Das wird jetzt noch mal richtig ausufernd theoretisch, dafür entschuldige ich mich im vorhinein.
Es ist vieles richtig, was hier steht. Es greift aber teilweise zu kurz.
Von Scott McCloud ("Comics richtig lesen") habe ich die Idee übernommen, dass ein Kunstwerk in sechs Schritten entsteht:
1)Idee/Intention (Welche Aussage will ich treffen?)
2)Form (Was wird es? Lied, Symphonie, Oper....oder was ganz anderes?)
3)Stil (in welche Schule, welches Genre will ich mich einordnen?)
4)Struktur (Wie komponiere/arrangiere ich, was lasse ich weg?)
5)Technik (Wissen, Können, Fantasie .... die Realisierung)
6)Erscheinungsbild (Aufmachung, äussere Gestaltung)
Den KOMPLETTEN Künstler, der in allen diesen Bereichen ein Ass ist, wird es vielleicht nicht geben. Aber es gibt Könner in jedem Bereich. z.B. 1)= Bob Dylan, Randy Newman, 2)= Miles Davis, Jimi Hendrix 3)= Muddy Waters, Carlos Santana 4) Sting, Satriani 5) Steve Morse, Eric Johnson 6) Robbie Williams, Dieter Bohlen......
Die allermeisten Künstler haben Stärken in mehreren Bereichen (deswegen kann man über die Namensnennungen oben durchaus diskutieren - es sind halt Beispiele), aber die ganze Palette können nur wenige "Universalgenies" voll ausschöpfen. Bach oder Mozart könnte man eventuell nennen. In der modernen Musik fällt mir niemand ein.
Die "sinngebenden" Schritte für jede Art von Kunst ("Wozu das Ganze?") sind der erste und zweite. Wenn man mal unterstellt, dass man überhaupt etwas aussagen will, dann entscheidet man sich hier: Treffe ich eine Aussage über das Leben (1) oder die Kunst als solche (2). In 1 findet man die Geschichtenerzähler, die die "Form" zwar beherrschen, sie aber dem Thema unterordnen und deswegen sehr gradlinig bleiben. in 2 findet man die "Forscher", die die Grenzen ihrer Kunst permanent austesten und neue Genres kreieren.
Die Schritte danach, von der Einordnung ins Genre bis zur "Verpackung" für den Konsumenten, nehmen ALLE Künstler vor, mehr oder weniger gekonnt und sorgfältig, je nach Neigung und Ausbildung.
Der Witz ist: der Konsument und der künstlerische Anfänger gehen diesen Weg in umgekehrter Richtung. Der Konsument, der von dem gefälligen Erscheinungsbild angezogen wurde, beschäftigt sich vielleicht dann mit der Umsetzung, dann wird eine Struktur erkennbar und man lernt, Stile zu unterscheiden .... und erst dann fragt man : "wozu eigentlich der ganze Aufriss?"
Der Gitarrenschüler (6) findet Metal geil (weil: LAUT!
), lernt wie ein Irrer seine (5) Tonleitern und Pinch Harmonics - stellt dann fest, dass man (4) Soli so spielen sollte, dass sie zu dem passen, was die Band grad macht - lernt nach und nach (3) was es sonst noch so ausser Thrash-Metal gibt und wo der eigentlich herkommt - und entscheidet sich möglicherweise, nachdem er Hendrix gehört hat (2) fortan nur noch Blues zu spielen - und fängt an eigene Stücke zu schreiben und zu texten.............."I woke up this morning..." (1)
Ich denke, in diesem Zusammenhang wird klar (mir jedenfalls):
- Woher die Inspiration kommt, ist wurscht. Und wenn's ne Pentatonik-Übung ist - Hauptsache Inspiration.
- Wenn man wirklich etwas künstlerisches auf die Beine stellen will, darf man KEINEN dieser Schritte vernachlässigen. Man kann im Normalfall nicht alle virtuos beherrschen, deswegen ist es notwendig, Schwerpunkte zu setzen.
- Man kann niemandem vorwerfen, wenn er seinen Schwerpunkt anders setzt, als ich es tun würde.
- Jede Kunst ist = Kommunikation! Deswegen ist der Vergleich der Musik mit der Sprache/Literatur so gängig und naheliegend.
- Handwerk ist KEINE Kommunikation.
- Ob es "Kunst" ist oder "Handwerk" entscheidet sich in Schritt 1 und 2. Wobei ich persönlich beides als gleichwertig betrachte. Ständig mit Aussagen bequatscht zu werden, ist auf Dauer nervtötend. Man darf Dinge auch um ihrer selbst willen tun.
Okay soweit für euch? Dann grübelt mal schön.....