Lokrischer Modus in Songs

... Dur Akkorde A, D, E. Die Musiktheorie würde hier den ionischen Modus vorgeben.

Welche Musiktheorie? Vielleicht die CS-Theorie vom Planeten Berklee, die verwendet für banale Tonleiterausschnitte pseudo-antike Bezeichnungen, die dem System wohl einen Hauch von abendländischer Kultur und wissenschaftlich klingender Seriösität verleihen sollen.
Anderswo hakt man A-D-E einfach unter "A-Dur" ab, und der "locrian mode" ist lediglich der Tonleiterausschnitt ab dem siebten Skalenton in Dur. Das Lokrische als Modus (also im Sinne einer eigenständigen "Tonart", nicht als "scale mode"), ist hingegen etwas völlig anderes.
Ich plädiere daher dafür, zugunsten der begrifflichen Eindeutigkeit immer fein säuberlich zwischen Modus (im "abendländischen" Verständnis) und mode (noch genauer: scale mode / Skalenmodus) zu unterscheiden - das reduziert Fehlinterpretationen.
 
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Der lokrische Modus passt zB wunderbar über die reinen Dur Akkorde A, D, E.
Oh, tatsächlich! Warum ist mir das früher nie aufgefallen?


:D

Viele Grüße,
McCoy
 
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["Der lokrische Modus passt zB wunderbar über die reinen Dur Akkorde A, D, E."] Oh, tatsächlich! Warum ist mir das früher nie aufgefallen?

Ich nehme aber an, dass damit (angesichts der explizit genannten "reinen Dur-Akkorde") eher der Skalenenmodus g#-locrian gemeint war. Insbesonders im Kontext der von dir gewählten schlichten Kadenz wirkt a-locrian zumindest etwas "befremdlich - sofern es nicht parodistisch gemeint war.
 
Wir brauchen unbedingt Sarkasmus-Schilder ...
 
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es geht ja beides, lo
genau, und egal ist das sowieso, das wissen wir bereits seit Neunzehnhundertdreiundsiebzig...

Aber davon abgesehen:
Was meinst du mit du verstehst es nicht? Musik lernt man am besten durch Praxis. In der Theorie ist es oft alles unheimlich kompliziert, wenn du einfach mal mit deiner Tonart Experimentierst dann ist vieles verständlicher.
Finde ich sehr richtig. Mach es. Probier es aus. Am Besten auf einem Klavier (oder behelfsweise Keyboard). Oder singe in 'nem Chor, am Besten gleich einem guten... ;-)
Setz Dich Klängen aus... produziere Klänge...
...und analysiere sie dann. Wenn das, was Du mit Deiner Eingangs-Frage andeutest, um sich greift, dann hast du nicht nur ein intuitives Verständnis der Musik, sondern weißt immer mehr, welche Struktur, welche "Theorie" dahinter steht. Und - ich würde vermuten, dass @McCoy da zustimmt - wenn Du Theorie und Praxis miteinander verbinden kannst, dann geht die Post ab ;-)
 
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Setz Dich Klängen aus... produziere Klänge... ...und analysiere sie dann.

Allerdings sehe ich darin ein Problem:
Ich höre zwar tatsächlich nicht mal so viele Bands und mein Musikwissen beschränkt sich auf ein absolutes Minimum, und ich spiele auch kein Instrument.
Keine Vorbildung am Instrument und keine Ahnung von Musiktheorie, Analyse fällt da weg.
Die gewünschte Erfahrung wird sich aber auch deshalb nicht "intuitiv" bilden können, weil die Anforderung deutlich zu hoch gesetzt wird.

