Metallica ist keine einfache Band mehr, mittlerweile ist das eine Marke. Das ging meiner Meinung Mitte 90er zur Zeit der LOAD-Veröffentlichung los. Optisch wie auch akustisch gab es da einen krassen Cut. Da ging es auf einmal nicht mehr alleine um die Musik und deren Attitüde, sondern auch um Mode und Trends. Heute machen sie sogar Werbung für Brioni.
Das "Black Album" war meiner Meinung nach schon der erste Schritt in Richtung Mainstream. Die Songs hatten einen "bombastischen" Sound, waren eingängig, nicht zu sperrig oder "hart" und mit "Nothing Else Matters" gab es sogar eine Ballade für die Kuschelrockfraktion, die man bedenkenlos im Mainstream-Radio spielen konnte, ohne gleich gefeuert zu werden. Optisch (lange Haare...) und akustisch war das aber immer noch "Metal", wenn auch kein Thrash oder progressiver Thrash mehr.
Mit der "LOAD" gab es gleich dazu noch Designerklamotten und kurze Haare. Das war auch kein Metal-, sondern ein Rockalbum. Bei Musikvideos hat man auf Koryphäen wie Anon Corbijn gesetzt. In der Außendarstellung wurde ein eigener visueller Stil angestrebt. Auf den ersten Alben sieht man spontan geschossene Bandfotos von pickeligen Jungs in szenetypischen Straßenklamotten mit über zwei Promille im Blut. Seit Mitte der 90er gibt es dagegen stilvolle, durchdachte SW-Fotografien. "Hero Of The Day" und "Mama Said" waren "Hit-Radio" tauglich und konnten bedenkenlos am Nachmittag auf MTV oder VIVA gezeigt werden, zwischen Boybands, Dancefloor- und RnB-Acts. Metallica sind in der Zeit auch einem viel größeren Menschenkreis ein Begriff geworden. Vorher kannte man vielleicht den Namen und wusste, dass sie "harte" und "wilde" Musik für Rüpel machen, aber jetzt hatte man auch ein "Gesicht" dazu.
Mit der "Garage Inc." hat man auch gleich einen "Gassenhauer" auf die Menschheit losgelassen. Das Thin Lizzy-Cover bzw. das Volkslied "Whiskey In The Jar" wird heute immer noch auf Partys oder im Radio gebracht unddas gefühlt 100% häufiger als die Thin Lizzy-Version. Ich war bei der damaligen Albumtour auf dem Konzert bzw. Mini-Open Air-Festival in Minden. Weitere Acts waren Sepultura, Bloodhound Gang und Ministry, Dave Wnydorf von Monster Magnet war angeblich krank. Bis auf die Bloodhound Gang, die im Frühling 1999 noch nicht so vielen Leuten bekannt waren und die schon mehr in die Mainstream-Ecke gehören, waren das schon eher "härtere" Acts (bei Sepultura hat der Boden gebebt
), aber trotzdem war ich ein wenig erstaunt über da Publikum. Neben Metalheads und Leuten, die einfach nur auf Metal stehen waren da auch Leute, die ich eher bei den Rolling Stones oder irgendwelchen anderen "Schwergewichten" vermutet hätte. Die waren natürlich nicht wegen Sepultura oder Ministry da, sondern für Metallica, aber auch nicht um unbedingt "Fight Fire With Fire" zu hören. Das war schon eine ganz neue Generation an Metallica-Fans, die die Band erst frühestens dem Black Album kennen und lieben gelernt haben. Um eine Lanze für LOAD zu brechen - "Bleeding Me" ist eine richtig gute Livenummer.
Mit der S&M hat Metallica noch einen weiteren Schritt in Richtung "Rockgigant". gemacht. Durch die Untermalung mit klassischen Instrumenten sind viele Songs für eher zartbesaitete Hörer bekömmlicher geworden. Und klassische Musik zu mögen, gehört doch zum guten Ton?
Die nächsten paar Jahre hat man "Nothing Else Matters" nur noch in dieser Version gehört. Selbst in meiner Schule hatten dieses Album Leute, die eigentlich gar keinen Metal, geschweige denn "härtere" Rockmusik hören. Die CD stand gleichberechtigt neben Bravo Hits-08/15.
