Klavierspielen lernen mit Bach und Co.

  • Ersteller Pianoteq
  • Erstellt am
Die folgende relativ einfache Übung wird durch definitionsgemäße Kenntnis der verwendeten Begriffe und Symbole sowie dem "praktischem" Wissen zu Regeln der Stimmführung im vierstimmigen Satz und nicht zuletzt Notation überhaupt erst lösbar.
Du trägst aber schon ein bisschen dicke auf ;)

Ja, so ein Zeugs wird auch in meinem Paul-Schenk-Notenbuch unterrichtet. Die Funktionsbezeichnungen halt.
Aber ich finde aus jetziger Sicht, dass einiges davon auch unnötig ist - oder einfacher erklärt werden kann.

ZB gleich die zweite Harmonie, Hm7 vor E und A ist ja eine II-V-I - dass H-Moll die Subdominantparallele ist, ist da eigentlich unerheblich. Ich finde das viel anschaulicher, wenn ich mir H-Moll als Molldominante vor E-Dur vorstelle. Da hatte ich mir aber auch schon mal einen Rüffel von Cudo abgeholt, dass man das nicht als Molldominante auffassen darf.... für mich ist das aber musikalisch schlüssig und anschaulicher, als wenn ich den Umweg über die Subdominante denken muss.

Und zB weiß ich nicht mehr, was die durchgestrichene Dominante bedeutet. Deutet also zumindest für mich darauf hin, dass es sich um relativ theoretische Herangehensweise handelt.
Trotzdem kann es nicht schaden! Man lernt auf jeden Fall was gutes.

Aber wenn Pianoteq will, kann man das kleine Beispiel ja mal hier machen.

Der erste Schritt wäre: Aus der Bezeichnung unten überlegt man sich, welche Tonart das ist und schreibt den Basston hin. Eine "3" drunter bedeutet, dass nicht der Grundton, sondern die Terz des Akkordes im Bass steht.
 
Es gibt schon ein paar Sachen, mit denen man arbeiten kann, aber eben nur wenige. Hier dieses Buch ist eines davon.

The Art of Partimento.jpg



Robert Gjerdingen hat eine Webseite partimenti.org und das Buch von John Mortensen über historische Improvisation ebenso wie sein Online-Kurs dazu sind auch eine gute Quelle. Auf YouTube gibt es den Kanal „En blanc et noir“, trotz des französischen Namens von einem Deutschen betrieben und auf Englisch eingesprochen, der sich sehr mit den verschiedenen Konzepten beschäftigt und sogar Beispiele gibt.


View: https://youtu.be/uXU9BiV48kY?si=MgMR1u-Gv2FgIibU

Und dann gibt es auch noch den Kanal des Italieners, den ich oben schon angesprochen hatte.


View: https://youtu.be/dHXI5-qJXWQ?si=_v_SaWzlyz47hwYU

Und das ist nur eine Auswahl. Es gibt noch mehr. Ich war sehr überrascht, wie sehr sich dieses Konzept oder die Beschäftigung damit in den letzten Jahren verbreitet hat. Worüber ich mich jetzt sehr freue, denn sonst hätte ich vermutlich nie etwas davon gehört.

Bisher war ich immer nur auf Jazz-Improvisation und ähnliches gestoßen, was mich persönlich jetzt nicht so angesprochen hat. Robert Gjerdingen nennt die Funktionstheorie und alles Lernen nach römisch nummerierten Akkorden in dem oben verlinkten Video sogar „clueless“, was ich jetzt nicht so beurteilen kann. Aber er sieht das natürlich von einem sehr hohen Niveau aus ebenso wie John Mortensen. Es hat eben jeder so seine Meinung, und darüber kann man nicht streiten. Außerdem verstehen diese Leute tausendmal mehr von Musik als ich, und somit akzeptiere ich das mal einfach so als eine Möglichkeit, die Dinge zu sehen.
 
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Und das ist nur eine Auswahl. Es gibt noch mehr. Ich war sehr überrascht, wie sehr sich dieses Konzept oder die Beschäftigung damit in den letzten Jahren verbreitet hat.
Es war auch vorher verbreitet, lange bevor es youtube gab.

Robert Gjerdingen nennt die Funktionstheorie und alles Lernen nach römisch nummerierten Akkorden in dem oben verlinkten Video sogar „clueless“, was ich jetzt nicht so beurteilen kann.
Funktionstheorie ist meiner Meinung nach genau die andere Herangehensweise als die Stufen.
Beides hat seine Berechtigung. Ob jemand "clueless" ist, hat damit nichts zu tun, so sehe ich das jedenfalls. Aber ich habe das Video auch nicht gesehen.