Wo der Hammer hängt, hat der TE in Beitrag #1 angesprochen. Das Video von Adam Neely finde ich deshalb sehenswert, weil es Probleme der Verwendung von lokrisch zeigt und wie unterschiedlich damit umgegangen werden kann, hier von Musikern mit Hintergrund an Theorie und Praxis.
Youtube Video: Adam Neely stellt Versuche mit lokrisch vor

Der lokrische Modus passt zB wunderbar über die reinen Dur Akkorde A, D, E.
Wenn von Rockamateur-Musikern Töne einer Skala passend zur genannten Akkordfolg gespielt werden, dann sind die soweit absehbar nicht in der Tonalität G# lokrisch. Wahrscheinlicher ist bei entsprechendem Vorsatz ein Anfang mit einem Skalenfragment in lokrisch und unbewusst folgendem Wechsel auf Pentatonik oder schlichtes A-Dur.
Mit Auflösung stellt die Akkordfolge im Zitat sich als Kadenz im impliziten 4/4 Takt dar | A ./. | D ./. | E ./. | A ./. |
Eine Korrektur der Behauptung durch ein musikalisch funktionierendes Hörbeispiel zum "passt wunderbar" ist natürlich willkommen.
Bis dahin bleibt der (Skalen-)Modus lokrisch m.E. nicht zur Verwendung über eine einfache funktionsharmonische Akkordfolge wie im zitierten Beispiel geeignet.
Das unterscheidet lokrisch von anderen Skalen mit lustigen Namen wie z.B. mixolydisch, wie sie aus folkloristischer oder kirchenmusikalischer Überlieferung in die Popmusik unserer Tage eingeflossen sind.

Gruß Claus
 
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Keine Vorbildung am Instrument und keine Ahnung von Musiktheorie, Analyse fällt da weg.
Die gewünschte Erfahrung wird sich aber auch deshalb nicht "intuitiv" bilden können, weil die Anforderung deutlich zu hoch gesetzt wird.
jo das ist natürlich klar, ich hab da ehrlich gesagt auch eher ne frage gestellt die mich generell interessierte, wollte aber offen damit umgehen dass ich in keinerlei hinsicht ein experte bin damit kein falscher eindruck über mich entsteht (die infos die ich in dem post nannte kamen aus verschiedenen sachen in denen mich ein kleines bisschen belesen habe oder videos wie diese von z. B. adam neely gesehen habe und mir dachte "ach klingt ja interessant" lul)
 
Ja klar und wie schaut es denn aus mit einem Digitalpiano?
Damit sind die Grundlagen des Musik machens relativ leicht zu lernen und es ist wie geschaffen für die Beschäftigung mit Mädchen, äh Musiktheorie... :D

Gruß Claus
 
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Allerdings sehe ich darin ein Problem:
Ich seh da keinerlei Problem 🌻
@dezIsNosredna ist - so mein Eindruck - sicher in der Lage und ganz sicher interessiert genug, sich den Zusammenhang von Phänomen und dahinterliegender Struktur selbständig zu erarbeiten, denn er weiß einerseits, dass er nichts weiß, ist aber sehr interessiert und in der Lage, kontextbezogen sehr kompetent Fragen zu formulieren.
Das ist sicher eine Voraussetzung, den - prinzipiell unendlichen - theoretischen Hintergrund der Musik in Häppchen aufzuteilen, die für ihn erfassbar bleiben. Problematisch finde ich dabei eher, wenn der theoretische Hintergrund hier so umfassend und differenziert diskutiert wird, dass er tatsächlich nicht mitkommen kann, aber selbst das hat er ja hier gesagt. :)
Beitrag automatisch zusammengefügt:

Beschäftigung mit Mädchen, äh Musiktheorie.
..geht ja auch beides, sogar gleichzeitig :cool:
 
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joo, die Sprache , insbesondere Sarkasmus, bietet Konfliktpotential und doch ist sie selber selten Ursache sondern eher Wirkung. In der Malerei gibt es ebenso Grund sich mit unreinen konsonanten Intervallen zu befassen.

Ich möchte mich hiermit für die Analogie zwischen Kunst und Malerei bedanken/revanchieren und rate deshalb an, bzw. biete als Gegenleistung, die Werke von M.C. Escher eine Zeitlang zu betrachten. Das wird auch nach dem 50.X nicht fassbarer.

