Mythos Cryo Tuning?

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Günter47
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Zu diesem Thema gibt es zwar schon den ein oder anderen Thread, jedoch möchte ich hier noch einmal etwas Grundsätzliches zu dieser Art der Vergütung schreiben. Die Vergütung durch Stickstoffkühlung „Cryo-Tuning“ ist kein neues Verfahren. In der Metallindustrie wird dieses Verfahren schon seit Jahrzehnten, wenngleich auch nur in ganz speziellen Anwendungsgebieten eingesetzt. So hat die Firma Junkers ihre Jumo Flugzeugmotoren im 2.Weltkrieg mit Komponenten aus stickstoffgekühlten Metallen ausgestattet.

Es gibt Getriebehersteller, die spezielle Renngetriebe Stickstoff behandelt und auch in der Herstellung von Schneidwerkzeugen in der Metallbearbeitung, wie auch in der Herstellung von hochwertigem Klingenstahl kommt dieses Verfahren zum Einsatz. Wenngleich auch nur in sehr begrenzten Umfang.

Grundsätzlich kann man jedes Material tiefkühlen und auch nahezu jedes Material wird bei ca. -200 Grad seine Eigenschaften ändern. Die alles entscheidende Frage ist aber, was verändert sich und ist diese Veränderung positiv und auch bei Umgebungstemperatur nachhaltig?
Wir spielen die Gitarre ja nicht bei -196 Grad.Wenn man einen Goldhamster z.B. mit Stickstoff behandelt, ändert er zweifelsohne seine Eigenschaft. Nach der Behandlung würde er nicht mehr im Rad drehen.

In Bezug auf Metalle kann man grundsätzlich sagen. Jedes Metall, welches über einen ausreichend hohen Kohlenstoffanteil….und hier reden wir von legierten Stahlsorten verändert ihre Eigenschaft in Bezug auf Härte und Zähigkeit bei einer Stickstoffkühlung nachhaltig…aber nur in einen sehr begrenzten Rahmen. Wenn man einen legierten Werkzeugstahl nach Vorgabe vergütet, wird nahezu jegliches Austenit in Martensit umgewandelt. Eine nachträgliche Vergütung durch Stickstoff ist somit sinnlos.
Zu erwähnen ist hierbei, dass die Stickstoffkühlung…wenn überhaupt unmittelbar nach dem Härteprozess erfolgen muss. Verbleibt das Material über Stunden und Tage bei Umgebungstemperatur betoniert sich das Austenit und eine spätere Umwandlung in Martensit ist schwer bis nicht mehr möglich.
Diese Stickstoffbehälter standen und stehen auch heute noch in Härtereien. Dort werden sie „Pfuschereimer“ genannt. Ist bei dem Härteprozess irgendetwas schief gelaufen….wurde die Temperatur, oder die Zeit nicht eingehalten, kann man das Material und die gewünschten Eigenschaften in Bezug auf Härte und Zähigkeit in gewisser Weise mit Stickstoff nachpfuschen.

Wir halten bis hierher fest, dass nur Kohlenstoffreiche Stahlsorten, welche gehärtet werden können, auch mit Stickstoff verändert werden können. Es liegt in der Natur der Sache, das Stähle welche durch härten gehärtet wurden, gleichzeitig auch spröde werden. Dafür werden Stähle nach dem härten angelassen, oder spannungsarm geglüht.
Diese Veränderungen….sprich vergüten von Stählen erreicht man durch Energie in Form von hohen Temperaturen (1000 Grad und mehr)
Zu 98% wird die Veränderung der Eigenschaft von Metallen durch Hitze erreicht. Darum wird das „Cryo-Tuning“ in nur sehr wenigen Einsatzgebieten angewandt.
Jegliche Nichteisenmetalle/Buntmetalle, oder Stähle mit geringem Kohlenstoffanteil können weder durch Hitze, noch durch Kälte in ihren Eigenschaften verändert werden. Wenn wir uns die Hardware unserer Gitarren anschauen, dann finden wir in der Regel keinen Werkzeugstahl. Wir finden Zinkdruckguss, wie Neusilberlegierungen, wie Aluminium (Duraluminium) und niedriglegierten Stahl in Form von Mechaniken, Brücken, Tremolos etc. Alle diese Materialien reagieren auf Tiefkühlen durch Stickstoff nicht. Nach dem wieder reichen der Umgebungstemperatur, zeigen diese Materialien die gleichen Eigenschaften auf wie vorher. Es hat sich nichts geändert…weder die Härte, noch die Zähigkeit noch haben sich durch das Einfrieren irgendwelche Spannungen abgebaut. Wenn sich im Gefüge des Materials keine Veränderungen ergeben, können sich auch keine klanglichen Veränderungen zeigen.
Wer hier andere Informationen hat, kann dieses gerne anbringen und meine Aussagen korrigieren.

