Kompromissbereitschaft innerhalb einer Band - ein schmaler Grat?

@glombi - natürlich unterhalten wir uns auch über die Weltlage, aber wir führen keine explizite Diskussion über persönliche Einstellungen. Betrachten wir alles als Privatsache, solange niemand darauf besteht, den Stein der Weisen zu besitzen. In meinen 40 Jahren in unterschiedlichen Bands hatte ich bis dato wissentlich niemanden mit einer "weltfremden" oder rechtsradikalen Einstellung. Es gab natürlich immer wieder "Charaktere", die einfach nicht ins Bandgefüge passten.
Auch fand ich es immer schwierig, wenn Profimusiker mit uns Amateurmusikern in einer Band spielten - da gibt es einfach immer wieder verschieden Interessenlagen und Zielsetzungen. Aber - that's life ... :)
 
Viele behaupten, dass ich, weil ich Tanzmucke mache, mich mehr prostituiere als dass ich Kompromisse eingehe. Ich sehe das definitiv anders. Als ich mit 17 Jahren die Gelegenheit bekam, in einer Tanzband einzusteigen, wollte ich das eigentlich nur eine Zeit lang machen, um das Geld zu verdienen, mir das Equipment für meine damalige Rockband zu verdienen. Dann hab ich aber relativ schnell für mich festgestellt, dass es mir gewissenermassen doch ne Menge bringt. Mal abgesehen von der Kohle, gib’s ein Vielfaches mehr an Anerkennung, als ich jemals mit meiner Rockband bekommen hab, und vermutlich in absehbarer Zeit bekommen würde. Außerdem gab es Gigs ohne Ende, die gut bezahlt wurden, so dass wir uns Equipment vom Feinsten leisten konnten, und es macht nun mal mehr Spaß, mit ner Vernünftigen Gitarre oder auch zwei auf die Bühne zu gehen als mit ner Herticaster, und nem ordentlichen Marken-Amp anstatt nem selbstgebauten. Mit 18 Jahren bin ich mal eben 300km nach Ibbenbüren gefahren und hab mit für 3690DM einen Korg Polysix gekauft, um unserem Keyboarder ein wenig zu unterstützen, mit 19 Jahren bin ich zu Amptown nach Hamburg gefahren und hab mir für 4800DM einen Mea Boogie Combo geholt - nur Beispiele, was Tanzmucke mal eben so ermöglicht.

Mit dem Repertoire hatte ich wenig Probleme, weil ich mit ner ziemlichen Bandbreite angefangen bei Oldies, Rock, Disco, aber auch Klassik, sogar Opern und Operetten aufgewachsen bin. Für mich war immer entscheidender, dass ich das Publikum damit erreichen konnte. Es gibt natürlich auch Songs, die ich nicht besonders mag. Ich hab daher durchaus viele schon verweigert, aber es haben mehr Songs nicht in die Setlist geschafft, weil sie uns nicht gelegen, oder weil wir sie nicht zufriedenstellend hinbekommen haben. Denn in einem sind wir uns immer treu geblieben: Keine Midifiles auf der Bühne. Entweder wir spielen's komplett von Hand oder wir lassen's. Da machen wir keine Kompromisse. Ich weiß, dass da andere eine unterschiedliche Ansicht haben, weniger stringent sind.
Was das Persönliche angeht, hab ich schon mal eine Band gewechselt. Der Bandgründer, und -leader hatte erhebliche musikalische Defizite, die wir getragen hätten, aber er hat das selbst erkannt, und hatte das hintenrum an mir, dem jüngsten Bandmitglied ausgelassen, indem er mich in anderer Weise klein gemacht und dann - was den Ausschlag gab - auf der Bühne vor den Gästen mit dummen Sprüchen bloßgestellt hat. In der folgenden Band war ich zwar wieder der Jüngste, war aber musikalisch anerkannt und auch, was die Bedienung der Technik anging.
Wenn ich mir die Tanzband heute anschaue, muss ich leider immer wieder feststellen, dass ich mich über die Jahre immer weiter entwickelt hab, die anderen irgendwie stehen geblieben sind. Klar, sie machen auch musikalisch nichts anderes, während ich immer noch andere Bands nebenbei hatte, wo es immer viele Herausforderungen gab. D.h. zum einen - um mal wieder zum Thema zurückzukommen - dass das musikalische Level sehr auseinanderklafft, das technische Verständnis noch mehr, ich rüste immer mehr auf, nutze neue Technik, musste jede Menge Überzeugungsarbeit leisten, damit wir auf Silent Stage umgestiegen sind, zum anderen bin ich auch der Treiber, suche die meisten neuen Songs raus und bereite sie vor, bin auch für die ganze Abwicklung angefangen bei den Verträgen, der Abrechnung mit den Veranstaltern, Verteilung der Gagen, Einreichen der Gewinn und Verlustrechnung für das Finanzamt zuständig, will damit sagen, dass auch die Arbeitsverteilung nicht gleich ist. Aber das sind alles Kompromisse, die ich mir selbst aufgeladen habe, mit denen ich aber auch gut klar komme. Ich bin halt so, dass ich beruhigter bin, wenn ich mich um Dinge kümmere, die wichtig sind, als dass ich da auf andere vertraue.
Privat? Wir kennen uns seit Jahrzehnten, trotzdem sind wir nicht unbedingt befreundet, außer dass wir uns auf den Geburtstagen treffen, auch selbstverständlich zu anderen Feierlichkeiten wie z.B. Silberhochzeiten einladen.
Politische Gespräche führen wir eher selten, weil wir da alle nicht so engagiert sind, auch keine extremen Meinungen haben. Andernfalls hätte ich da vermutlich schon ein Problem.