Die Eindimensionalität der Schrift hat im Palindrom eine gewisse Ähnlichkeit zum Komplentärintervall, welches M.C.Escher in seinen Werken meisterlich verwirklicht hat. Wenn es um Absurdität geht, so hat der Graphiker im Möbius-Band ein grandioses Beispiel geliefert.

Frei nach A.Lindgrens Pipi Langstrumpfs Kinderreim, ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt, sind in den Werken M.C. Eschers in der Exaktheit ebenso eine Metrik verankert, wie es die Etablierung von Hebung und Senkung in der Sprache im Iambus gefordert wird.

schmunzelnder Gruss
 
@dezIsNosredna ist - so mein Eindruck - sicher in der Lage und ganz sicher interessiert genug, sich den Zusammenhang von Phänomen und dahinterliegender Struktur selbständig zu erarbeiten.
Das kann ich mir auch vorstellen, aber weder das Wissen zur Musiktheorie noch die zum Nachvollziehen benötigten Instrumentalspielfähigkeiten stellen sich irgendwie von alleine ein. Die benötigte "Vorarbeit" umfasst mindestens Monate, was ich so kenne eher Jahre.

Problematisch finde ich dabei eher, wenn der theoretische Hintergrund hier so umfassend und differenziert diskutiert wird...
In welchen Beiträgen hast Du diesen Eindruck? Rhetorische Frage.
In der Eingangsfrage wurde die Akkordskalentheorie implizit angesprochen. Zu einer umfassenden und differenzierten Diskussion auf dieser Grundlage würden Erörterungen zu lokrisch neben der VII. Stufe in Dur auf Sachverhalte eingehen wie IIm7b5 bzw. die Jazzkadenz in Moll, der Vorzug von phrygisch bei der Modal Interchange Funktion bIImaj7, bVmaj7 auf der fünften Stufe von lokrisch usw...
Ausführungen dazu entfallen zwangsläufig, weil das Grundlagenwissen in Akkordskalentheorie hier bei Einigen fehlt, erklärtermaßen beim TE.

Die hier so "intuitv erschließbar" erwarteten Lerninhalte umfassen einige hundert Lehrbuchseiten, gerade wenn diese mit Bezug auf praktische Belange verfasst sind.
Beispiele dafür sind Fachbücher von Mark Levine (ca. 440 Seiten plus Index), Frank Sikora (ca. 570 Seiten plus Index), Mathias Löffler (ca. 770 Seiten plus Anhang) oder Dariusz Terefenko (ca. 420 Seiten plus Anhang sowie ca. 340 Seiten PDF-Workbook und weiteres Material).

Um die Frage aus Beitrag 1 mit anderen worten als turko zu beantworten: das im Video von Adam Neely erkennbare Problem an lokrisch ist, Zitat Frank Sikora:
lokrisch ist kein natürlich gewachsener Modus (Stichwort Kirchentonarten).

Gruß Claus
 
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Lokrisch ist auch perfekt für Metal .......
 
Nun frage ich mich aber ob euch bestimmte Beispiele einfallen wo dieser Modus trotzdem in Songs verwendet wird; Wikipedia meint dass dieser oft in Metal und Jazz verwendet wird und es gab dazu glaube ich auch ein interessantes Video von David Bennett Piano zu. Mich interessiert es aber ob euch selbst einige Lieder einfallen wo der lokrische Modus tatsächlich verwendet wird oder ob er wirklich so selten ist - und ob es vielleicht noch gründe gibt die ich hier gar nicht aufgelistet hab warum lorkisch so "dissonant" klingt
Der englischsprachige Wikipedia-Eintrag https://en.wikipedia.org/wiki/Locrian_mode listet ja bereits einige Beispiele zur Verwendung von Lokrisch.
Da sind diverse Komponisten des 20. Jahrhunderts vertreten, im populären Bereich wird aber nur 'Dust to Dust' von John Kirkpatrick genannt (Folk) und 'Army of Me' von Björk (Strophe in Lokrisch), das ja auch im oben verlinkten Video erwähnt wird.

