Ich glaube du unterliegst der irrigen Annahme, dass es bei der Einatmung um die Luftmenge geht. Bei der Stütze geht es vor allem um Kontrolle. Es ist auch relativ irrelevant wie lange du maximal einen Ton halten kannst. Die durchschnittliche Phrase in einem Song dauert 4 Sekunden. Stellen von 10 Sekunden und mehr ohne Atempause musst du schon mit der Lupe suchen. Beim Einatmen gilt daher eher: Möglichst wenig, aber oft. Bildlich wird gerne von einem "Fingerhut voll Luft" gesprochen, den man einatmet und der für die gesamte Phrase reichen muss.
Entscheidend ist demnach den Luftstrom derart zu kontrollieren, dass diese kleine Menge an Luft für die gesamte Phrase reicht. Und genau um diese Kontrolle geht es. Wenn du eine lange Ausatmung durch eine große Luftmenge erreichst, ist das quasi geschummelt. Du solltest sie durch einen möglichst langsamen Ausatemstrom erreichen.
Ich persönlich finde diese Bildsprache von Wegen "Brustatmung" und "Bauchatmung" problematisch. Eigentlich allgemein die Vorstellung, dass man irgend "wohin" atmen soll. Das impliziert meistens, dass sich irgendwo irgendwas ausdehnt. Und wenn sich irgendwo irgendwas ausdehnt (ob nun der Bauch rausgeht oder die Brust hoch), dann ist es oft schon zu viel geatmet (mehr als der Fingerhut voll).
Wie Bell schon schrieb ist nicht der Ort entscheidend (du atmest eh immer in die Lunge), sondern die Muskulatur, mit der du das machst. Ein guter Start ist die schon erwähnte passive Einatmung. Als Übung kannst du einfach mal so viel ausatmen wie du kannst (mach deine Lungen "leer"). Dann hältst du kurz diesen Zustand und spannst dann einfach nur ab. Die Luft "fällt" dann wieder zurück in die Lunge. Versuch dieses Gefühl zu verinnerlichen. Sowohl die Entspannung als auch die Art wie sich deine Lunge füllt.
Genau diese "Entspannungsaktion" solltest du am Ende (!) jeder Phrase machen. Das bringt deine Lunge sozusagen in die Neutralstellung.
Von dieser Neutrallstellung aus kannst du dann wieder die Einatmung üben und zwar, indem du dir vorstellst, dass du dich erschreckst und schnell aber kurz einatmest. Eine andere Methode ist dir vorzustellen, dass du eine kleine Menge Luft möglichst schnell durch einen imaginären Strohhalm in die Lunge saugst. Dabei gilt möglichst kurz und möglichst schnell.
Diese Art der Einatmung atmet den besagten Fingerhut voll Luft ein. Die Heftigkeit der Einatmung erzeugt zudem eine günstige Vorspannung im Zwerchfell, was das nun folgende Stützen vereinfacht. Beim folgenden Ausatmen ist dann die Vorstellung, dass du die Luft so langsam wie möglich abgibst. Mir persönlich hilft es dabei schwierige Phrasen zunächst mal "in Zeitlupe" zu üben, also wesentlich langsamer zu singen als im echten Song. Das erhöht die Präzision bei den Vokalen und vereinfacht das "langsam machen" des Atemstroms.
Ich weiß, dass es auf diese Art schwierig ist zu "schreien", aber das solltest du ohnehin erst tun, wenn du die Stelle "clean" problemlos singen kannst. Hier gilt aber doppelt, dass der Lufstrom so gering wie möglich sein sollte, auch wenn der Druck hoch ist. Das Zwerchfell muss dann entsprechend stark dagegenhalten (versuch das Gefühl der heftigen Einatmung bei der Ausatmung abzurufen, falls das verständlich ist).