In dem oben zitierten Beispiel heißt das: sobald es eine Möglichkeit gibt, für einen Sound eine ADSR-Kurve einzustellen, hast du im konkreten Beispiel so meilenweit danebengelegen, dass es einfach nur wirr wäre, sich dann über verschiedene Filtercharakteristiken auszulassen.
Das obige Beispiel ließe sich nicht einfach nur mit einer Hüllkurve erschlagen. Die Hüllkurve müßte in der Lage sein, die Resonanz zu modulieren. Geht beim aktuell verwendeten MicroKorg nicht. Ginge beim Virus, der klingt aber zu zahm und hat für diesen konkreten Sound nicht genug Biß.
Und das ist weder mit mangeldem Budget oder Fuhrpark zu entschuldigen, noch mit "ich bräuchte 4 Hände". Das Sounddesign macht man ja nicht während des Gigs, sondern davor...
Letzteres ist richtig.
Aber als Hobbyist habe ich zunächst einmal einerseits auch sehr wenig Zeit fürs Sounddesign. Im Gegensatz zum Profi kann ich nicht, wenn ein neuer Song ins Repertoire aufgenommen wird, zur nächsten Probe ein Soundfeuerwerk wie "Boogie Wonderland" vollumfänglich auf seinem endgültigen (!) Stand (kein WIP, sondern wirklich 100% fertig und perfekt) am Start haben. Das dauert seine Zeit, und weil ich insgesamt wenig Zeit habe, dauert es um so länger. Je höher der elektronische Anteil ist (ich sage nur "Clouds Across The Moon", wo ich wirklich bedauere, daß niemand da ist, der die Streicherparts spielen kann), desto mehr Zeit benötige ich, weil ich annähernd jeden meiner Synthesizersounds from scratch selbst aufbaue.
Andererseits muß ich aber praktisch
sofort etwas spielen können. Und egal, auf welchem Stand ich gerade bin – meine Bandkollegen wollen die jeweilige Nummer so, wie sie ist, auf die Bühne bringen. Ich bin wohl der einzige Keyboarder hier, der mit (aus zumindest seiner Sicht) unfertigen WIPs auftritt. Aber meinen Bandkollegen würde von dem, was ich vorhabe, häufig weniger als ein Fünftel reichen. Dem Publikum wahrscheinlich auch. Mir nicht. Und euch allen sicherlich auch nicht.
Weitere Beweise in Form von Aufzeichnungen kann ich euch nicht zur Verfügung stellen. Und solange ich keine einzige aufwendigere Nummer in einem Zustand habe, der auch für mich akzeptabel ist, bin ich auch froh darüber.
Und was noch viel wichtiger ist (klingt in deinem Beitrag auch wieder ziemlich laut zwischen den Zeilen durch): spar dir bitte diese Schwarzweißdenke, dass jeder, der deinen Anspruch nicht teilt, automatisch ein billiger Trötenhannes ist, ein Covermugger ohne Anspruch oder sonstwas. Es gibt eine Welt zwischen Dir und einem "Begleitautomatik-Drehorgelspieler".
Was du da glaubst, zwischen den Zeilen gelesen zu haben, ist
komplett falsch – so falsch, daß ich meinerseits so ganz allmählich dahinter Vorsatz vermute.
Um mal die Prozente aufzugreifen: Jeder ernstzunehmende Keyboarder, den ich kenne (und davon lesen hier etliche mit), hat selbstverständlich den Anspruch, nicht nur "gerade das nötigste" zu machen, sondern noch ne ganze Schüppe mehr - so viel (mindestens) nämlich, dass es einem selbst, den Bandkollegen und schließlich dem Publikum Spaß macht.
Ich zweifle nicht an, daß es das gibt. Ich behaupte sogar, daß es – auch hier im Musiker-Board – so einiges an Keyboardern gibt, die einen noch um Größenordnungen größeren Aufwand fahren als ich.
Am besten klappt das bei denen, die ihre eigenen Fähigkeiten und deren Grenzen so gut einschätzen können, dass sie nicht versuchen, viel mehr auf die Bühne zu bringen als sie dann schaffen. Die also an ihre Grenzen gehen und versuchen, diese Stück für Stück zu erweitern - aber nicht meilenweit drüber hinaus.