Nun, warum wird Lokrisch so selten als eigenständige Tonart genutzt?

Betrachtet man das Tonmaterial, so hat Lokrisch das Skalenmuster 1-2-2-1-2-2-2 (Halbtonabstände der benachbarten Töne beginnend ab dem Grundton der Skala).
Es gibt also nur Halbton- und Ganztonschritte. Es gibt keine übermäßige Sekunde (Hiatus, Abstand 3) wie in Harmonisch Moll, und es gibt keine zwei direkt benachbarten Halbtöne (Folge 1-1 im Skalenmuster) wie z.B. bei Doppelt Harmonisch (d.h. die Skala ist nicht cohemitonisch).
Worauf ich hinaus will - in Lokrisch gibt es keine unsanglichen, melodisch problematischen Konstruktionen. Melodisch ist Lokrisch nicht schwierig zu handhaben. Es ist nicht besonders schwer, aus den Tönen des Lokrischen melodische Phrasen zu bauen, die z.B. gut zu singen sind und bei denen sich ein guter Grundtonbezug einstellt (d.h. bei denen man den Basiston des Lokrischen als Grundton empfindet). Dabei kann man sich auf die b2 als fallenden Leitton stützen, der den Grundton gut stabilisiert.

Tatsächlich gibt es nur 14 siebentönige Skalen, die so gutartig sind wie Lokrisch (in dem Sinne, keine übermäßige Sekunde oder noch größere Intervalle benachbarter Töne und keine direkt benachbarten Halbtöne zu enthalten), das sind gerade die Modi der Dur- und der Melodisch Moll-Skala.
Zum Vergleich: Es ergeben sich insgesamt 175 siebentönige Skalen (über einem gegebenen Grundton), wenn man auch übermäßige Sekunden und Ketten aus zwei Halbtönen hintereinander zulässt. Das Lokrische gehört, was die Melodik angeht, also zu den 10% der einfachsten Skalen überhaupt.

Die Schwierigkeit in der praktischen Nutzung des Lokrischen besteht tatsächlich nur in der Harmonik.
Das wurde ja auch schon mehrfach angemerkt:

Ein m7b5-Akkord als Tonika oder Dominante ist nur schwer vorstellbar ...

Dazu müßte der Akkord Cm7b5 als Tonika funktionieren ... tut er aber nicht.
Deswegen kann auch die dazugehörende Tonleiter/Chordscale lokrisch als Basistonleiter nicht funktionieren.

Schaut man die leitereigenen Dreiklänge an, so sitzen über den anderen Stufen Dur- und Moll-Akkorde, im Vergleich dazu ist der verminderte Dreiklang auf der ersten Stufe viel zu instabil, um im Vergleich ein Grundtongefühl herstellen zu können.
Geht man (wie im Jazz üblich) auf die Stufen-Vierklänge über, dann geben ebenfalls die Dur-Major7, Dur7 und Moll7-Akkorde über den anderen Stufen eine viel bessere Tonika ab als der m7b5 über dem Grundton des Lokrischen.
Das Problem liegt nicht am m7b5-Akkord selbst, der halbverminderte Akkord kann ja bei entsprechenden Voicing durchaus schön klingen. Aber es ist schwierig, Harmoniefolgen aus den Stufenakkorden zu bilden, die mit dem m7b5 enden und bei denen sich ein Abschluss- und Ruhepunkt-Gefühl einstellt.

Bis dahin bleibt der (Skalen-)Modus lokrisch m.E. nicht zur Verwendung über eine einfache funktionsharmonische Akkordfolge wie im zitierten Beispiel geeignet.

