Ein neu aufgelegter ARP 2600 wäre wirklich eine kleine Sensation, aber auf nur 3000 Stück würde ich die Reihe dann nicht unbedingt beschränken.
Wie groß ist wohl die Zielgruppe für einen neuen ARP 2600? Einen, der mindestens auf dem Niveau des Korgyssey geklont ist, der also das volle Spektrum vom ARP 2600 Blue Marvin bis zum ARP 2601 Halloween abdeckt, und zwar nachgebaut nach Originalschaltplänen mit Originalteilen (sofern verfügbar)?
Abzüglich derjenigen, die schon einen echten 2600 oder neuerdings einen TTSH haben?
Man muß bedenken: Das Ding wird kosten. Unter denselben Voraussetzungen wie beim Korgyssey würde ich schon mal sagen, zwofünf Straße unter Berücksichtigung der Übernahme von Korgyssey-Know How; man fängt also beim 2600 nicht von vorne an. Dieselben Voraussetzungen sind aber nicht gegeben, weil zum einen weniger Leute sich einen monophonen, speicherlosen Nicht-Moog für das Geld holen und zum anderen ein ARP 2600 nun nicht gerade kompakt oder leicht zum Gig zu transportieren ist. Ein 2600 Mini kann's schon deshalb nicht werden, weil Korg keine 49er Kleintastatur hat und die Fullsize-Tastatur vom Radias wieder aufwärmen muß (an dieser Stelle höre ich Jubel ausbrechen). Von daher wird die Zielgruppe kleiner, von daher werden nochmals weniger verkauft, von daher muß Korg das Geld mit weniger ARPs einspielen. Der Preis wird sich jenseits der 3000 € einpendeln.
Zugegeben, wenn sie statt dessen einen mit Platinen pickepackevollen PS-3x00 neu auflegen würden, würde der die Solaris-Schwelle überschreiten, und dann würden sie auch die 3000 Stück nicht los, weil fast niemand mit den alten Korg PS irgendwas assoziiert.
Korg könnte natürlich auch beim 2600 den Waldorf machen, die Flucht nach vorne antreten und an die Tausenderstelle des Preises eine Eins setzen. Aber nicht als Limited Edition mit 3000 Exemplaren.
Frage: Wann baut endlich mal wer einen kleinen Leistungsstarken Smapler, der alle gängigen Sample Formate Laden kann?
Vor allem, wo bleibt das Hardwareinstrument, das Kontakt laden kann? Ich meine, Kontakt ist heute so ein Standard geworden wie zur Jahrtausendwende Akai S1000. Dann aber in der Tradition der alten Sampler, also nicht mit der heutigen Buchsen-Askese (Headphones, Stereopaar, MIDI In/Out), sondern nicht unter vier Einzelausgängen, besser acht, und idealerweise mehr als nur 2 digitalen Ausgangskanälen. Vielleicht ein paar S/PDIF-Buchsen zum Einschleifen externer Effekte oder so. Und Wordclock bitte, danke.
Ob NI den Kontakt als reine Hardware baut?
Wenn nicht die, wer sonst? Arturia hat ja auch irgendwann mit Hardware angefangen, und NI baut zumindest schon mal Controller, da wäre das Auslagern der Klangerzeugung ins Hardwareinstrument ein konsequenter Schritt.
Ich verstehe zur Zeit nicht, woher dieser Analog-Revival-Boom herkommt?
Das hat sonicwarrior schon ganz gut erklärt, aber noch einmal:
Es gibt Fälle, da muß es eben dieser ganz bestimmte Sound sein. Da muß es eben dieses letzte Quentchen Authentizität sein. Plus das Hands-on-Gefühl von vollechtanaloger, 100% latenzfreier und immer ein bißchen ungenau arbeitender Hardware.
Warum man sich nicht immer weiter in Richtung Zukunft entwickelt und die Vergangenheit Vergangenheit sein läßt? Weil die Geräte der Vergangenheit einfach SACKSCHARF sind! Und gerade deshalb Kult.
Das ganze Spielchen ging im Grunde los 1987 in Chicago. Der Analogsynthesizer lag im Sterben, seit die Japaner mit Digitalgeräten den Markt überrollten. Erst Yamaha mit dem DX7. In dem Jahr stieg Roland voll auf digital um – D-50. Nächstes Jahr sollte die Korg M1 dem Analogsynth den endgültigen Todesstoß versetzen. Das sahen die Freaks anders.
