbunden wäre (alles müsste völlig neu ausgemessen und berechnet werden etc., man könnte wohl nicht gerade viel von der Substanz des Erlkönigs direkt übernehmen), ist mir natürlich völlig klar. Wenn man das in tatsächlichen Arbeitsstunden berechnen würde: Ein Lottogewinn würde vermutlich gar nicht reichen. Es ist eben nur ein Weihnachtswunsch. Sollte er nicht erfüllt werden (können), wird ein bayrischer Musiker zwar etwas zerknirscht, aber ohne jeden Argwohn o.ä. sein. Ich bin ja schon froh über die "Neustimmung mit goldenen Händen" s. no. 1...
Und genau so verhält es sich mit Wunsch no. 3.
Ich fand einfach schon immer diese Idee (ich glaube sie stammte vom hochgeschätzten Gerhard Herbach), einen Kinnregisterknopf mit 4 Wahlmöglichkeiten zu belegen und sich somit diesen unübersichtlichen und teils unerreichbaren "Wald" an Knöpfen zu ersparen, sehr innovativ. Meiner Kenntnis nach war das aber auch nur auf dem Papier möglich: Nur zwei der vier Registerdrücker waren auf vier Positionen verstellbar, die anderen beiden waren einfach belegt, also "starr". Mehr war platztechnisch lt. Gerhard Herbach nicht zu wollen (ich meine mich zu erinnern, daß auf der Musikmesse 1999 ein Instrument mit wirklich vier Mehrfachregisterdrückern stand, und es funktionierte tadellos; Eventuell war es aber auf Dauer doch nicht solide genug, oder der Arbeitsaufwand war einfach zu unwirtschaftlich. Die Idee muss jedenfalls eindeutig gewesen sein, vier Drücker mit jeweils vier Positionen zu belegen, das sieht man an der Markierung der vier Drücker).
Und da dachte ich mir: Bisher hat ja noch niemand den Manfred Neuman zu dieser Fragestellung konsultiert...
Manfred zeigte sich anfänglich nicht völlig begeistert, wir haben ein von Pedro Gomes gebautes System mit 4 starren Kinnregistern begutachtet, und somit konnte der Meister eine Anfangsidee der "bisherigen Vorgehensweise" der Akkordeonbauer in diesem Spielfeld gewinnen.
Das zu bearbeitende Instrument hat 11 Diskantregister(schalter), mit 4 Vierfachschaltern wären theoretisch 16 Register möglich. Maximal kombinieren kann man (vierchörig) 15. Meine Idee: hinter dem Diskantverdeck auf jeder Seite noch zwei Schalter, die man nur über das Kinn anwählen kann, so würde das äußere Erscheinungsbild des Haifisch-Goldstäbchen-Polkakompressors unangetastet bleiben, hätte aber alle (normalen, ohne halb geöffnete Schieber o.ä.) Klangfarbkombinantionen zur Verfügung. Ihr seht: Hochfliegende Träume und Wünsche.
Aber auch hier gilt für mich natürlich: Weihnachtswunsch...
Die Idee dahinter (neben dem eigenen Nutzen und Genuss): Ein "Statement" dessen auf der Welt greifbar zu haben, was wirklich machbar ist mit so einem Akkordeon. Und das ausgerechnet auf Basis eines Instruments, dem gerne immer mal wieder nachgesagt wird, daß es sowieso die absolute Spitze repräsentiert. Ein "lebendes Zeitdokument" eben.
Ich jedenfalls fühle mich glücklich und dankbar, einen begeisterungsfähigen Idealisten wie Manfred Neumann in der Welt des Akkordeonbaus zu wissen. Und sogar ein bisschen etwas davon haben zu dürfen. Das ist nicht selbstverständlich.
Danke, Manfred!
Alles Gute!
M