Darf ich eine wirklich gut gemeinte, überhaupt nicht überhebliche Meinung schreiben - um Missverständnisse zu vermeiden?
Ich würde echt empfehlen, jetzt mal was praktisches zu machen und nicht endlos von Video zu Video zu switchen. Es gibt viele Herangehensweisen an das Thema, die dich alle weiterbringen. Aber um was zu lernen, muss man am Instrument arbeiten und Noten schreiben.

Wenn du so in dem Stil improvisieren willst, dann könntest Du Dir auch einen Kirchenmusiker-in / Organisten in Deiner Nähe suchen. Die haben das gelernt, und viele können auch super im alten Stil improvisieren. Die Grundlagen kann Dir so jemand bestimmt viel effektiver beibringen.
 
Es war auch vorher verbreitet, lange bevor es youtube gab.
Ich meinte jetzt, allgemein verbreitet, eben auch auf YouTube. Was in Musikerkreisen üblich ist, weiß man ja nicht, wenn man kein Musiker ist. Jetzt bekommt man das aber auch dann mit, wenn man eben nicht so drin ist in diesen Kreisen. Es ist in dieser Form jetzt nicht mehr so viel „Spezialwissen“, von dem nur einige wenige wissen, sondern auch die Allgemeinheit hat darauf Zugriff.

Du würdest sagen, jeder Klavierlehrer hat das schon vorher unterrichtet und jeder Klavierschüler hat das schon immer gelernt? Alle Aussagen, auf die ich jetzt gestoßen bin, sagen, dass das nur sehr, sehr wenige waren, Kirchenmusiker zum Beispiel, die das (eventuell) gelernt haben, nicht jeder, der Klavier gelernt hat. Und zumindest die Leute, die ich kennengelernt habe, die als Kinder oder Erwachsene Klavier gelernt haben, haben noch nie etwas davon gehört, mich bis vor kurzem eingeschlossen.

Ich würde echt empfehlen, jetzt mal was praktisches zu machen und nicht endlos von Video zu Video zu switchen. Es gibt viele Herangehensweisen an das Thema, die dich alle weiterbringen. Aber um was zu lernen, muss man am Instrument arbeiten und Noten schreiben.
Genau. Darauf arbeite ich hin, indem ich mir diese Sachen ansehe. Langsam geht es mir besser, ich bin nicht mehr so krank, und morgen habe ich Klavierstunde, und ich hoffe, die kann ich auch tatsächlich durchhalten. So wie ich mich jetzt fühle, denke ich aber schon. Und damit beginnt dann hoffentlich der praktische Teil. Denn ich möchte das jetzt wirklich gern umsetzen.

Theoretisch ist das ja auch gar nicht so schwer, ehrlich gesagt. Wenn ich mir das theoretisch anschaue, sehe ich da keine großen Schwierigkeiten. Wenn ich aber meine Fähigkeiten am Klavier betrachte, sehe ich da schon einiges an Schwierigkeiten, das umzusetzen. 😄 Ich muss mal schauen, wie ich das übereinbringen kann.
 
Du würdest sagen, jeder Klavierlehrer hat das schon vorher unterrichtet und jeder Klavierschüler hat das schon immer gelernt?
Natürlich nicht jeder, aber es war auch kein Geheimwissen ;)
Es gab dazu ja auch viel Literatur (das ist das, was man zum Lernen genutzt hat, bevor es youtube gab).
Im Gegensatz zum Jazz zum Beispiel, da gab es nicht viel an Unterrichtsmaterial.
 
Geheimwissen nicht, aber ein nicht sehr verbreitetes Wissen. Denn um das in Büchern nachzuschlagen, muss man ja erst einmal wissen, dass es das gibt. Erst in den letzten Jahren ist da anscheinend einiges passiert, dass es bekannter wird. Wie viel Literatur es auch immer zu einem Thema gibt, die kennt man nicht, wenn man nie darüber stolpert. Was man normalerweise bei so etwas wie Partimento nicht tut, außer man macht eine musikalische Ausbildung in Richtung vielleicht Komposition oder so etwas. Also könnte man es doch so etwas wie Geheimwissen nennen, denn die große Mehrheit der Bevölkerung weiß nichts davon. Und die große Mehrheit der Klavierschüler bisher wohl auch nicht.