Ich hatte zwischenzeitlich auch Bands, die ich verlassen musste, und zwar nicht, weil innerhalb der Band irgendwas nicht funktionierte, sondern weil es mich einfach zeitlich zu sehr eingebunden hatte, und die Familie hätte zu sehr zurückstecken müssen. Es war aber bislang keine Band dabei, weswegen ich alternativ eine meiner anderen Bands verlassen hätte. Im Moment experimentiere ich einiges, weil aufgrund sowohl die Tanzband Zwangspause hat, aber auch die Rockcoverband nicht probt, auch keine Gigs in Aussicht hat. Da schaue ich trotzdem genau, was ich mache, erkenne, was mir nicht zusagt und klinke mich auch ganz schnell wieder aus. Entweder sagt mir das Repertoire nicht zu, oder musikalisch entspricht es nicht meinen Vorstellungen, oder andere Gründe.

Es ist vermutlich auch so, dass man in einer langjährigen Gemeinschaft - genau wie in einer Beziehung - weniger schnell die Reißleine zieht, also auch mehr Kompromisse hinnimmt, als wenn man gerade was neues anfängt. Dafür haben vor allem diejenigen, die wie ich und viele andere hier schon mehrere Jahrzehnte aktiv Musik machen, ausreichend Erfahrung auf dem Buckel.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 7 Benutzer
Hast völlig recht... prostituieren verwendet man ja (auch wenn es nicht wirklich passt) in erster Linie, wenn man etwas verarchtenswertes tut, um Geld zu verdienen. Entscheiden tut immer nur die Mucker-Polizei, was daran so abartig ist.
Ein Kumpel von mir, seit langem Schlagzeuger in einem Symphonieorchester, hat auch in seiner "Jugend" Tanzmucke gemacht. Und er steht dazu - und erzählt noch heute, wieviel Spaß es ihm gemacht hat.
Ich hätte daran vermutlich keinen Spaß gehabt, aber würde mich nie erdreisten, jemandem vorzuwerfen, an Musik Spaß zu haben, die mir nicht gefällt...
 