Genau das ist eben der Haken, reines Lokrisch ist funktionsharmonisch schwer zu nutzen, das heißt aber nicht, dass man es nicht in einem modalen Kontext nutzen könnte.

Wenn, wie Turko ja schreibt, der m7b5 nicht als Tonika taugt, dann muss man sich einen anderen Klang suchen, der als Ruheklang in Frage kommt, das ist der Ansatz, den Adam Neely im obigen Video für sich gewählt hat.

Oder man macht es noch etwas interessanter und sucht eine Abfolge aus mehreren Klängen, die den Tonvorrat abdecken und den gewünschten Grundton als solchen ausreichend stützen (d.h. nicht zu anderen möglichen Grundtönen in die Irre leiten).

Eine allgemeine Methode hierzu, die bei beliebigen siebentönigen Skalen funktioniert, ist die Generic Modality Compression.
Wie diese Methode funktioniert, habe ich in einem anderen Thread schon einmal erläutert.

https://www.musiker-board.de/thread...h-diese-anzueignen.694679/page-2#post-8821003

Es handelt sich um eine kombinatorische Methode, mit der man systematisch alle Zerlegungen des Tonmaterials einer Skala in zwei Vierklänge über dem Grundton der Skala finden kann, die zusammen jeden Skalenton abdecken.
Mit "Vierklang" ist hier ein beliebiger Klang aus 4 verschiedenen Skalentönen gemeint, nicht ein Vierklang im Sinne einer Schichtung aus 3 Terzen wie bei den Stufenakkorden.
(Die Vierklänge sind also beliebige "Stacks of Notes", wie Neely das nennt, nur eben hier 2 Stacks aus 4 Tönen und nicht wie bei ihm ein einzelner 5-töniger Stack.)
Für jede 7-tönige Skala, also auch für das Lokrische, gibt es genau 10 solche Zerlegungen.

Nehmen wir mal Gitarristen-freundlich das E Lokrisch mit den Tönen E F G A Bb C D als Basis, dann sind diese Zerlegungen:

1. E F G A vs. E Bb C D
2. E F G Bb vs. E A C D
3. E F G C vs. E A Bb D
4. E F G D vs. E A Bb C
5. E F A Bb vs. E G C D
6. E F A C vs. E G Bb D
7. E F A D vs. E G Bb C
8. E F Bb C vs. E G A D
9. E F Bb D vs. E G A C
10. E F C D vs. E G A Bb

Man kann jetzt jedes dieser Vierklang-Pärchen einmal durchtesten und sich (durch Oktavieren und/oder Verdoppeln der Töne) Voicings oder auch Akkordzerlegungen überlegen, in denen sich die Abfolge musikalisch brauchbar anhört und den Grundton E stützt.
Für manche der Pärchen wird man das vermutlich nicht schaffen, aber ein paar bleiben, die verwendbar sind.*
Als Ergebnis hat man dann einen modalen harmonischen Kontext, über dem man das Lokrische auch melodisch einsetzen kann.
(Man kann auch von einem der Pärchen zu einem anderen übergehen und man muss auch nicht das E immer als Pedalton behalten, das ganze ist nur eine Hilfestellung, um das Tonmaterial zu erkunden und überhaupt funktionierende Ansätze zu finden. Sobald man etwas hat, kann man davon ausgehend natürlich frei weitermachen).

* Welche das sind, lasse ich hier bewusst offen, möchte Euch beim kreativen Ausprobieren ja nicht beeinflussen!
 
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OliverT
  • Gelöscht von Claus
  • Grund: Ein Hinweis auf "Metal" reicht, zumal ohne Beispiel und Erläuterung
In der Eingangsfrage wurde die Akkordskalentheorie implizit angesprochen.