Aber ich habe morgen einen Termin mit "Richardus Cochlearius". :) Er hat mir sehr nett auf meine Anfrage geantwortet und mir gleich für morgen einen Videocall angeboten. Da habe ich natürlich sofort zugegriffen. Das heißt, ich werde jetzt Partimento lernen. Darauf freue ich mich ganz gewaltig. (y)
 
Mein Problem ist, dass meine Herangehensweise nicht zu der heute üblichen Herangehensweise, wie man Klavierspielen lernt, passt. Ich habe die ganze Zeit das Gefühl gehabt, mir fehlt etwas. Es gibt Leute, die lernen sehr gut und einfach mit den Apps, die es so gibt, wie SimplyPiano, FlowKey, Skoove, Synthesia usw. Ich konnte damit überhaupt nichts anfangen.

Dann gibt es Leute, die durchaus Erfolg damit haben, sich YouTube-Videos anzusehen, in denen gezeigt wird, welche Finger man wann auf welche Taste legen muss. Sie machen das nach und können manchmal tatsächlich so gut spielen, dass man kaum glauben mag, dass sie ein Stück so gelernt haben. Ich habe das mal bei einem jungen Mann gesehen, der sich als Teenager und junger Erwachsener verschiedene Stücke selbst so beigebracht hat, ohne vorher je Unterricht gehabt zu haben. Ziemlich anspruchsvolle Stücke sogar, und wenn er gespielt hat, hätte man das nicht für möglich gehalten. Es klang sehr gut, seine Bewegungen sahen gut aus, und man hätte gedacht, er spielt schon seit seiner Kindheit, mit ordentlichem Unterricht.

Er hatte allerdings nie Noten gelernt, sondern spielte alles auswendig, weil er ja immer nur die Videos nachgeahmt hat. Dennoch muss er eine große innere Musikalität gehabt haben – wenn man das so benennen kann, mir fehlt eine bessere Benennung –, um das tun zu können, denn bei den meisten, die es sich auf diese Art beigebracht und die ich gesehen habe, funktioniert das so nicht. Die Handhaltung wirkt oft sehr verkrampft oder der Rhythmus stimmt nicht oder der musikalische Fluss, die Phrasierung, was auch immer. Es wirkt stümperhaft. Bei ihm und einigen anderen, die so gelernt haben, wirkte das nicht so.

Ich würde mal gern wissen, wie sich das statistisch verteilt. Das kann man aus irgendwelchen Videos natürlich nicht entnehmen, denn es gibt eine Menge Leute, die keine Videos hochladen. Das ist immer nur eine sehr kleine Gruppe, die man da sieht.

Noch eine Gruppe sind die Leute, die gern mit Akkorden arbeiten und von Anfang an improvisieren wollen. Sie lernen die Akkorde und Akkordverbindungen und sind damit auch ziemlich glücklich.

Zum Schluss gibt es diejenigen, die wie ich ganz klassisch nach Noten lernen. Egal, ob das nun Noten von Bach oder Mozart oder Martha Mier sind. Man spielt das nach, was in den Noten steht, und versucht, das möglichst gut und anhörbar zu tun.

Die ersten beiden Methoden, mit einer App oder durch Videos, die mir nur zeigen, wo ich welchen Finger hinlegen muss, zu lernen, fielen für mich von Anfang an weg. Ich habe mal eine App ausprobiert, habe aber nur den Kopf geschüttelt und ebenso bei diesen „Tastendrückvideos“. Das ist nichts für mich.

Das mit den Akkorden hat mich durchaus interessiert, aber es war für mich der zweite Schritt. Der erste Schritt war für mich ganz klar, ein Notenblatt zu haben und das abzuspielen. Möglichst mit einem Lehrer oder einer Lehrerin, der/die mich dabei begleitet und korrigiert, mir zeigt, wie ich das richtig machen muss.

Im ersten Jahr war das auch ganz in Ordnung, aber dann dachte ich mir, das kann nicht alles sein. Es muss noch mehr geben. Ich versuchte es mit den Akkorden, hatte da aber irgendwie ein Brett vor dem Kopf. Theoretisch verstand ich das, aber praktisch konnte ich es nicht anwenden. Wahrscheinlich, weil ich auf einem zu hohen Niveau anfangen wollte, wie ich jetzt vermute. Denn links einen Basston zu spielen und rechts einen Dreiklang, das konnte ich natürlich, aber ich habe das nicht als den ersten Schritt gesehen, auf dem ich dann aufbauen muss. Ich habe das unter „Ich kann das nicht“ eingeordnet, weil ich zuerst einmal tatsächlich nicht mehr als das konnte. Andere hätten das vielleicht richtig eingeordnet und dann weitergemacht. Ich war frustriert und habe aufgehört.