Ich propagiere ja auch, daß man ans Limit gehen sollte.
Wenn hier allerdings jemand postet, den ich noch nicht kenne, weiß ich nicht mit Sicherheit, ob derjenige die Grenzen der
technischen Möglichkeiten kennt. Nun gut, wenn derjenige ein Vollprofi ist, der mit insgesamt mehr als 10.000 € an Equipment auf die Bühne geht, ist davon auszugehen.
Es ist nur schade, wenn jemand vielleicht ein exzellenter Keyboarder wäre, der vom Spielerischen her in der Lage sein könnte, noch um ein Vielfaches größere Soundfeuerwerke abzufackeln, als ich mir selbst zutraue, und vielleicht auch die Ambitionen dazu hätte oder schnell entwickeln könnte – das aber nicht tut, weil er von der Existenz der dafür zu verwendenden Maschinerie bzw. deren Fähig- und Möglichkeiten nicht weiß.
Das tue ich nicht.
Nur erzählt aber Martman seit Jahren bei jeder Gelegenheit ungefragt immer wieder lang und breit, warum dieser Ansatz schon von vornherein zum Scheitern verurteilt sein muss, wenn man nicht das Originalequipment besäße.
Wenn überhaupt, dann stellt das Originalequipment das Optimum dar, wenn man ohne Kompromisse den Originalsound haben möchte. Aber z. B. zwischen einem Yamaha Montage und einem zeitgenössischen Minimoog gibt es jede Menge Abstufungen, die
alle besser sind als der Versuch, einen Minimoog-Sound mit einem Rompler zu erzeugen. So manch ein generischer VA kommt sicherlich näher dran. Je nach eigener Toleranz tut das auch ein anderes, kostengünstigeres jüngeres Moog-Modell. Es gibt auch Hardwareklone (Creamware/Sonic Core Minimax ASB, Behringer D) oder -"klone" (Roland SE-02). Wer einen Laptop mitnimmt und keine Zusatzhardware möchte, kann auch zu Synapse Audio The Legend greifen. Je nach eigenem Anspruch kann das alles legitim sein. Besser als ein Rompler ist es alles allemal.
Selbst wenn man doch unbedingt einen originalen Minimoog haben will, kann man entweder ewig lange suchen, bis man einen findet, der genau so klingt, wie man es braucht, oder man kauft eine Katze im Sack, die letztlich mehr ein Blickfang auf der Bühne ist. Die Serienstreuung des Minimoog ist einfach zu groß. Er lohnt sich nur, wenn man nicht covert und unbedingt ganz genau den Sound eines klassischen Minimoog haben muß. Beim Covern führt die Serienstreuung einerseits dazu, daß man im Grunde jeweils einen ganz konkreten Minimoog nachahmen muß, wenn man schon so ins Detail geht, daß ein Klon nicht reicht, und andererseits dazu, daß die Chance, daß der Minimoog, den man gekauft hat, auch nur in einem einzigen Song die angepeilte Authentizität erzielt, minimal ist. Ganz zu schweigen von der Impraktikabilität eines Synthesizers, der die Pausen zwischen den Songs ebenso extrem verlängert, weil er keinen Speicher hat, wie die Changeover-Zeit, weil er erst warm werden muß, damit er stimmstabil wird.
Ich kann es auch verstehen, wenn man nicht mit einem originalen Wurlitzer 200A auf die Bühne gehen will – selbst wenn man in einer Supertramp-Tributeband spielt. Raumgreifend, schwer, nicht unbedingt einfach zu finden, und wenn, dann teuer und/oder Investitionsruine. Ein so altes Instrument (auch wenn die letzten 1982 gebaut wurden, aber es ist ein halbmechanisches Instrument) hat entweder schon Altersgebrechen, die sich womöglich unerwartet zeigen, außer es ist restauriert, und dann will man damit erst recht nicht touren. Und wenn es sich verstimmen sollte, hat man ein wirkliches Problem. Letztlich hat man die Wahl zwischen entweder einem der nicht gerade wenigen Klone oder einem so alten wie empfindlichen Instrument plus Roadie mit Lötkolben.