Es gibt weltweit nicht viele Unternehmen die dieses Verfahren als externe Leistung anbieten. Warum? Das liegt nicht daran, dass dieses Verfahren super kompliziert und mit viel Know-How verbunden ist, sondern schlicht und ergreifend daran, dass es hierfür keinen großen Markt gibt. Die Unternehmen, welche ihre Produkte mit diesem Verfahren behandeln……wo es auch Sinn macht, machen dieses in der Regel intern. Daher verwundert es auch nicht, dass diese freien Anbieter ihr Verfahren in allen möglichen Sparten anzubieten versuchen. Wie wir alle wissen, wird überall gespart und auf den Cent geschaut……nur nicht im Hobby Bereich. Von daher wundert es natürlich nicht, dass dieses Verfahren mittlerweile bei Musikern angekommen ist.

Kommen wir zu den organischen Materialien. Hierzu kann ich nur Vermutungen anstellen, da ich mich mit diesem Material nicht genügend auskenne und auch keine seriösen Untersuchungen gefunden habe. Ich vermute, dass sich durch das Tiefkühlen der Feuchtigkeitsgehalt im Holz ändert. Die Frage ist nur, ihn wie weit der Werkstoff diese Eigenschaft bei Umgebungstemperatur und Feuchte beibehält. Ein darrtrockenes Holz hat 0% Feuchtigkeit. Holz ist aber hygroskopisch und würde eine Raumfeuchte von 6-8% wieder annehmen. Werden die Zellen des Holzes durch das Tieffrieren nachhaltig zerstört, so dass es nicht hygroskopisch reagiert? Was meinen die Holzexperten dazu?
 
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Schön geschrieben, danke!
Komisch, dass dann auch superpositives über zB cryo-getunede Tremoloeinheiten geschrieben wird, ob das alles Placebo ist?
 
@Günter47: sehr gut erklärt und geschrieben. :keks:
@Don Joe: ich würd sagen: ja, es ist irgendwo zwischen Voodoo und Placebo. Aber da gilt für mich: wenn der Gitarrist dran glaubt, dann wird sich sein Spiel verbessern und damit ist der Effekt dann gegeben - halt nicht im physikalischen Sinne :hat:
 
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Toller Beitrag:great:
Danke @Günter47.

Du hast es, was mich anbelangt für Metalle entmystifiziert.

Jetzt bräuchten wir nur noch hierzu einen Beitrag von einem ebensolchen Holz kundigen Fachmann.;)

Ha, ha, und natürlich noch einen Psychologen.:D
:hat:
 
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was Holz anbelangt: ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei Holz oder anderen organischen Stoffen viel bringt. Holz "lebt" bekanntlich und ist empfindlich für Temperatur- und vor allem Feuchtigkeitsschwankungen. Ich denke bei Holz wäre eher die Frage ob eine komplette Versiegelung des trockenen Holzes was bringen würde...
 
Aber ich finde die Crackles im Nitro-Lack bei cryo-geagten Gitten so sexy.:love:
:hat:

Edit: Womit wir wieder, was das anbelangt bei der Psychologie, oder zumindest Geschmacksfrage wären.:rolleyes:
 
Letzendlich kann hier nur das Ohr entscheiden (im Bezug auf Instrumente eben).
Oli Lohmann (session.de)hat da Vorher/Nachher-Videos in den Äther geschickt,
bei denen sich sehr wohl ein Unterschied ausmachen läßt (wenn mich jemand früge...:)).
 
Ich bin hin- und hergerissen. Entweder Popcorn holen, oder auf den sehr ausführlichen Vorgänger-Thread mit Lesestoff für Stunden hinweisen… ;)

Mal gucken.

Grüße,
Bernd
Popcorn:popcorn2:

Vielleicht finden sich ja Fachleute hier, die das Thema ebenso überzeugend und kompakt, wie @Günter47 beitragen können, um
einigen hier den Glauben, egal in welche Richtung zu geben, bzw. zu nehmen.;)
Eine lange Diskussion diesbezüglich hatten wir ja schon mal.
:hat:
 
Eine lange Diskussion diesbezüglich hatten wir ja schon mal.


Ja eben. Es steht neben dem üblichen Geblubber auch durchaus eine Menge sach- und fachkundige Info in dem anderen Thread, die es eventuell wert wäre gelesen zu werden, bevor man jetzt hier alles einfach nochmal schreibt. Manchmal wird man nämlich des Wieder- und Wieder-Schreibens müde. Geht zumindest mir so, auch wenn ich in diesem speziellen Thread gar nicht groß aktiv war :)

Grüße,
Bernd
 
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Letzendlich kann hier nur das Ohr entscheiden (im Bezug auf Instrumente eben).
absolut! mich würde es interessieren und ich könnte mir schon vorstellen, dass sich was ändert (in welche Richtung lasse ich mal offen; ich hätte sorgen, dass es negative Auswirkungen sein könnten....