Aber nach Noten spielen ging ja, also konzentrierte ich mich darauf. War aber immer wieder unzufrieden, weil mir eben irgendetwas fehlte, ein Fundament, das Verstehen dessen, was ich da tue. Nun habe ich das Gefühl, die Sache über Partimento anzugehen, könnte mir dieses Verständnis vermitteln. Denn Partimento ist das Handwerk, das ich immer noch nicht beherrsche, aber gern beherrschen würde. Oder vielleicht ist beherrschen ein zu großes Wort. Ich würde es gern auf einem Niveau können, das anhörbar ist und bei dem ich weiß, was ich da tue, es ganz bewusst tue.

Es gibt dazu eine sehr schöne „Vorlesung“ von Robert Gjerdingen, die ich mir heute angehört habe.


View: https://youtu.be/eWpDjTkVNG0?si=C2W3orBfczEP0pbG

Alles, was er da erzählt, vermittelt mir das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ob das wirklich so ist, wird sich mit der Zeit erweisen. Meisterschaft auf dem Gebiet zu erlangen benötigt viel Zeit und Übung, in Neapel studierten das die damaligen „Lehrlinge“ zehn Jahre lang sechs bis zehn Stunden jeden Tag, und das wäre für mich illusorisch. Aber ein Handwerk kann man lernen, und auch ohne Meisterschaft kann es sehr schön sein, das auszuüben.

Ich komme mir im Moment ein bisschen so vor wie damals in der Schule oder an der Uni, wo ich an jedem Tag etwas Neues lernte und das ungeheuer spannend fand. Das hat mir in den letzten Jahren, in denen ich nur gearbeitet habe, ein wenig gefehlt. Da habe ich nur das angewendet, was ich schon konnte und gut konnte, aber nicht mehr so viel Neues gelernt. Sicherlich, es kommt immer mal wieder etwas, das man noch nicht weiß, aber wenn man seinen Beruf beherrscht, ist das nicht dauernd und nicht so viel. Ich genieße es richtig, jetzt wieder von Grund auf lernen zu können, etwas völlig Neues, als ob ich wieder jung wäre. Mein Kopf ist vielleicht nicht mehr ganz so fit, aber dafür muss ich ja auch keine Prüfungen ablegen. 😊 Ich mache das nur zum Spaß.
 
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Alles, was er da erzählt, vermittelt mir das Gefühl, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ob das wirklich so ist, wird sich mit der Zeit erweisen.
Es gibt ja nicht den einen richtigen Weg. Noch nicht mal das eine richtige Ziel ;)

Wenn Du etwas lernst und es Dir Spaß macht, ist es perfekt.

etwas völlig Neues, als ob ich wieder jung wäre.

Ich finde das auch toll, dass man immer wieder was Neues entdecken kann und das Lernen immer wieder Spaß macht.
Ich denke auch, dass das jung erhält. Kannst Du Dir vorstellen, dass es Leute gibt, die Langeweile haben? ;) Die ihre Zeit vor dem Fernseher totschlagen müssen?
 
Mein Treffen mit Richardus gestern war sehr interessant. Mir ist einiges klargeworden. Jetzt weiß ich endlich mal, warum man die melodische Molltonleiter aufwärts melodisch und abwärts natürlich spielt, ohne Erhöhungen. Das ist auch der Oktavregel zu verdanken.

Wenn man sich das praktisch ausgeführt anschaut, ist es wirklich gar nicht so schwer:


View: https://youtu.be/RqChqhqB4Q8?si=04nHEn0QKfv16_DM

Der Unterschied zur modernen Akkordlehre ist eigentlich nur der, dass man die Stimmführung von der Harmonie her betrachtet, nicht von der Funktion. Die Intervalle wie die Terz oder die Sexte sind das Fundament der Harmonie. Hat man einen bestimmten Basston, muss der durch bestimmte Intervalle ergänzt werden. Bestimmte Intervalle sind konsonant, bestimmte Intervalle sind dissonant, und danach richten sich die Regeln.

Das Ziel ist immer, Dissonanzen aufzulösen. Anders als im Jazz, wo man sich an Dissonanzen erfreut, fanden die Musiker (und/oder die Zuhörer) in der Zeit der alten Musik das anscheinend nicht so schön und wollten es vermeiden oder durch Umspielen so verzieren, dass die Dissonanz nicht zu hören war. Ein einfaches Prinzip, das sich leicht umsetzen lässt. Die Hauptregel, wenn man in der Tonleiter hinabsteigt, ist von Fa-Mi zu Mi-Fa zu kommen. (Der Screenshot ist aus dem oben verlinkten Video.)