Wie gesagt, Chicago 1987. Drei DJs machten sich den Joke und kauften für ganz wenig Geld ein paar Roland-Rhythmusmaschinen. Den vollanalogen Klopfgeist TR-808, den außer Phil Collins und Marvin Gaye praktisch niemand ernsthaft in einer Produktion verwendet hatte. Seinen halbdigitalen Bruder TR-909. Und die vollanaloge Baßmaschine TB-303. 1 VCO, 1 vierpoliges Tiefpaßfilter, wo man aus irgendeinem Grunde einen Pol nicht hört, 1 Hüllkurve, kein LFO, kein Soundspeicher, kein MIDI. Zusammengelötet gefühlt aus den Bauteilen, die bei der Auslese für den Jupiter-8 durchgefallen waren, also ziemliche Serienschwankungen. Preis bei Markteinführung 1981 $400. Preis nach gut zwei Jahren Bauzeit zum Ausverkauf 1984 $100. Gebrauchtpreis $50 und weniger, weil das Ding niemand haben wollte. Dafür, daß es einen Baßgitarristen nicht ersetzen konnte, war es zu aufwendig in der Handhabe.
Diese drei DJs kauften nun also für kleines Geld diese Gerätchen irgendwo gebraucht zusammen und probierten damit rum. Und bürsteten gerade die TB-303 gegen den Strich. Sequenz programmiert und bei laufendem Sequencer an der Maschine rumgedreht. Linke Hand am Cutoff, rechte an der Resonanz oder dem Envelope Amount, und sie schmatzte, quietschte und blubberte, daß es eine Freude war. So entstand der Acid-Kult. Und der Kult um die 303. Anfang 1987 gingen die Dinger weg für'n Appel und'n Ei. Manche Leute warfen sie einfach weg, weil sie keiner wollte. Nachdem diese drei DJs unter dem Namen Phuture mit ihren
Acid Tracks Furore gemacht hatten, stieg der Gebrauchtpreis der TB-303 auf deutlich über $1000, weil alle
ganz genau diesen Sound wollten. Da gab's kein "die M1 ist neu, die ist besser", sondern nur "besser als die 303 geht nur, wenn's mehr 303 als die 303 ist, und die 303 ist 100% 303, mehr 303 geht nicht". Die "billige" kleine Silberkiste war auf einmal das Optimum.
Das war aber nicht nur der Sound, sondern auch die Handhabe. Der Moog Source hatte es prophezeit, der Yamaha DX7 hatte es durchgesetzt: Bei der Industrie waren Regler out. Die alten Analogkisten hatten sie aber noch. Da konnte man in voller Fahrt z. B. am Filter rumdrehen. Mach das mal bei einem JX-8P ohne Programmer oder einer M1. Wie gesagt, linke Hand am Cutoff, rechte Hand an der Resonanz.
A propos Moog, an den Minimoog erinnerte man sich auch, als es mit Techno richtig losging. Und vor allem daran, daß er zwar nicht 100% wie eine 303 klang, dafür aber nochmals um Klassen fetter und wuchtiger als die 303. Und alle wollten den Minimoog. Zack, sprengten die Gebrauchtpreise des Minimoog die $2000.
Unterm Strich laufen da drei Faktoren zusammen:
- typischer Analogsound, den du mit Digitaltechnik nie so hinkriegst
- Authentizität der alten Maschinen, die du mit Digitaltechnik nie so hinkriegst
- Hands-on-Bedienung, die viele Digitalsynths – gerade samplebasierte – vermissen lassen
Die Authentizität ist tatsächlich Serious Business. In Livekeyboarder-Kreisen kennt man das von Rhodes, Wurlitzer und Hammond/Leslie. Nur das beste ist gut genug.
Nochmal die TB-303 als Beispiel: Ende der 90er kam mit Propellerheads ReBirth RB-338 der meines Wissens zweite Softsynth überhaupt raus. Zwei TB-303 und eine TR-808 in einem Programm. Oh, hat man das damals gefeiert. Heute weiß man: ReBirth klingt überhaupt nicht authentisch. Mit der Zeit kamen auch noch andere Klone raus, zumeist digital. Diverse Softklone, aber auch z. B. MAB MB-33 und so weiter. Trotzdem riß man sich um die TB-303, weil die eben noch am meisten nach TB-303 klingt – ungeachtet der Tatsache, daß zwei TB-303 mit aufeinanderfolgenden Seriennummern nicht gleich klingen aufgrund der Bauteil- und Fertigungsstreuung.
Ja, und dann kam die
x0xb0x. Nicht nur ein 303-Klon, sondern ein echtanaloger 303-Klon. Nicht nur das, sondern nach den Originalschaltplänen und mit Originalbauteilen, sofern diese noch verfügbar waren, gebaut. Im Prinzip also die Fortsetzung der Produktion der Roland TB-303, nur mit ein paar Extrafeatures. Die x0xb0x mußte man sich selber zusammenlöten und sich das Gehäuse und die Frontplate irgendwo machen lassen, aber egal – kein Klon, den es bisher gab, kam so nah an die echte Silberkiste wie die x0xb0x. Und die wurde dafür gefeiert.