Wo? Unser junger Freund spricht unmissverständlich von "Akkordabfolgen", er scheint also Lokrisch als diatonischen Modus (analog zu den "Kirchentonarten") mit der Finalis H aufzufassen, nicht als 7. Oktavspezies des diatonischen Dur (bezogen auf C: der Skalenbereich von H-h).
Zur Erinnerung:
So wie ich das verstehe wird [der lokrische Modus] ja nicht so oft verwendet, Gründe dafür sind wohl dass (...) man im lokrischen Modus keine wirklich "schön" klingenden Akkordabfolgen bilden kann

Dass er - wie die meisten - in die Falle der CS-theoretischen Automatismen tappt, nach denen Akkorde rein mechanisch und ohne funktionale Differenzierung aus skalarem Rohmaterial gebildet werden (was im Fall des Lokrischen zur absurden, weil praxisfremden Annahme einer I-V-Relation mit verminderter Quinte führt), ist verzeihlich: Skalenmodi (genauer: Skalenspezies) und modale Akkordprogressionen sind unterschiedlich zu behandelnde Sachverhalte auf der Grundlage jeweils eigenständiger theoretischer Konzepte.

Wer fälschlich davon ausgeht, dass sich das zentrale Paradigma der Dur-Moll-Tonalität - die funktionale Zuordnung von I=Tonika und V=Dominante - ohne Modifikation auch auf modale Tonalitäten übertragen läßt, wird zwangsläufig nicht nur bei Lokrisch Probleme haben, ästhetisch befriedigende Akkordfolgen zu generieren.

Zitat Frank Sikora:
lokrisch ist kein natürlich gewachsener Modus (Stichwort Kirchentonarten).

Wohl wahr! Lokrisch ist nicht einmal eine "Kirchentonart", sondern ein modernes Konstrukt zur nachträglichen Vervollständigung des "postmodalen" Systems von Glarean, dass ja keine Abbildung der kirchenmusikalischen Realität darstellte, sondern als anachronistische Neuformulierung antiker und mittelalterlicher Theorien im Geiste der Renaissance zu verstehen ist.

Die Zuordnung der Finalis H zur Bezeichnung "Lokrisch" erfolgte erst 1879 in der Erstausgabe des "Groves Dictionary of Music", wobei sich der Autor des Eintrags "Locrian" (W. Smith Rockstro) so wenig um historische Fakten kümmerte, dass der Artikel in den folgenden Ausgaben zunächst von anderen Autoren revidiert, danach aufgrund inhaltlicher Unhaltbarkeit gänzlich eliminiert werden musste. Dass Rockstro mit seinem spekulativen "Lokrisch" (als 11. und 12. Modus zur Komplettierung des glareanschen Systems der 14 Tonarten) trotzdem die Büchse der Pandora geöffnet hat, liegt allein im Umstand, dass der "Grove" frühzeitig eine ernorme Reputation in Fachkreisen erlangen konnte, nach dem Motto: Wenn es im Grove steht, wird es schon stimmen.

So konstruiert Rockstro zwar ahistorische, aber zumindest an die Konzepte der "echten" Kirchentöne angelehnte Funktionsbeziehungen des Lokrischen, die das Problem der verminderten Quinte umschiffen:
Finalis ist H (und kann daher gemäß üblicher modaler Praxis als Schlussklang bei Bedarf "verdurt" werden!), Confinalis (entfernt vergleichbar mit der Funktion "Dominante") ist im authentischen Ambitus des Lokrischen (H-h) G, im plagalen Ambitus (F-H-f, Finalis in der Mitte) E. Die den Modus im Melodieverlauf (cursus) definierenden Töne sind D (Mediante), F und C.

Da die Kirchentöne ein melodie-, aber kein akkordgenerierendes Konzept sind, und modale Harmonik im Gegensatz zur Dur-Moll-Tonalität nicht auf "Blockakkorde" mit Kadenzmustern wie I-IV-V-I reduzierbar ist, sondern auf kontrapunktischer Klauselbildung beruht, lassen sich mit etwas gutem Willen auch einigermaßen schlüssig klingende "lokrische" Melodie- und Klangverläufe konstruieren - sofern man denn der Meinung ist, dass Lokrisch für das künstlerische Lebensglück eines Komponisten im 21. Jahrhundert absolut unverzichtbar sei.