Ein Prophet-5 Mk. 2 ist als Live-Instrument noch kritischer zu betrachten. Natürlich sieht er amtlich aus und klingt auch so – wenn er heil ist. Aber gerade der Mk. 2, also die Kultgeneration, ist himmelschreiend defektanfällig, nicht zuletzt durch seine zweifelhafte Statik, wegen derer man ihn, wenn man einen hat, idealerweise nie wieder bewegen sollte. Bei unvorsichtiger Handhabung sind Platinenbrüche vorprogrammiert, die ihrerseits Schäden an anderen Bauteilen verursachen können. Wem RePro-5 nicht originalgetreu genug ist (und der ist dichter dran als ein Mk. 3), braucht nicht nur den Roadie mit Lötkolben, sondern Ersatzteile, an die schwer zu kommen sein könnte. Zum Glück dürften die allermeisten überlebenden Propheten dieser Generation ein Zuhause in Sammlerhand gefunden haben, man wird also gar nicht erst einen finden.
Es gibt einige wenige Fälle, wo Originalequipment wirklich sinnvoll ist, z. B. wenn man in einer spezialisierten 80er-Jahre-Pop-Coverband ist und sehr viel DX7 braucht. Dann liegt es tatsächlich nahe, sich einen DX7 zuzulegen. Nicht nur gibt es nichts, was klanglich näher am DX7 ist (FM8 schon gar nicht, Montage auch nicht), sondern die Verfügbarkeit ist so hoch, daß man sich binnen kürzester Zeit noch einen als Backup dazukaufen kann (oder beide auf einmal spielen), der Gebrauchtpreis ist so niedrig, daß es sich gar nicht lohnt, einen anderen Phasenmodulationssynth zu kaufen, und der DX7 hat eine sehr geringe Ausfallrate, besonders wenn man lieb zu ihm ist. Der Pragmatiker, der nicht das allerletzte Quentchen Authentizität haben muß, kann auch zum DX7IIFD greifen, spart sich die Angst vor brechenden Membranen und hat dann gleich zwei Synths in einem Gehäuse, oder er nimmt einen TX802, der gleich achtfach multitimbral ist und in einem Rack verschwinden kann. Die sind immer noch dichter am klassischen DX7-Sound als alles, was aus dem 21. Jahrhundert stammt, und weder teuer noch selten.
Ähnlich sieht es beim D-50 aus, wenn man dessen Klang viel braucht: Der einzige Grund, sich einen D-05 zu kaufen, wäre Platzmangel. Und selbst dann hätte ein D-550 gegenüber dem D-05 noch den Vorteil, daß man ihn in einem Rack fixieren kann. Und alle drei wären jedem Imitationsversuch per Rompler haushoch überlegen – und billiger als die meisten Rompler.
Schwierig wird es nur in Fällen, wo a) das Originalequipment extrem selten und teuer ist, b) es keinen wie auch immer gearteten authentischen Klon gibt und c) das Originalequipment mit generischen Mitteln nur unzureichend imitierbar ist. In solchen Fällen kann man sich eigentlich nur von jeglicher Authentizität verabschieden. Denn selbst wenn man auf wundersame Weise ans Originalgerät kommen und es auch bezahlen könnte, wäre das meistens obendrein ein Gerät, das man nicht auf Bühnen mitnehmen möchte: So treibt ein Polymoog nicht nur jeden Denoiser an seine Grenzen, sondern bei ihm gehen gern Komponenten kaputt, für die man Ersatz nur noch aus Schlachtgeräten bekommt. Einen voll funktionsfähigen zu finden, ist fast aussichtslos. Schwer ist er obendrein, aber bei der GX-1 ist der Spieltisch mit Sockel allein so schwer, daß man zu seinem Transport mehr Roadies als Bandmitglieder braucht und das Instrument als "fast unbeweglich" erachten muß. Ganz zu schweigen davon, daß sie nach einem Transport mehrere Wochen braucht, um sich zu akklimatisieren. Nur ein Keith Emerson war so wahnsinnig, sie in einem verschneiten Stadion zu spielen. Beim ebenfalls noch nicht adäquat emulierten und immer noch horrende teuren und seltenen Synclavier wiederum hat man den Zwiespalt, daß einerseits das VPK danach schreit, darauf zu performen und es als Schaltzentrale für ein Live-Setup zu nutzen, man andererseits aber nicht mit dem Rack touren will, das auch schon mal eine Vierteltonne wiegen kann.
Martman