Fa-Mi-Mi-Fa.jpg


Do-Re-Mi-Fa-Sol-La-Si-Do sind die Bezeichnungen der Töne im Italienischen, die wir C-D-E usw. nennen.

Im Grunde genommen ist das alles sehr logisch. Es gibt keine Ausnahmen. Für alles gibt es eine Regel, die man nur anwenden muss. Deshalb galt Bach dann als so eine Art „Punk“, weil er kreativer darin war, die Regeln so anzuwenden, dass sie etwas leicht anderes ergaben als die Harmonisierung anderer Musiker. Ich weiß nicht, ob er die Regeln je tatsächlich gebrochen hat, aber er hat sie auf jeden Fall gestreckt. Sonst hätte man ihn nicht dafür angegriffen, wie er spielte und komponierte. Das anzuhören war für die Leute ungewohnt.

Wir können das heute nicht mehr so richtig nachvollziehen, aber es ist wohl das, was uns auch heute immer noch fasziniert und Bach so interessant erscheinen lässt, während vieles aus der Zeit, in der er gelebt hat, so gleich und langweilig klingt wie die heutigen Pop-Charts.

Das war wirklich sehr lustig gestern. Ich habe mein Keyboard, das ich neben dem Klavier auch noch habe, auf „Harpsichord“, also Cembalo, eingestellt, und so klangen die Harmonien gleich ziemlich authentisch. Merkwürdigerweise ist es ein ganz anderes Gefühl, mit diesem Klang zu spielen, als wenn man den Klang eines Klaviers hört. Ich fühlte mich tatsächlich fast wie in die Vergangenheit versetzt. Die geringere Breite der Tasten und der geringere Widerstand tragen auch dazu bei, dass es ein anderes Gefühl ist.
 
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Ich weiß nicht, ob er die Regeln je tatsächlich gebrochen hat, [Bach]
hat er, manchmal gibt es zB Terzverdopplung, Quintparallelen.
Aber es hat bei ihm immer einen musikalischen Sinn, wird durch gute Stimmführung usw. überlagert.
Im großen und ganzen hat er sich an die damals geltenden Regeln gehalten, aber damit tolle Dinge gemacht. Seine Chorsätze sind Meisterwerke.
Versuch mal einen Choral vierstimmig zu setzen und dann sieh Dir an, wie Bach das gemacht hat. Was er für geniale Mittelstimmen geschrieben hat (die bei anderen langweilig und nur Füllstimmen sind).

dass man die Stimmführung von der Harmonie her betrachtet, nicht von der Funktion.
Was ist da der Unterschied?

Wenn ich es recht verstehe, ist die Harmonie doch der einzelne Klang, die Funktion der Zusammenhang (z.B. Dominante - Tonika).
Dissonanzen werden als Spannung empfunden, Konsonanzen eher als Ruhepunkt. Daher streben Dissonanzen nach Auflösung, also im einfachsten Fall ein Septakkord (Dominante) zur Tonika.
Das ist doch genau das, was du rot markiert hast.
Da ist Harmonie (bzw. mehrere Harmonien) UND Funktion. So habe ich es jedenfalls bisher verstanden.

Der Unterschied zur modernen Akkordlehre
Was meinst Du mit "moderne Akkordlehre"?
Anders als im Jazz, wo man sich an Dissonanzen erfreut, fanden die Musiker (und/oder die Zuhörer) in der Zeit der alten Musik das nicht so schön
Es ist eher ein gradueller Unterschied. Das hat sich durch die Hörgewohnheiten entwickelt.
Was damals als Dissonant empfunden wurde, zB ein Septakkord, ist im Jazz schon eher ein Ruhepunkt.
Und was im Jazz dissonant ist, ist für Neue Musik weichgespülte Fahrstuhlmusik ;)

Dissonanzen gab es aber damals trotzdem, sonst wäre die Musik langweilig.
Vielleicht nicht in einem einstimmigen gregorianischen Choral, aber davon reden wir ja nicht.

Auch Gesualdo zB hat seine Spannungen, die er eher durch überraschende Stimmführung und heute seltsam anmutende Tonartwechsel erreicht als durch dissonante Intervalle.
Wir können das heute nicht mehr so richtig nachvollziehen
Doch, ich glaube schon.
 
Weil das praktisch alles englischsprachige Videos sind, habe ich mal nach etwas Deutschem gesucht und das hier gefunden: https://www.lehrklaenge.de/

Sehr interessant hier ist, dass sowohl die Generalbassnotation als auch die Stufennotation für die Akkorde direkt nebeneinander gezeigt wird. Man kann also sofort sehen, wie das zusammenhängt. Auch gibt es zu jedem Akkord, jeder Lage, jeder Stellung usw. ein Hörbeispiel, sodass man die Unterschiede hören kann.