Du hast recht. Für den einen grenzt es halt an Prostitution, etwas von Helene Fischer zu spielen, mir macht es relative wenig aus, wenn ich damit jemanden im Publikum glücklich mache. Für mich hat eigentlich jede Art von Musik eine Daseinsberechtigung, auch wenn ich persönlich vieles nicht mag, vor allem, wenn Leute, die es eigentlich nicht drauf haben, so produziert und gepuscht werden, dass sie es damit in irgendwelche Charts schaffen, was leider gerade bei Schlager ziemlich häufig der Fall ist, weil auch gerade das Publikum dort nicht so sehr viel Ahnung von Musik hat, man schaue sich nur mal die typischen Schlagerveranstaltungen, moderiert von Leuten wie Florian Silbereisen, Stefan Mross und wie sie alle heißen, an. Wildecker Herzbuben, Amigos, Flippers sind dann eher die Herz-Schmerz Geschichte für Ü70, das ist dann noch was anderes, was mit Musik wenig zu tun hat, wo wir bislang auch weitestgehend drumherum gekommen sind.
Wenn ich mir aber auch aktuelle internationale Dancefloor Charts anschaue, da ist für mich kaum was dabei, was mich anspricht, was wir auch immer abwinken, wenn jemand mit solch einem Wunsch an uns herantritt. Das ist überwiegend im Studio produzierter, zusammengewürfelter (sorry) scheiß, mit dem ich überhaupt nichts anfangen kann, was man noch weniger live reproduzieren kann, es sei denn, man schmeißt Sequenzer, Groovemachines und Co an, was wir nun mal kompromisslos ablehnen.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
@dr_rollo : Ich sehe da echt nichts verwerfliches in Bezug auf Party- bzw. Tanzmusik, und von "sich prostituieren" zu sprechen ist schon eine harte Ansage in dem Zusammenhang! Ich meine, für eine Hochzeit oder einen großen Geburtstag würde ich mir nicht unbedingt eine Grindcore-Band buchen!? Die Szene an Tanzbands war hier vor Jahren auch schon wesentlich größer (wohne im Heidekreis, also direkt nebenan), da gab es schon ein paar "Knaller-Acts", die richtig Stimmung gemacht haben. Die Tendenz geht dann inzwischen wohl eher Richtung Alleinunterhalter bzw. DJ. Warum?? Entweder haben die Leute keinen Bock mehr auf Bands, oder keine Lust zu teilen, technischer Fortschritt (Workstations für Alleinunterhalter)...

Zum Thema Sympathie und Kompromisse:

Vor zwei Jahren haben wir mit einem Rapper ein Projekt gestartet - für einen größeren Gig suchte er eine Live-Band, damit seine Musik nicht vom Band läuft. Der Mensch war mir aus Gründen auf die ich nicht näher eingehen will doch recht unsympathisch (das hatte zumindest nichts mit Weltanschauung oder politische Gesinnung zu tun)...und mal abgesehen davon, dass ich mir auch in musikalischer Hinsicht nicht so recht vorstellen konnte, wohin die Reise geht behagte mir der Gedanke, mit ihm ein Jahr im Proberaum verbringen zu müssen noch weniger. Aber - mit gefangen - mit gehangen, wie es so schön heißt.
Es hat gar nicht so lange gedauert bis sich herausstelle, dass das musikalisch was werden könnte - wenn man bereit ist, persönliche Abneigungen auszublenden, dann lernt man relativ schnell, dass es im Proberaum dann doch eher auf ein respektvolles Miteinander und die musikalische Wertschätzung des anderen ankommt. Das schien bei uns beiden zu passen...heute sind wir zwar keine "BFFs", aber Kumpel allemal und ich weiß ihn inzwischen nicht nur als Musiker zu schätzen, sondern auch als sympathischen Menschen.
 
Toller thread- tolle Inputs..

Denke das mit die verschiedenen Genres miteinander zu vergleichen führt eh zu nix.

Ich hatte ja mal den Aspekt des Spielniveaus bzw. des musikalischen Anspruchs mit eingebracht.
Anspruch in dem Sinne einer bestmöglichen Qualität der leistbaren Darbietung..

und in dem Sinn - Helene Fischer ist auch nicht so mein Ding, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass die Combo Live nicht auf einem ziemlich hohen Niveau daherkommt.
Oberkrainer oder gute Bigband sind auch nicht meine Hörgewohnheiten, bin mir aber sicher kann man die mal Live hören und was die da so raushaun, da lachte dann der Musiker in mir.
Oder mal im TV kurz ein Interview gesehen mit Semino Rossi, ging grad um die Freude an der Musik..
Der schnappte sich dann abrupt die Gitarre und schmetterte von null paar Takte dazu raus mit einer Überzeugung, Können und einem strahlenden Lächeln - ein Vollblutmusiker.
würde mir im Traum nicht einfallen das nicht zu repektieren.

Anders herum könnte man durchaus mal überskizzieren z.b. in manchen Metal-darbietungen oder generell dort mancherlei Auftritt:
" Wow, erwachsene Männer im Dämonenlook, sogar maskiert ziehen ne grimmigste Show ab, flankiert von Monsterbildern... inhaltlich viel Devil, Death und Pain. Was soll der Mumpitz?"

