Viele behaupten, dass ich, weil ich Tanzmucke mache, mich mehr prostituiere als dass ich Kompromisse eingehe. Ich sehe das definitiv anders. Als ich mit 17 Jahren die Gelegenheit bekam, in einer Tanzband einzusteigen, wollte ich das eigentlich nur eine Zeit lang machen, um das Geld zu verdienen, mir das Equipment für meine damalige Rockband zu verdienen. Dann hab ich aber relativ schnell für mich festgestellt, dass es mir gewissenermassen doch ne Menge bringt. Mal abgesehen von der Kohle, gib’s ein Vielfaches mehr an Anerkennung, als ich jemals mit meiner Rockband bekommen hab, und vermutlich in absehbarer Zeit bekommen würde. Außerdem gab es Gigs ohne Ende, die gut bezahlt wurden, so dass wir uns Equipment vom Feinsten leisten konnten, und es macht nun mal mehr Spaß, mit ner Vernünftigen Gitarre oder auch zwei auf die Bühne zu gehen als mit ner Herticaster, und nem ordentlichen Marken-Amp anstatt nem selbstgebauten. Mit 18 Jahren bin ich mal eben 300km nach Ibbenbüren gefahren und hab mit für 3690DM einen Korg Polysix gekauft, um unserem Keyboarder ein wenig zu unterstützen, mit 19 Jahren bin ich zu Amptown nach Hamburg gefahren und hab mir für 4800DM einen Mea Boogie Combo geholt - nur Beispiele, was Tanzmucke mal eben so ermöglicht.
Mit dem Repertoire hatte ich wenig Probleme, weil ich mit ner ziemlichen Bandbreite angefangen bei Oldies, Rock, Disco, aber auch Klassik, sogar Opern und Operetten aufgewachsen bin. Für mich war immer entscheidender, dass ich das Publikum damit erreichen konnte. Es gibt natürlich auch Songs, die ich nicht besonders mag. Ich hab daher durchaus viele schon verweigert, aber es haben mehr Songs nicht in die Setlist geschafft, weil sie uns nicht gelegen, oder weil wir sie nicht zufriedenstellend hinbekommen haben. Denn in einem sind wir uns immer treu geblieben: Keine Midifiles auf der Bühne. Entweder wir spielen's komplett von Hand oder wir lassen's. Da machen wir keine Kompromisse. Ich weiß, dass da andere eine unterschiedliche Ansicht haben, weniger stringent sind.
Was das Persönliche angeht, hab ich schon mal eine Band gewechselt. Der Bandgründer, und -leader hatte erhebliche musikalische Defizite, die wir getragen hätten, aber er hat das selbst erkannt, und hatte das hintenrum an mir, dem jüngsten Bandmitglied ausgelassen, indem er mich in anderer Weise klein gemacht und dann - was den Ausschlag gab - auf der Bühne vor den Gästen mit dummen Sprüchen bloßgestellt hat. In der folgenden Band war ich zwar wieder der Jüngste, war aber musikalisch anerkannt und auch, was die Bedienung der Technik anging.
Wenn ich mir die Tanzband heute anschaue, muss ich leider immer wieder feststellen, dass ich mich über die Jahre immer weiter entwickelt hab, die anderen irgendwie stehen geblieben sind. Klar, sie machen auch musikalisch nichts anderes, während ich immer noch andere Bands nebenbei hatte, wo es immer viele Herausforderungen gab. D.h. zum einen - um mal wieder zum Thema zurückzukommen - dass das musikalische Level sehr auseinanderklafft, das technische Verständnis noch mehr, ich rüste immer mehr auf, nutze neue Technik, musste jede Menge Überzeugungsarbeit leisten, damit wir auf Silent Stage umgestiegen sind, zum anderen bin ich auch der Treiber, suche die meisten neuen Songs raus und bereite sie vor, bin auch für die ganze Abwicklung angefangen bei den Verträgen, der Abrechnung mit den Veranstaltern, Verteilung der Gagen, Einreichen der Gewinn und Verlustrechnung für das Finanzamt zuständig, will damit sagen, dass auch die Arbeitsverteilung nicht gleich ist. Aber das sind alles Kompromisse, die ich mir selbst aufgeladen habe, mit denen ich aber auch gut klar komme. Ich bin halt so, dass ich beruhigter bin, wenn ich mich um Dinge kümmere, die wichtig sind, als dass ich da auf andere vertraue.
Privat? Wir kennen uns seit Jahrzehnten, trotzdem sind wir nicht unbedingt befreundet, außer dass wir uns auf den Geburtstagen treffen, auch selbstverständlich zu anderen Feierlichkeiten wie z.B. Silberhochzeiten einladen.
Politische Gespräche führen wir eher selten, weil wir da alle nicht so engagiert sind, auch keine extremen Meinungen haben. Andernfalls hätte ich da vermutlich schon ein Problem.
Ich hatte zwischenzeitlich auch Bands, die ich verlassen musste, und zwar nicht, weil innerhalb der Band irgendwas nicht funktionierte, sondern weil es mich einfach zeitlich zu sehr eingebunden hatte, und die Familie hätte zu sehr zurückstecken müssen. Es war aber bislang keine Band dabei, weswegen ich alternativ eine meiner anderen Bands verlassen hätte. Im Moment experimentiere ich einiges, weil aufgrund sowohl die Tanzband Zwangspause hat, aber auch die Rockcoverband nicht probt, auch keine Gigs in Aussicht hat. Da schaue ich trotzdem genau, was ich mache, erkenne, was mir nicht zusagt und klinke mich auch ganz schnell wieder aus. Entweder sagt mir das Repertoire nicht zu, oder musikalisch entspricht es nicht meinen Vorstellungen, oder andere Gründe.
Es ist vermutlich auch so, dass man in einer langjährigen Gemeinschaft - genau wie in einer Beziehung - weniger schnell die Reißleine zieht, also auch mehr Kompromisse hinnimmt, als wenn man gerade was neues anfängt. Dafür haben vor allem diejenigen, die wie ich und viele andere hier schon mehrere Jahrzehnte aktiv Musik machen, ausreichend Erfahrung auf dem Buckel.