Kurz danach hat die Band sogar einen Song für einen Hollywood-Blockbuster abgeliefert. "I Disappear" vom M:I-II Soundtrack erreichte ebenfalls hohe Bekanntheit, weil die Compilation für einen Filmsoundtrack ziemlich verbreitet war. So etwas wäre in den 80ern noch undenkbar gewesen. Klar, wenn ein italienischer Splatterfilm-Regisseur sich an die Band gewendet hätte, Kirk Hammett hätte da bestimmt ein feuchtes Höschen gehabt.
Mit der unsäglichen Napster-Klage hat die Band sich auch ohne neues Album in aller Munde gehalten. Auch schlechte Publicity ist Publicity. Die Sache mit Jason Newsted hatten dann aber nur die Fans oder Szenekenner auf dem Schirm. Mit St. Anger hat man sich jetzt nicht unbedingt dem Mainstream angebiedert
, aber "Some Kind Of Monster" wird öfters mal benutzt, um die Band ins Lächerliche zu ziehen. Ein paar knallharte Metalbuben lassen sich von einem Mann mit unfassbar starker Ähnlichkeit zu Max Mustermann und Vorliebe für Kleidung im Testbilddesign dabei helfen, ihre "verkorksten" Leben wieder auf die Reihe zu bekommen. War Metallica nicht mal eine Band die gemacht hat was sie wollte und allen anderen den Mittelfinger gezeigt hat? Jetzt schwimmen sie mit "Memmenverhalten" und Seelenstriptease voll auf der damals brandaktuellen Reality-TV-Welle mit. Wobei Dave Mustaine sich auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat. In den Deleted Scenes findet man, so weit ich mich erinnere, das komplette Gespräch. Vielleicht sind Metaller ja in Wirklichkeit ganz zarte Pflänzchen, die sensibel behandelt werden wollen?
Den Rauswurf bei Metallica hat er wohl auch heute noch nicht ganz verkraftet, aber er hat ja auch alles dafür getan, dass man ihn aus der Band wirft. Es wäre mal interessant zu wissen, ob Metallica heute so wäre, hätte man Dave nicht aus der Band geschmissen.
Die Liste geht natürlich noch weiter. Den Gigantenstatus haben sie mit der "Induction" in die Rock & Roll Hall Of Fame (2009) amtlich. Über Konzerte in der Antarktis wird in den Feuilettons großer Tageszeitungen berichtigt. Mit Coca Cola hat man auch eine der wertvollsten Marken der Welt mit an Bord.
Musikalisch geht es seit St. Anger wieder etwas mehr in die "rauhe" Richtung, den Pop-Hörer, dessen Alltime-Favourite-Songs die aktuellen Charts sind, erreicht man damit nicht mehr, aber alles andere was die Band macht, hat mehr mit den ganz großen Acts der Mainstream-Szene gemein, denn mit frühen Weggefährten wie Anthrax oder Slayer. Sogar Paparazzi-Fotos, die James Hetfield in "Normalo"-Shorts und Flip Flops beim shoppen mit seiner Familie zeigen, sind nichts Ungewöhnliches mehr.
Metallica ist mittlerweile zu "Some Kind Of Monster" mutiert. Einerseits möchte man wieder an alte Ideale anknüpfen und orientiert sich musikalisch wieder etwas mehr an den ersten vier Alben, andererseits wächst die Band immer weiter und versucht mit "Superlativen" (z.B. erste Band, die in der Antarktis gespielt hat) noch mehr zu erobern.
Eins muss man den Jungs aber lassen, sie tun immer noch das, was sie wollen und wenn es nur Geldverdienen und "Ruhm" erlangen ist. Nur dieses Mal geht der Stinkefinger nicht mehr so oft in Richtung Mainstream, sondern auch alte Fans bekommen ihn zu spüren.
Die Band, die sie in den 80ern waren, werden sie nie mehr. Selbst wenn sie ein richtiges Kracheralbum abliefern würden. Mittlerweile ist das "Konstrukt" Metallica einfach zu groß und aufgebläht, um noch ernsthaft als Underground-Kapelle durchzugehen. Die persönlichen Bedürfnisse der Bandmitglieder haben sich auch gewandelt. Anstatt Saufgelagen und körperbetonten Spielchen mit blondierten Groupies wird heute die Familie mit auf Tour genommen. Übel nehmen kann man ihnen das nicht. Schlimmer wäre es, wenn sie heute noch so tun würden als wären sie 25 und sich einen Dreck um ihre Angehörigen scheren würden.