Qualität ist also meiner Überlegung nach ein attraktives Argument, dass gemachter Musik immer gut bekommt.
Vorrangig denke ich da noch nicht mal ans Publikum sondern die eigene Motivation als Spieler.
Ich muss doch in oder an einem Song, den ich ev. zigfach immer wieder spiele, eine gewisse Qualität, einen Anreiz finden und aufrecht erhalten können,
sonst ists doch bald Essig mit der Spiellust..besonders wenn es ein Kompromiss-song wäre..

Auf die Fähigkeiten einzelner Mitspieler kann man den Begriff einer Qualität auch anwenden.
Drummers Aufgabe ist eine gewisse Timingfestigkeit, ein Rhythmusverständnis, aus den eigenen Fills rauszufliegen ist eins, dann aber falsch reinkommen ist Mist.
Ein Sänger oder eine Sängerin sollte ein ausgeprägtes Gefühl für Tonhöhe haben, wenn dann noch mit Glück Phrasierung dazukommt desto besser..
Wahrscheinlich aber der heikelste Job, ist ja schon so, dass die meissten Songkonzeptionen so gebaut sind, da ist die Band die macht das Gerüst und der Gesang ist
dann meisst die Haupthandlung die ganz vorne stattfindet..
Dazu muss der Gesang jedesmal aufs neue jeden Ton neu erfinden, intonieren. Er/sie kann sich nicht auf Bünde, gestimmte Tasten und Regler usw. berufen...

Mein Fazit: Qualität ist zwar nicht genau definiert passt aber ganz gut als meine Idee für ein sinnvolles Bindemittel, Auswahlkriterium oder Anreiz.
Natürlich kann man das nur verlangen, wenn man selbst bereit ist bei sich an Qualität zu arbeiten um eine solche bereitstellen zu können..
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
..." Wow, erwachsene Männer im Dämonenlook, sogar maskiert ziehen ne grimmigste Show ab, flankiert von Monsterbildern... inhaltlich viel Devil, Death und Pain. Was soll der Mumpitz?"...
ich sag ja schon immer, Musik, die der Show bedarf, ist bedürftig.:D

Ich (sehr persönlich) tu mir das nicht an. Ich bleib bei der Musik, die auch alleine für sich bestehen kann.
 
Ja, hätte man den Zwang zwischen zwei Events wählen zu müssen -
einerseits eine halb entblösste Helene Fischer die vor einem rumtänzelt oder nen grimmigen Unterwelt-Baron der einen mit furchteinflössender Absicht anschreit...
hm, was macht man da bloss ?
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 2 Benutzer
Ich fand es recht interessant, dass direkt als erstes der "ideologische Purity-Test" kam, also dass man politisch-weltanschaulich auf einer Linie ist.

In der Band meines Bruders, mit der ich jahrelang aktiv war, waren der Drummer und sein Flöte/Saxofon-spielender Bruder Öko-Hippies, der Keyboarder eher konservativ-liberal, der Bassist Polizist und mein Bruder und ich irgendwo dazwischen.

Und wir haben nur eigene Songs gespielt. Gerade da würde man ja denken, dass dafür die Weltanschauungen eher überlappen müssten als bei Cover-Songs - weil man ja mit dem Inhalt vermeintlich eine gemeinsame Aussage tätigt. Von Punk/Alternative und anderen dezidiert politischen Bands einmal abgesehen scheint es mir aber meistens so zu sein, dass es 1-2 songschreibende Zugpferde gibt, der Rest sind (wenn es gut läuft funktionierende) Mitläufer, und denen ist der Text meistens ähnlich egal wie dem Großteil des Publikums. :D

Wenn sich diese politische Übereinstimmung nur darauf bezieht, dass man gerne mit Leuten in einer Band wäre, die alle auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen ;) , denke ich, die Wahrscheinlichkeit, mit einem Extremisten in einer Band zu landen, wird in der heutigen Cancel Culture deutlich überschätzt und ist statistisch gesehen äußerst gering.