Mir liegt die Textart plus Bilder plus Hörbeispiele mehr als Videos. Es entspricht mehr der Art, wie man aus einem Buch lernen würde, nur dass man die Sachen dann auch noch vorgespielt bekommt. Bei Videos ist es manchmal so, dass man sehr lange darauf warten muss, bis endlich das erklärt wird, was man gern erklärt haben will.

Wie bei einer Audionachricht in WhatsApp oder so etwas. Man muss sich das Ganze bis zum Schluss anhören, damit man weiß, worum es geht. Wenn man schnell eine Textnachricht schreibt, ist das einfacher. Da hat man sofort den Überblick über den Inhalt.

Die Hörbeispiele sind allerdings auch nur eine Art Krücke, wenn man kein Instrument vor sich hat. Am besten ist es, sich ans Instrument zu setzen und die Beispiele nachzuspielen, wie ich es jetzt gerade getan habe. Da sieht man sofort, wie sich die enge Lage von der weiten Lage unterscheidet, wie die Töne in Verbindung zueinander liegen, wie man die Finger setzen muss, um den jeweils nächsten Schritt zu erreichen, und man erkennt auch sehr leicht das Muster der Stimmführung.

Praxis ist zum Schluss immer besser als Theorie, aber wenn man die Theorie nicht kennt, tut man sich manchmal schwer mit der Praxis. Weshalb ich im Moment so eine Art „Schnell-Lehrgang“ in Harmonielehre zu absolvieren versuche. Dafür die ist die Lehrklänge-Seite sehr gut geeignet, wie ich finde. Da ist das sehr knapp zusammengefasst und gut verständlich präsentiert.

Wenn ich das so nachspiele, wird mir einiges klar. Die Regeln sind nicht einfach nur Regeln, es gibt Gründe dafür, warum gewisse Dinge so gemacht werden. Diese Regeln sind nur die Umsetzung der praktischen Erfahrung mit der Musik. Das eine klingt gut, das andere nicht so. Was man als wohlklingend empfindet, hängt zwar ein bisschen von der Zeit ab, in der man lebt, aber im Großen und Ganzen stimmen wir da in unserer westlichen Welt wohl in der Wahrnehmung überein, was wir als harmonisch und was wir als unharmonisch empfinden. Ein Pop-Song klingt nicht wie Bach, aber die Grundlagen sind dieselben, wenn man es mal auf das reine Gerüst reduziert.
 
Das ist ja so mein persönliches Mantra:
- Musiktheorie ist aus der Praxis für die Praxis
- Musiktheorie und Gehörbildung gehören zusammen
Das ist alledings nicht konsenzgefährdet.

Grüße
Omega Minus
 
mal nach etwas Deutschem gesucht und das hier gefunden: https://www.lehrklaenge.de/
tolle Seite, da hat sich jemand richtig Arbeit gemacht. (y)

Praxis ist zum Schluss immer besser als Theorie, aber wenn man die Theorie nicht kennt, tut man sich manchmal schwer mit der Praxis.
Ich finde auch, dass Praxis auf jeden Fall weniger theoretisch orientiert, dafür aber praxisnäher ist als theoretische Aspekte, seien es nun Aspekte der Praxis oder der Theorie, auch wenn es da sicher graduelle Unterschiede gibt. Theoretiker tun sich sicher schwer ohne den entsprechenden theoretischen Hintergrund, so dass man da zwischen angewandter Theorie und eher konzeptueller Praxis unterscheiden muss. Auf jeden Fall ist Theorie mit der Praxis insofern verknüpft, als die Praxis die Anwendung der theoretischen Konzepte darstellt, die Theorie dagegen eher die theoretischen Aspekte der Praxis darstellt. Da tut man sich schwer mit der Praxis, wenn die Theorie sich nicht auf das entsprechende praktische Feld bezieht, sondern rein theoretisch ist.

Die Regeln sind nicht einfach nur Regeln, es gibt Gründe dafür, warum gewisse Dinge so gemacht werden.
Auch diese Einsicht ist bahnbrechend. ;)
 
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Leider ist es ja oft im Leben so, dass Regeln einfach nur als Regeln vermittelt werden. „Das machen wir seit hundert Jahren so.“ oder „Das macht man eben so.“ Keine Begründung und oft nicht nachvollziehbar, warum das so gemacht wird. Dann kann man sich die Regeln zwar merken, aber es ist irgendwie unbefriedigend. Deshalb betrachte ich es eher als Ausnahme, dass man Regeln auch richtig nachvollziehen kann. Aber das geht auch nur, wenn man sich mehr damit beschäftigt und ein wenig von den theoretischen Hintergründen versteht. Oder beginnt zu verstehen. Viel mehr ist das ja nicht.