Noch einmal: Das Optimum, die Referenz in diesem Fall ist der Sound einer originalen Roland TB-303. Da kannst du noch so argumentieren, daß irgendein moderner Synth ohne Vintage-Vorbild auch geil oder noch geiler klingt. Das interessiert keine Sau: Wenn es um die 303 geht, geht es um die 303.
Zuletzt hat Roland seine eigene TB-303 geklont. Digital. Man hat tatsächlich das Verhalten der analogen Schaltung bis hin zu jedem Transistor, jedem Kondensator und jedem Widerstand physikalisch modelliert, um zu versuchen, an die Authentizität echtanaloger Klone ranzukommen. An sich ist das auch nicht ganz schlecht gelungen.
Den deutschen Synthfreaks und Acid-Jüngern wurden aber bei der Lektüre des SynMag die Augen geöffnet. Das SynMag verglich nämlich die Digitalemulation Roland AIRA TB-3 mit der x0xb0x, der
Cyclone Response TT-303, der
Acidlab Bassline-3 (alle drei echtanaloge Klone auf Basis der Originalschaltungen) und der echten Roland TB-303. Ergebnis: Erst kam natürlich die TB-303. Knapp dahinter kamen die Analognachbauten. Dann kam eine ganze Weile gar nichts. Und die TB-3 folgte weit abgeschlagen. Wenn die TB-3 gegen echtanaloge Klone antritt, dann klingt sie auf einmal überhaupt nicht mehr authentisch.
Das ist doch auch der Grund, warum es den Voyager gibt: Bob Moog selbst erkannte die immense Nachfrage nach Minimoogs – und legte die Kiste neu auf, modernisiert, aber immer noch nah am Minimoog Model D. Okay, auch da haben Puristen gemotzt, weil der Voyager nicht wie ein Model D klingt, und schoben das auf die zu moderne Technik. Moog reagierte in Form des Voyager Old School, dem jegliche Art von Digitaltechnik fehlte. Der hielt sich deshalb nur sieben Monate, weil er teurer war als ein gebrauchter Minimoog und trotzdem nicht wie ein Minimoog klang.
Studio Electronics waren sogar noch schneller – und dreister. Die brachten schon in den 80ern den Midimoog raus. Was ist der Midimoog? Das ist ein originaler Moog Minimoog Model D aus den 70ern Jahren (mutmaßlich ehemals mit eh abgeranztem Gehäuse) in einem 19"-Rackgehäuse mit MIDI In.
Genauso sieht's bei allen anderen Analogsynths aus. Um beim Thema zu bleiben: ARP 2600. Der geile große Bruder des Odyssey, der immer auch ein bißchen edler klang. Mörder-Referenzliste von Edgar Winter bis Jean Michel Jarre, der von dem Ding so erbaut war, daß er ihn overdubben mußte und bei Konzerten mit zwei davon antritt (plus einem 2500). Es gibt also haufenweise Gründe, den 2600-Sound haben zu wollen.
Und woher bezieht man sich den? Entweder man kauft sich einen ARP 2600. Gebrauchtpreis 6000 € aufwärts, Tendenz eher noch wesentlich höher (ich hab schon mal einen Halloween-2600 in der Bucht für 8000 € gesehen, und der Halloween-2600 ist Massenware im Vergleich zu Blue Marvin und Gray Meanie). Das Ding ist längst ein Spekulationsobjekt.
Oder ein Software-Klon. Arturia 2600V, timewARP, da gibt's einige. Die hörst du für sich und denkst: Mensch, die klingen ja geil. Dann stellst du dir einen echten 2600 hin, hörst dir den an – und da geht dann aber die Sonne auf! Dann willst du den Softwareklon nicht mehr hören, weil der auf einmal kein Stück mehr wie ein ARP 2600 klingt oder auch nur so geil wie ein echter ARP 2600. So blieben die Softwareklone immer zähneknirschende Kompromisse.
Bis
The Human Comparator einschritt. Die sagten: "Ihr wollt den ARP 2600? Dann baut ihn euch! Und wir machen euch die Baupläne, die Stückliste, die Platinen und die Frontplates! Alles garantiert nach Originalbauplänen von ARP! Wenn ihr wollt, kriegt ihr auch noch 'n Blechgehäuse dazu! Is das nix?" Weil Kleinstserie, ist das Ding natürlich nicht billig, vor allen Dingen nicht montiert, aber hey, man kriegt einen funkelnagelneuen ARP 2600 (der also nicht schon ein paar Jahrzehnte Reparaturstau hat) für weniger als einen alten Gebrauchten. Die Szene frohlockte, denn das Ding kommt tatsächlich näher an den originalen ARP als jeder Digitalklon.