Also, solange man sich nicht beim gemeinsamen Bierchen gegenseitig missioniert, was man essen sollte und was nicht, müssen die Unterschiede im handelsüblichen Spektrum der Weltanschauungen gar nicht einmal so oft zum Thema werden. ;)



Bei meiner jetzigen Musik hingegen spielt die Weltanschauung eine größere Rolle. Unter anderem deshalb mache ich sie alleine. ;) Nicht, weil ich selbst ideologisches "Purity-Testing" mit etwaigen Bandkollegen durchführen würde - sondern einfach, weil nicht viele diese Weltanschauung teilen und deshalb nur wenige den Songs inhaltlich zustimmen wollen werden. Weil die Texte eher philosophischer Natur sind und sich um den Kosmos und die Evolution drehen, mit der ein oder anderen pessimistischen Schlussfolgerung daraus. Für die meisten Menschen ist das eher eine Spaßbremse.

Da wäre es im Zweifel weniger kontrovers, mit ein paar Death-Metal-Kollegen über fröhlichen Kettensägensport zu grunzen, weil da die Texte so over-the-top sind, dass allen klar ist, dass man nichts davon ernst meint. :D
 
Irgendwo schade, dass es auch hier unter uns eigentlich doch recht "weltoffenen" Musikern so viel "Schubladen-Schwarz-Weiß-Denken" gibt...ich wage zumindest nicht zu beurteilen, ob eine Frau Fischer oder ein Herr Silbereisen an ihrer Arbeit nicht genau so viel Spaß haben wie ein Herr Hudson oder ein Herr Clapton?

@ThisErik : Du fragtest ja nach musikalischem Anspruch - da bin ich tatsächlich dann wenig kompromissbereit wenn es darum geht, die Sache einem (zahlenden) Publikum darzubieten. Wenn es also aus dem Proberaum hinaus auf die Bühne gehen soll bin ich sehr kritisch - vielleicht manchmal auch überkritisch (worunter des öfteren auch meine Bandkollegen leiden mußten). Mit "überkritisch" meine ich vor allem, dass sich das "gemeine" Publikum in der Hinsicht als viel weniger kritisch erwiesen hat, als das das bei mir der Fall im Hinblick auf "musikalische Unzulänglichkeiten" wäre. Da stehe ich mir selbst und anderen gerne mal im Weg - da ist dann wiederum von meinen Mitstreitern Kompromissbereitschaft gefragt, wenn ich mal wieder die Bandzicke-Motzkuh raushängen lasse.
 
Och Schubladen sind schon auch ganz ok. Kennt man ja von daheim.
Silbereisen z.B. ist ein Moderator und kein Sänger.
Also Schublade für nervige Moderatoren mit rrrolllendem R auf, Silbereisen rein, Schublade zu. auf Nimmerwiedersehen, passt doch.

Da muss man zu nichtmal überkritisch sein..lol
 
@dr_rollo , vielen Dank für diese „Relativierung“ der Dinge...
„Tanzmusik“ war in den 80-90ern schon ein Reizwort und es war in der Tat so, dass viele „Rocker“ einerseits darauf -günstigsten Falls - herab geschaut haben, andererseits aber wirklich nicht mal in der Lage waren, sich halbwegs vernünftiges Equipment zu leisten. So war das häufig eine merkwürdige Melange aus Neid und Ablehnung.
Viel von dieser Einstellung war und ist aber auch schlicht pubertäres „sich und alles viel zu wichtig nehmen“.
Nichtsdestotrotz, differenziere ich dennoch völlig Genre-unabhängig bei den Stücken, zwischen denen, die irgendwie etwas haben und denen, die mir einfach nichts geben oder die ich einfach doof finde.
So würde ich aus reinem Spass durchaus alte Sachen von Freddy Quinn spielen, wogegen Helene Fischer zu spielen, mir wirklich physische Schmerzen bereitet.
Zum Glück sind wir als Band in der Situation, dass letzteres von uns schwerlich erwartet werden würde. Im Gegenteil, wir würden einen guten Teil des Publikum eher zum Gehen veranlassen, würden wir „solche“ Musik spielen. Von daher passt alles.
Aber wenn man sich breiter aufstellen, mehr Gigs und mehr Gage möchte, muss man „liefern“. Das als Prostitution zu bezeichnen ist natürlich einfach nur dummes Gerede. Ansonsten würde sich jeder, der seine Leistung gegen Einwurf von Münzen, anbietet und erbringt, sich prostituieren, weil selten entspricht da jeder Auftrag einer Verwirklichung von Lebensträumen....
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Hi,



und wie sähe es aus, wenn Du Nummern spielen müsstest, deren Text deiner Weltanschauung wiederspricht?


Was für Lieder wären denn das zum Beispiel? Ich habe gerade keine Idee worauf du hinaus willst....
 