Oli Lohmann (session.de)hat da Vorher/Nachher-Videos in den Äther geschickt...
ich mochte anfangs die Videos, aber mal ehrlich... ich kann ihm inziwschen unmöglich länger als 10 Minuten zuhören... er sollte vielleicht einen nervenschonenden beruhigungstee trinken, bevor er die Videos macht und dazu noch dieses ständige "sooooo geil ehy boah zong dong knäck"

abgesehen davon: er ist halt ein Verkäufer und grundsätzlich: unterschiede, die so fein sind nur durch zuhören eines (komprimierten) Videos zu beurteilen halte ich für schwierig. das müsste man selbst probieren, bzw selbst anspielen. Ihr wisst ja, wie feine unterschiede im Anschlag den Ton komplett verbiegen.


argh.. davon bekomme ich augenkrebs.. ist ja fast wie " ich schrob" :-D


...nur meine 0,01794 Euro nach heutigem Dollarkurs
 
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@Be.eM Ja, ich habe jetzt zumindest Lesestoff für Stunden, da ich zu diesem Thema leider mangels Wissen nichts Konstruktives beitragen kann.

:coffee:
 
... das Stähle welche durch härten gehärtet wurden...

Ha, Ostrowski: "Wie der Stahl gehärtet wurde!" Jetzt versteh' ich erst die Metabotschaft in seinem Roman, mit dem man uns einst in der Zone so geplagt hat! Er sprach vom Gyros-Tuning! :D

Nee, Spaß beiseite: Schöner Beitrag, danke, @Günter47 !

Wenn ich mich nicht ganz irre, so wird wohl in einer der nächsten Ausgaben des "Musiker-Fachblattes" ein bekannten Kolumnist darüber berichten...
 
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ice-guitar.jpg


"Well, everything make sense, if you got a sense for it"

Wenn man das Cryo-Tuning aus rein optischen Gründen betrachtet bin ich voll dabei und kann dem Aging-Effekt echt was abgewinnen.
Bei jeglicher erweiterten Klangdimensionsbetrachtung steige ich nicht nur aus dem Zug aus – Ich halte mich sogar fernab der Gleise.

Gruß Andreas
 
DAs ist auch die Frage die ich zum Cryo Tuning noch habe: bleibt der wie auch immer aussehende Effekt beim Holz dauerhaft erhalten, oder lässt er mit der Zeit - v.a. durch das Annehmen von Umgebungsluftfeuchtigkeit - wieder nach.

Den Effekt habe ich für mich - laienhaft - so zusammengefasst, dass a) dem Holz die Feuchtigkeit entzogen wird und b) dass durch das Einfrieren der Feuchtigkeitsmoleküle diese sich ausdehnen und das Holz komprimieren und somit in seiner Dichte verändern.

Den Urthread komplett und gründlich durchzulesen fehlte mir bislang leider die Zeit.
 
Na ja. Holz besteht ja aus Fasern die mit Kapillareffekt Wasser transportieren und speichern.
Da sich die Feuchtigkeit also durch den Korpus zieht werden also entweder A) Größere Lücken entstehen oder B) kleinere (Wenn von anderer Seite mehr Druck ausgeübt wird)
In einem hermetisch versiegeltem Korpus wird entweder die Feuchtigkeit umverteilt oder sucht sich über Risse den Weg an die frische Luft.

Eine Veränderung der Faserstruktur bzw. der partiellen Dichte an unterschiedlichen und nicht kontrollierbaren Stellen könnte es geben.
Ob das hörbar ist hängt wohl damit zusammen, wie viel Feuchte vorher im Holz war.

Sehr lange abgelgerte harte Hölzer haben aber eine geringere Restfeuchte:gruebel:

Gehen wir von einer Restfeuchte bei Mahagoni von 10% aus wäre das schon erheblich in meinen Augen. Allerdings ist eben die Frage wohin die Feuchtigkeit beim Tuning drückt.
Habe ich hinterher die Dichte von Balsaholz?

Vielleicht sollte man mal einen halben lackierten Korpus cryoisieren und dann unter einem Rasterelektronenmikroskop die Faserveränderungen zur Gegenseite vergleichen.
 
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Den Urthread komplett und gründlich durchzulesen fehlte mir bislang leider die Zeit.


Genau. Und weil manche also offensichtlich lieber schreiben als lesen, wird auch dieser Thread hier bald wieder so lang, dass keiner mehr Lust hat, ihn durchzulesen, und dann brauchen wir wieder einen neuen Cryo-Thread. Passt perfekt in die heutige Zeit, die "planned obsolescence" von Threads :D
 
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Die Antwort ist ganz einfach - wenn nicht so viel Sinnloses (v.a. endlose Zitate und Wieder-Zitate pingpong) und off-Topic in den Threads stünde, wäre auch das gründliche Lesen sehr viel leichter möglich. So aber muss man ja praktisch Teile überspringen oder "Querlesen", um nicht dem Wahnsinn anheim zu fallen ;)
 
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