Zuletzt hat Korg ja den Coup gelandet, nach
drei analogen MS-20-Neuauflagen (ich sage nicht Klon, weil Korg seinen eigenen Synth weitergebaut hat) den ARP Odyssey wiederzubeleben, und zwar wunderbar puristisch – und alle Generationen mit allen drei Filtertypen in einem Gerät. Gut, der klingt auch nicht 100,0% wie eine der Originalgenerationen, aber authentischer als jeder Digitalklon, und er kann als einziger alle drei Generationen reproduzieren. Die meiste Kritik steckt er ein für die PPC, wo man sich (im Gegensatz zur alten PPC) mit dem halben Körpergewicht draufdrücken muß, damit was passiert, und die nicht wurstfingertauglichen schmalen Tasten, aber nicht dafür, daß der Creamware Prodyssey oder der Gforce Oddity klanglich authentischer wären.
Der Wunsch nach Authentizität hat längst einen Markt generiert. Da ist das Geld zu finden, wirklich wahr. Oder wie kommt's, daß dieses Jahr der italienische Elka Synthex
zwei Repliken bekommt, eine virtuell-analoge von Maestro Mario Maggi himself und eine echtanaloge von
Elkkäinen der in Finnland regenerierten Firma Elka, obwohl es schon zwei Softwareklone von Xils Lab gibt (die irgendwie jeden Synth klonen, den Jean Michel Jarre je gespielt hat, den es nicht schon von Arturia gibt)? Oder daß Dave Smith die Rechte am Markennamen "Sequential Circuits" zurückgekauft hat und mit dem Prophet-6 einen Synth vorgestellt hat, der so nah an den Prophet-5 kommen soll, wie es mit aktueller Technik geht (also ohne SSM- oder Curtis-Chips) – auch wenn man den klanglich zusammen mit dem Minimoog und ganz neuen Möglichkeiten mit einem John Bowen Solaris erschlagen könnte und Prophet '08 und Prophet-12 auch keine schlechten Synths sind?
Das ist alles genau aus demselben Grunde, aus dem auch der Neo Ventilator so ein Riesenerfolg ist: Authentizität. Es setzt sich das durch, was dem kultigen Original am nächsten kommt.
Was ganz Neues kann sich nur schwer etablieren. Du schneidest nicht einfach die alten Zöpfe ab und machst was Neues, wenn das Alte so geil ist. Da kann man gern nochmal einen Blick in die 90er werfen. Was gab's da an innovativen Synths? Korg Prophecy. Korg Z1. Yamaha VL1 und VP1. Technics SX-WSA1 (der leider unter dem Synthex-Syndrom litt). Kawai K5000, das Additivmonster. Neue Generationen von Synthesizern waren da, interessierten aber keine Sau. Die Bandmucker wollten Brot-und-Butter-Sounds, die Synthfreaks wollten die vollbeknopften fetten Analogsynthesizer zurück – und stürzten sich auf den Nord Lead. In den Nullern gab's dann den Hartmann Neuron. Interessierte auch keinen, man kaufte eher den Alesis Andromeda A6 (der erste neue analoge Polysynth seit den 80ern) oder den Virus. Oder was spielt man heute auf den diversen Wavetable-Synths? Dieselben alten PPG-Wavetables wie zu Wave 2.3-Zeiten!
Die Zeiten der Workstations nach alten Konzept sind für mich vorbei. Wer arbeitet wirklich noch mit einem klassischen linearen MIDI-Sequenzer AM Gerät und im (Heim)-Studio.
Ich. Und wohl auch sonst jeder, der elektronische Musik mit Songstrukturen ohne Rechner spielen will, was a) DAWs (weil ohne Rechner) und b) typische Hands-on-Hardwaresequencer à la Beatstep (weil Songwriting im Gegensatz zum Aneinanderreihen von 1-, 2- oder 4-taktigen Loops) ausschließt.
Wann kommen die Hersteller endlich auf die Idee, dass sich das Workstation-Konzept eigentlich nur noch für Live und Performance-Situationen eignet und optimiert darauf das Instrument?
Du mußt dem Instrument aber die ganzen Sequenzen immer noch beibringen. Und das heißt im Zweifelsfall Handarbeit direkt an der Maschine mit dem Interface, das dir die Maschine bietet.
Optimierung dahingehend heißt, daß Onboard-Sequencer wieder so gut und zuverlässig bedienbar sein müssen, wie sie es in den 90ern waren.
Martman