Viele behaupten, dass ich, weil ich Tanzmucke mache, mich mehr prostituiere als dass ich Kompromisse eingehe. Ich sehe das definitiv anders. Als ich mit 17 Jahren die Gelegenheit bekam, in einer Tanzband einzusteigen, wollte ich das eigentlich nur eine Zeit lang machen, um das Geld zu verdienen, mir das Equipment für meine damalige Rockband zu verdienen. Dann hab ich aber relativ schnell für mich festgestellt, dass es mir gewissenermassen doch ne Menge bringt. Mal abgesehen von der Kohle, gib’s ein Vielfaches mehr an Anerkennung, als ich jemals mit meiner Rockband bekommen hab, und vermutlich in absehbarer Zeit bekommen würde. Außerdem gab es Gigs ohne Ende, die gut bezahlt wurden, so dass wir uns Equipment vom Feinsten leisten konnten, und es macht nun mal mehr Spaß, mit ner Vernünftigen Gitarre oder auch zwei auf die Bühne zu gehen als mit ner Herticaster, und nem ordentlichen Marken-Amp anstatt nem selbstgebauten. Mit 18 Jahren bin ich mal eben 300km nach Ibbenbüren gefahren und hab mit für 3690DM einen Korg Polysix gekauft, um unserem Keyboarder ein wenig zu unterstützen, mit 19 Jahren bin ich zu Amptown nach Hamburg gefahren und hab mir für 4800DM einen Mea Boogie Combo geholt - nur Beispiele, was Tanzmucke mal eben so ermöglicht.

"Prostitution" ist vielleicht ein etwas hartes Wort, aber letzten Endes geht es darum, dass man für Geld etwas tut, das man ohne diesen Geldanreiz wohl eher nicht tun würde. Und das vor Leuten, mit denen man normalerweise seine Zeit nicht verbringen würde.
Insofern habe ich meine Tanzmuckerzeit schon als eine Art Prostitution gesehen. Mir war aber auch immer klar, dass es für mich die wohl angenehmste Art war, mein Studium und mein Hobby zu finanzieren. Klar, die Samstagabende (und manchmal auch die Freitag- und Sonntagabende) waren hinüber, mit Kumpels abhängen oder irgendwohin gehen war halt nicht - ich weiß noch genau, wie blöd ich dass damals fand, als meine Kumpels zum "The Wall"-Konzert nach Berlin gefahren sind, während ich an dem Abend auf einer Dorfkirmes auf der Bühne stand, aber andererseits hatte (und habe) ich nunmal ein kostspieliges Hobby und das konnte ich mir durch die damals noch gut bezahlte Tanzmucke locker finanzieren und es blieb auch immer noch mehr als genug übrig. Und anders als meine Mitstudenten musste ich nicht sechs Wochen in den Semsterferien am Fließband stehen, sondern hatte in der Regel einen angenehmen Arbeitsplatz mit (meistens) gutem Essen und ausreichend Getränken.
Und ich kann auch @dr_rollo |s Touren gut nachvollziehen - ich bin halt nach Köln in den Store und in ein kleines, chaotisches, aber irre sympathisches Musikgeschäft in meiner Nähe gepilgert und hab den Herrschaften da mein Geld für diverse schweineteure Synthis entgegen geworfen.

Heute würde ich keine Tanzmusik mehr machen wollen (um zum Thema Kompromiss zurückzukehren), auch wenn ich mit meiner Band immer noch tanzbare Musik mache.
Der Riesenunterschied zu damals ist für mich, dass wir damals Dienstleister waren, bis zu einem gewissen Punkt zwar individuell (und auch ziemlich gut, wie ich selbst heute noch feststellen muss), aber trotzdem austauschbar, weil wir die bestellte Musik abgeliefert haben und heute zunächst einmal die Musik machen, die uns Spaß macht, bei der wir aber gleichzeitig das große Glück haben, dass sie offenbar genügend Leuten gefällt, die dann bereit sind, Eintritt zu zahlen, um genau uns zu hören. Zumindest (hoffentlich) ab dem nächsten Jahr wieder.

Übrigens, falls es irgendwer hier im Forum tatsächlich noch nicht kennen sollte: "Fleisch ist mein Gemüse" von Horst Strunk ist die exakteste und ehrlichste Beschreibung vom Leben als Tanzmucker, die ich mir vorstellen kann. Eine unbedingte Leseempfehlung!
 