Gerade von Musik oder sogar noch Musiktheorie versteht unsereiner als Durchschnittsmensch ja normalerweise gar nichts. Null. Das lernen nur einige wenige, verglichen mit der Mehrheit der Bevölkerung. Und ich habe lange für den Einstieg gebraucht, obwohl ich mir einbilde, nicht dumm zu sein und auch durchaus etwas mit Theorie anfangen zu können.

Das liegt vor allen Dingen daran, dass man irgendwie so gar keine Basis hat, auf der man aufbauen kann. Wenn man beispielsweise plötzlich das Bedürfnis verspürt, Gedichte schreiben zu wollen (ich nicht, aber das gibt es ja), hat man zumindest schon mal irgendwann in der frühen Kindheit Lesen und Schreiben gelernt, benutzt zumindest die Alltagssprache jeden Tag und ist darin geübt. Ob es für ein richtig gutes Gedicht reicht, das ist wieder ein anderes Thema, aber eine gewisse Basis hat man.

In der Musik ist das anders. Als Konsument über Radio, Fernsehen, Internet wird man zwar ständig damit berieselt, aber wenn man kein Instrument gelernt hat, keine Noten lesen kann, nicht weiß, was ein Dreiklang ist oder eine Terz – wo fängt man da an? Sicherlich kann man sich nach Regeln richten, die andere einem beibringen, aber mir war das immer zu wenig. Ich weiß, es gibt Leute, die sind damit zufrieden, aber leider gehöre ich nicht dazu. Deshalb war ich frustriert.

Vielleicht braucht das alles einfach nur seine Zeit, aber ich hatte das Gefühl, ich lerne es nie. Ich hätte vielleicht mal früher das Video von der phantastisch exzentrischen Vera Birkenbihl sehen sollen. 😎


View: https://www.youtube.com/playlist?list=PLB7C94B6C3FE3D531

Ich habe mich köstlich amüsiert, als ich diesen Vortrag angeschaut habe. Vor allem, wie sie da Klavier spielt … Herrlich! Sie macht sich nichts daraus, wie das klingt oder aussieht, ob das die richtige Technik ist, haut einfach in die Tasten.

Daneben gibt sie aber auch sehr gute Tipps zum Lernen, vor allem auch im Alter. Da habe ich mich in einigem wiedererkannt, und das hat mich auch ein bisschen getröstet, warum das jetzt so lange gedauert hat, bis ich da mal einen Fuß in die Tür gekriegt habe.

Nun ist sie ja schon lange tot, aber auf YouTube findet man glücklicherweise einiges von ihr. Eine sehr gute und intelligente Unterhaltung, wenn man mal krank ist oder einfach nur mal lachen will. Sofern man mit ihrer Art klarkommt. Die ist schon sehr speziell. Es gibt auch Leute, die gar nichts mit ihr anfangen können. Aber wenn man das kann, ist es sowohl sehr unterhaltsam als auch lehrreich.

Übrigens apropos klassisch improvisieren, da gibt es auch ein schönes kleines Konzert in diesem Vortrag von einem Herrn, der das damals schon zum Spaß gemacht hat:


View: https://youtu.be/qZuribcZGxw?si=WNCowFhXRdCwusO4&t=53

Damals hätte ich mir nicht erklären können, wie er das macht, heute kann ich es halbwegs, weil ich die Regeln und die Stile kenne. Auch wenn ich das so nicht nachmachen könnte. Er gehört sicher zu den Glücklichen, die schon als Kind spielen gelernt haben. Dennoch kann man laut Birkenbihl auch im Alter alles noch lernen, wenn man es nur in Portionen aufteilt, die klein genug sind.
 
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Leider ist es ja oft im Leben so, dass Regeln einfach nur als Regeln vermittelt werden. „Das machen wir seit hundert Jahren so.“ oder „Das macht man eben so.“ Keine Begründung und oft nicht nachvollziehbar, warum das so gemacht wird.
Das kann ich nicht nachvollziehen. In meiner Lebenserfahrung ist das anders.


aber wenn man kein Instrument gelernt hat, keine Noten lesen kann, nicht weiß, was ein Dreiklang ist oder eine Terz – wo fängt man da an?
Na indem man
- Unterricht nimmt.
- Bücher / Unterrichtswerke zum Thema durcharbeitet

Musikschulen gibt es überall, private Lehrer annoncieren, Online Unterricht geht inzwischen auch ... selbst zum Thema Theorie.
Zum Notenlesen und Musiktheorie gibt es ja nun Dutzende Hefte und Bücher. Selbst wenn mal eins nicht so gut ist, lernt man die Grundlagen.

