Um vom DJ-ing wieder auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen:
Ich mache das Internet gar nicht mal so verantwortlich für den Rückgang der Plattenkäufe. Klar, mit Sicherheit ist der Umstand, dass man heutzutage Musik ohne Qualitätsverlust kopieren und mit High-Speed tauschen kann, ein wesentlicher Bestandteil der ganzen "Piraterie"-Szene.
Allerdings läuft das schon lange so ähnlich. Ich kann zwar mit meinen 20 Lenzen nicht auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, aber früher wurden Platten getaped und und dann getauscht, in meiner Kindheit haben wir dann untereinander CDs getaped.
Allerdings waren da die Umstände anders, eine Schallplatte ist groß, und das nicht nur in räumlicher Hinsicht. Sie ist empfindlich, man muss sie vorsichtig anfassen, man behandelt einzelne Platten genau wie eine ganze Sammlung wie einen Schatz, den man zusammengesammelt hat.
Mit mp3s ist das nicht so, man hat eine Datei, die man eigentlich gar nicht wahrnehmen kann, der Name steht auf dem Bildschirm, man kann sie hören, aber der Aspekt des Anfassens fehlt eben.
Genau das Problem hat übringens ja auch die Computerspiele-Industrie und auch dort führe ich das auf das Anfassen zurück. Viele Computerspiele von vor 20 Jahren hatten eine richtig schmucke Verpackung, dazu gabs oft noch Gimmicks wie Figürchen, Shirts und sonstigen Schmu.
Es gibt Schallplatten, deren Cover rosettenförmig aufklappen, die Kiss Double Platinum-Verpackung ist silber metallic, Der Berlin Punk Rock-Sampler hat ein Begleitbuch, die "Punkrock-Bibel" mit Bandinformationen usw. mit an Bord und, und und....
Heute bekommt man Spiele in gleichförmigen DVD-Boxen und CDs in den gleichförmigen Hüllen mit einem kleinen Booklet, spezielle Gimmicks sind den teureren Sammlereditionen vorbehalten, Ausnahmen sind hier vor allem im Mainstream rar gesäht.
Ich kann hier vor allem die Ärzte als positives Beispiel nennen: Die "Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer" hat eine hellblaue Plüschhülle, die "Geräusch" ist ein Doppelalbum mit zwei Booklets und eigenwilliger Aufmachung, die "Jazz Ist Anders" ist in einem Pizzakarton verpackt.
Ich hab mir sie alle gekauft, sie waren alle in den Top 20 (so viel ich weiß).....
Okay, die Aufmachung eines Albums sagt nichts über die Qualität der Musik aus, ich besitze auch in der Hinsicht eher dürftige Alben, die aber trotzdem musikalisch zu meinen Lieblingen zählen und die "Jazz Ist Anders" hat mich echt enttäuscht...
Worauf ich hinaus will: große Plattenfirmen übersehen ständig, dass ein Album (fast) immer auch ein Gesamtkonzept hat und dieses Konzept sollte, ja darf sich nicht nur im Sound und in der Musik niederschlagen; das "Anfassen" eines Albums ist fast genauso wichtig, wie auch live die Performance einer Band fast wichtiger ist als guter Sound (könnt ihr euch eine Rockband vorstellen, die sich nicht bewegt?)
Meiner Meinung nach sollte sich die Produktion wirklich auf ein Konzept konzentrieren und das durchziehen, auch wenn das (minimal) höhere Produktionskosten aufwirft. Wenn Erfolg verlangt wird, dann ist Individualität gefragt. Gerade im unüberschaubaren Bereich der kommerziellen Musik ist es wichtig, dass ein Produkt aus der Masse heraussticht, um bemerkt zu werden!
Ich vermisse in Plattenläden Plüschverpackungen genauso wie bei MTV 40-sekündige Singles, oder was auch immer man sich vorstellen kann, meinetwegen CDs in Chipstüten oder in Zigarettenschachteln, Holz, Blech, Glas, was auch immer ins Budget passt.
Und darauf sollte die Industrie hinauswollen. Keine Meterware, sondern individuelle Kunst! Ich kann mir noch so viel herunterladen, aber ich bekomme damit niemals einen komplett einzigartigen Tonträger in die Hand, und den bekomme ich auch nicht, wenn ich mir das neue XYZ-Album kaufe.
Aber ich hab nen Pizzakarton und blauen Plüsch im CD-Regal...