Die verminderte Quinte des Lokrischen ist ohnehin ein eher zweitrangiges Problem, da dieses Intervall bereits im Mittelalter durchaus gebräuchlich war - und zwar meist als bV im Kontext des E-Modus (Phrygisch), bei dem ein als Bb intoniertes H als Nebenton keinen Einfluss auf die strukturell wichtigen Töne hatte (Finalis E, Confinalis/Dominanten C bzw. A).
Dass H bzw. Bb im E-Modus als variable Tonstufen intoniert werden konnten und können, läßt sich z.B. aktuell an der Melodieführung und Harmonisation volkstümlicher Modalität (z.B. in den "Cantes mineros" der östlichen Provinzen der südspanischen Region Andalusien) anhand von stiltypischen Kadenzen nachweisen: G7 - C7 (sic!) - F (meist mit 6#) - E, wobei F6# funktionsharmonisch als Dominante zur Tonika E interpretiert wird - also D-T nicht "tonal" V-I, sondern "modal" II6#-I (oder VII6-I).
phr.png

Lokrische D-T-Beziehungen wären demnach II-I, VII-I (die allerdings zu stark "phrygisch" klingen) oder (nach Rockstro) VI-I bzw. plagal IV-I, z.B. in H-Lokrisch unter Einbeziehung der charakteristischen Töne F und C: F maj7 - Bdim 7 - Em 6b - B.
locrian.png


Nachtrag:

Das im voranstehenden Post #36 vorgestellte Konzept ist natürlich nicht "kirchentonal" fundiert, sondern basiert im Kern auf den Annahmen der CS-Theorie, die zwar bereits eine eigene Geschichte hat, aber ansonsten als ahistorisches Konstrukt mit stilistisch begrenztem Wirkungsbereich zu betrachten ist - mal abgesehen davon, dass CS-Jünger zu Kopfgeburten neigen, die sich - wie Goodrick's "Generic Modality Compression" - schnell in toter Kombinatorik erschöpfen.
Aber da viele Wege nach Rom bzw. nach Lokris führen, zählt letztlich nur das Ergebnis. Und da läßt sich zumindest im Ansatz erkennen, dass Lokrisch/locrian durchaus "machbar" ist, gleichgültig, ob man das Thema durch die CS-Brille betrachtet oder "historisch informiert" über die Moduslehre angeht.