Zuletzt bearbeitet:
  • Gefällt mir
Reaktionen: 1 Benutzer
Was für Lieder wären denn das zum Beispiel? Ich habe gerade keine Idee worauf du hinaus willst....

Na gut, dann halt im Klartext: Wenn jetzt der Sänger z.B. mit einem Text daherkommen würde, der Reichsbürger und Coronaverschwörungsgedanken oder rechtes Gedankengut transportiert.
 
"Prostitution" ist vielleicht ein etwas hartes Wort, aber letzten Endes geht es darum, dass man für Geld etwas tut, das man ohne diesen Geldanreiz wohl eher nicht tun würde.
Na ja, wenn ich kein Geld dafür bekäme, würde ich jetzt auch nicht im Büro sitzen, sondern lieber zuhause rumgammeln oder irgendetwas tun, wofür mir leider niemand etwas bezahlt...
Nach der Definition wären also wohl mindestens 80% aller Arbeitnehmer Prostituierte....
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer
Na gut, dann halt im Klartext: Wenn jetzt der Sänger z.B. mit einem Text daherkommen würde, der Reichsbürger und Coronaverschwörungsgedanken oder rechtes Gedankengut transportiert.

Ah ok, da lag mein Gedankenfehler.
Ich spiele in Coverbands. Das bedeutet, wir spielen keine eigenen Songs. Und die Lieder die wir picken sind häufig in den Charts gewesen. Da mir kein "problematisches" Lied eingefallen ist, deshalb meine Nachfrage.
Aber wenn du von eigenen Songs sprichst dann kann dies natürlich der Fall sein.

Wie ich bereits im vorangegangenen Post geschrieben habe machen wir Musik und keine Politik.
Ich würde den Sänger bitten, doch Themen zu wählen die für gute Stimmung und Party sorgen und nicht sozialkritisch oder dergleichen sind.
Ich will mit Musik unterhalten. Nichts anderes ist mein Anspruch. Die Welt verändern (egal in welche Richtung) das sollen andere tun.
 
Na ja, wenn ich kein Geld dafür bekäme, würde ich jetzt auch nicht im Büro sitzen, sondern lieber zuhause rumgammeln oder irgendetwas tun, wofür mir leider niemand etwas bezahlt...
Nach der Definition wären also wohl mindestens 80% aller Arbeitnehmer Prostituierte....

Ja, ich hader ja selber auch immer etwas mit dieser Bezeichnung, vor Allem, weil das suggeriert, dass ich Prostitution für etwas verwerfliches halte.
Es gab halt Abende, nach denen ich total zufrieden war, weil irgendwie alles gestimmt hat und es gab Abende, nach denen ich mich - in Ermangelung besserer Worte - irgendwie "schmuddelig" fühlte, weil ich (für meinen Geschmack) furchtbare Musik für ein furchtbares Publikum gespielt habe. Und das war dann wirklich so ein Gefühl von "für Geld die musikalischen Beine breit machen".
Das war zum Glück nicht die Regel, sonst hätte ich bei aller Kohle, die letztlich doch leicht verdient war, viel früher mit der Tanzmucke aufgehört.

Mir fällt halt kein besserer Begriff ein - und natürlich gilt es für fast jeden Beruf, dass man ihn (auch) macht/machen muss, um damit Geld zu verdienen.
Für alternative Bezeichnungen, um so eine Situation zu benennen, wäre ich natürlich höchst dankbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kompromisse einzugehen, hat mich schon oft musikalisch weitergebracht.
Der wohl erste Kompromiss hat mich zum Bass gebracht. Der letzte Kompromiss hat mich letzten Sommer ( nun nach 15 Jahren) zusätzlich nun endlich zu Roundwounds und dem Spielen mit Plek gebracht.
 
..., für eine Hochzeit oder einen großen Geburtstag würde ich mir nicht unbedingt eine Grindcore-Band buchen!?
...ist auch kaum geeignet. Selbst Bekannte, die ich aus der Rockmusikszene kenne, haben sich für ihre Hochzeit Tanzmusik gebucht. Die typische Hochzeit - zumindest wie ich sie hier auf dem Land kenne - ist immer eine gemischte Gesellschaft mit Alter von 16-70 Jahren. Da muss man schon ein breites Repertoire in petto haben, sonst bräuchte man die popelige Verwandschaft nicht einzuladen. Und Anfragen, wo es von Anfang an hieß: ' Kein Schlager, kein Wolle Petri, kein Andrea Berg, wir wollen nur gute alte Rockmusik!' habe ich wohlweislich entweder gleich nicht angenommen, oder überzeugt, dass das meiner Erfahrung nichts wird. Wir haben sowas natürlich auch im Programm, und spielen das auch, wenn's gefragt ist. Aber auf der Hochzeit wird in der Regel erwartet, dass man mit Tante, Oma Onkel und Opa tanzt, und da braucht man nun mal passende Gammel- oder Discofox Allrounder.
Die Szene an Tanzbands war hier vor Jahren auch schon wesentlich größer (wohne im Heidekreis, also direkt nebenan), da gab es schon ein paar "Knaller-Acts", die richtig Stimmung gemacht haben.
Das stimmt. Liegt aber weniger daran, dass sich da keine Bands mehr zusammenfinden, sondern mehr, dass die Nachfrage nach solchen Bands nicht mehr so hoch ist wie früher. Ich hab früher bis zu 150 Gigs im Jahr gespielt, und konnte da 15 Jahre komplett von leben. Heute reicht's bei weitem nicht einmal mehr zum Überleben.
Die Tendenz geht dann inzwischen wohl eher Richtung Alleinunterhalter bzw. DJ. Warum?? Entweder haben die Leute keinen Bock mehr auf Bands, oder keine Lust zu teilen, technischer Fortschritt (Workstations für Alleinunterhalter)...
Zum einen sind die Veranstaltungen sind nicht nur weniger geworden, sondern die Vereine haben Probleme, ausreichend Gäste zusammen zu bekommen, so dass sie sich oft keine 4-5-Personen-Liveband mehr leisten können oder wollen. Zum anderen wollen die jüngeren eher nen DJ, weil der noch breiteres und vor allem aktuelleres Programm liefern kann - so meine Erfahrung.

..., solange man sich nicht beim gemeinsamen Bierchen gegenseitig missioniert, was man essen sollte und was nicht, müssen die Unterschiede im handelsüblichen Spektrum der Weltanschauungen gar nicht einmal so oft zum Thema werden.
Entspricht voll meiner Erfahrung!

Mir war aber auch immer klar, dass es für mich die wohl angenehmste Art war, mein Studium und mein Hobby zu finanzieren. Klar, die Samstagabende (und manchmal auch die Freitag- und Sonntagabende) waren hinüber, mit Kumpels abhängen oder irgendwohin gehen war halt nicht -
Ich hatte während meiner Abi-Zeit als einer der wenigen ein eigenes Auto - und das war nicht Daddy- oder Oma-gesponsert ;) Und ja, ich hab damit auch meine Ausbildung, meine Zivildienst-Zeit und mein Studium selber finanziert, sogar mit eigener Familie. Ja, auch für die Familie war es oft hart, für meine Frau, wenn sie an den Wochenenden alleine zu Hause sitzen musste, und meine erste Ehe ist dadurch auch den Bach runtergegangen.

Heute würde ich keine Tanzmusik mehr machen wollen ...
Ich würde zumindest in keiner neuen Band mehr einsteigen. Wenn die aktuellen Band mal aufhört, war's das für mich dann wohl auch. Ich mach das eh nicht mehr wegen des Geldes. Die max 20 Gigs im Jahr nehme ich gerne noch mit, finanziere dadurch immer noch neues Equipment, ohne dass ich die Haushaltskasse belasten muss, oder mit meiner Frau zu diskutieren, und es bleibt immer noch was über.
"Fleisch ist mein Gemüse" von Horst Strunk ist die exakteste und ehrlichste Beschreibung vom Leben als Tanzmucker, die ich mir vorstellen kann. Eine unbedingte Leseempfehlung!
Ja und nein. Ist sehr amüsant, und ist auch vieles wahr, und man erkennt eine Menge Übereinstimmungen mit seinen eigenen Erfahrungen als Tanzmucker. Ist allerdings unnötig ein wenig zu viel durch den Kakao gezogen dargestellt.
 
  • Gefällt mir
Reaktionen: 3 Benutzer

Unser weiteres Online-Angebot:
Bassic.de · Deejayforum.de · Sequencer.de · Clavio.de · Guitarworld.de · Recording.de

Musiker-Board Logo
Zurück
Oben