 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
@OckhamsRazor:
Wenn ich von "modaler Nutzung" spreche, dann meine ich das im Sinne der Modalität / funktionsfreien Harmonik im modalen Jazz, in Abgrenzung zur funktionalen Jazz-Harmonik / Akkordskalentheorie.
"Kirchentonal" im Sinne der historischen Praxis der Kirchentonarten ist das natürlich nicht gemeint.
DIe Generic Modality Compression ist nur eine Methode zur Sichtung des Tonmaterials und der Möglichkeiten einer Skala - das ist nicht "tote Kombinatorik", sondern eine Hilfe, damit man existierende Möglichkeiten nicht übersieht. Letztlich ist es nur eine systematische Methode zur Materialsichtung und zum Generieren von Ideen, es steckt keine spezielle musikalische Theorie und nichts tiefsinniges dahinter. Natürlich gibt es auch viele andere Möglichkeiten, musikalische Ideen über einer Skala zu entwickeln. Und natürlich bedeutet die ausschließliche Betrachtung von Zweier-Paarungen eine Einschränkung - aber es kostet ja nicht viel Zeit und man vergibt sich nichts, wenn man diese Paarungen einfach mal durchprobiert, vielleicht entdeckt man dadurch doch etwas. Auf jeden Fall lernt man die entsprechende Skala und ihre Möglichkeiten besser und aus verschiedenen Perspektiven kennen.
Dass die Methode keinen historischen Bias hat, sondern erst einmal alle kombinatorischen Möglichkeiten (für eine Zweier-Aufteilung) gleichwertig erzeugt, empfinde ich persönlich als Vorteil.
Warum sollte man sich heute an die historische Praxis ("kirchentonale Fundierung") gebunden und auf sie eingeschränkt sehen? (Z.B. Abschluss mit Dur-Finalis)
Davon abgesehen ist der Grundansatz der GMC, das Tonmaterial der Skala in zwei komplementäre Klänge aufzuteilen, meiner Ansicht nach mit den Annahmen der Akkordskalen-Theorie (im Sinne der funktionalen Jazz-Harmonik) eben gerade NICHT kompatibel.
Denn alle von der Akkordskalen-Theorie postulierten "Avoid Notes" sind in diesen Aufteilungen ja immer auch enthalten.
In einem funktionalen Kontext ergibt so eine GMC-Aufteilung also gar keinen Sinn (in einer II-7 V7-Kette würde man in jedem der Schritte entscheidendes Tonmaterial des Nachfolger-Akkords vorwegnehmen, das kann nicht im Sinne einer funktionalen Harmonik sein).
Aber Du verstehst die Akkordskalen-Theorie ja offenbar in einem etwas weiteren Sinne als Ansatz, Akkorde (nur) aus dem skalaren Rohmaterial zu bilden. Ein Dogma sollte man daraus sicherlich nicht machen, nur ändert sich der Klangeindruck natürlich ganz erheblich, wenn skalenfremde Töne in die Akkorde aufgenommen werden - das kann man mögen oder eben nicht.
Aus Jungbluth z.B. kenne ich die Akkordskalentheorie sonst als Mittel der funktionalen Jazz-Harmonik, bei der man in Abhängigkeit von der Funktion eines Akkords die Skalen ermittelt, die das Tonmaterial des Akkords beinhalten und die somit mit diesem kompatibel sind. Das führt dann zur Erstellung sogenannter "Skalentabellen", mit denen man Skalen zu einer Akkordfunktion aussuchen kann, die im Prinzip nur etwas neue "Farbe" einbringen, aber die grundsätzliche Funktion weiter unterstützen. Zu den Akkorden werden in Abhängigkeit von ihrer Funktion passende Skalen ermittelt, daher "Akkordskalentheorie". In dem von Dir benutzten Sinn war mir der Begriff Akkordskalentheorie bisher nicht geläufig, aber es ist zumindest klar, was Du damit meinst.
 
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Das Lokrische als Modus (also im Sinne einer eigenständigen "Tonart", nicht als "scale mode"), ist hingegen etwas völlig anderes.
Hm, ich weiß jetzt nicht, wievie lokrische Tonarten du kennst, ich kenne eben diese, die man im 19. Jhrd "dazugedichtet" hat.


Oh, tatsächlich! Warum ist mir das früher nie aufgefallen
Naja, wenn du es so spielst, ists halt schon krumm, wenn man aber die Scala, Tonart,...um einen Halbton nach unten verschiebt, also nicht den Grundton nimmt, passts nämlich.
Spitzfindig könnte die Menge jetzt aufschreien, "das ist aber nicht lokrisch", muss ich entgegnen, aber ja. Der Ansatz ist vllt falsch, dadurch aber doch passend
 
@Person
Die Skala G#-Lokrisch hat denselben Tonvorrat wie die A-Dur-Skala.
Deshalb kann man natürlich mit den Tönen der G#-Lokrisch-Skala zu den Akkorden A, D, E spielen.
Das macht das Ganze dann aber nicht zu einem Beispiel für G#-Lokrisch.
Dafür wäre es notwendig, dass man das G# als Grundton empfindet.
Bei einer Akkordfolge mit den Akkorden A, D, E dürfte es äußerst schwer werden, dieses Grundton-Gefühl bzgl. G# zu erreichen.
 

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