Wenn ich Surfen oder Felsklettern lernen will, suche ich mir auch erstmal einen Lehrer/in.
Kann ich also auch nicht nachvollziehen.

Wenn man natürlich nur Videos guckt, sind da sicher auch gute dabei, aber die Themen sind da nicht übersichtlich angeordnet. Das würde ich als am leichtesten zugängliche, aber am wenigsten konsistente Lernmethode ansehen. Trotzdem kann man es sicher auch darüber lernen.

Also dass man Notenlernen und die Basics der Musiktheorie nicht erlernen kann, wenn man es will, sehe ich überhaupt nicht.

Dennoch kann man laut Birkenbihl auch im Alter alles noch lernen, wenn man es nur in Portionen aufteilt, die klein genug sind.
Nicht nur im Alter, das ist generell so viel effektiver.

Vera Birkenbihl muss man schon mögen. Ich komme mit ihrer chaotischen Art nicht klar, obwohl sie natürlich sehr viel positive Energie vermittelt. Wer Mindmaps und sowas mag, da passt das. Ich brauche es strukturierter.

Hauptsache ist jedenfalls man macht was.
Information ist Holepflicht, nicht Bringepflicht.

Heutzutage sind doch alle Informationen, die man braucht, verfügbar.
 
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Der Generalbass fasziniert mich. Nun habe ich hier https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/1013 eine wunderbare Anleitung des Bach-Schülers Johann Christian Kittel gefunden, die ich mir heruntergeladen habe.

Generalbass 1 200.jpg
Generalbass 2 200.jpg

Generalbass 3a klein.jpg
Generalbass 3b klei.jpg


Und dann geht es weiter das ganze Buch hindurch mit Beispielen für die Anwendung. Ich weiß, das können viele nicht nachvollziehen, aber ich finde das herrlich.
 
Das Verbot der Terzverdopplung hat er gar nicht drin, das wundert mich ...

Die Bezeichnung "naturell" für vermindert kannte ich auch noch nicht.

Für die Quintparallelen gibt es noch die schöne Regel: "Rein-vermindert ungehindert, vermindert-rein lass sein."
(Wobei die verminderte Quinte ja keine "richtige" Quinte ist)

Das letzte Beispiel ist interessant. Wären es getrennte Stimmen, so wäre keine Quintparallele vorhanden. Auf einem Instrument ist sie da, allerdings auch von Mittelstimme zu Oberstimme - das ist strenger ausgelegt, als ich das kannte. Muss man das wirklich vermeiden, dh. hört Ihr das als Quintparallele?

@Pianoteq: Versuch doch mal, einen Choral oder ein Volkslied nach den Regeln zu setzen. Das macht Spaß! Manchmal muss auch ein bisschen tüfteln.
 
Generalbass Tritonus.jpg

„wie die unzeitigen Witzlinge jetzt thun“ … Ich habe mich schiefgelacht. Ja, die Jugend von heute … und zwar 1801. 😂
 
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Ich muss sagen, ich lerne immer wieder nette Dinge von dieser amerikanischen Klavierlehrerin aus Chicago, die ich sehr sympathisch finde:


View: https://youtu.be/ufoNISdBHI8?si=MfjeMmILEfqOaWuI

Es ist nicht so, dass das unbedingt bahnbrechende Erkenntnisse sind oder Sachen, die ich noch nicht weiß, aber so, wie sie es erklärt, macht es einfach Spaß, sich damit zu beschäftigen. Eigentlich sind ihre Videos nicht für KlavierschülerInnen gedacht, sondern für KlavierlehrerInnen, vor allem in Amerika. Aber YouTube macht es möglich, dass man das auf der ganzen Welt anschauen kann, wie ich es heute Morgen zu meinem ersten Kaffee nach dem Aufstehen getan habe. Es war ein sehr angenehmer Beginn für den Tag.

Die Courante von Händel, die sie in diesem Video bespricht, und die Händel anscheinend dann noch einmal für ein Präludium verwendet hat (oder umgekehrt, erst das Präludium in G, dann die Courante in F, das sagt Janna Williamson hier nicht, und ich habe es jetzt auch nicht nachgeschaut), erscheint mir als ein sehr lebhaftes Stück, das man mit guter Laune üben kann. Vielleicht schlage ich das meiner Klavierlehrerin mal vor. Für solche Ideen ist Janna Williamson eine für mich gute Quelle, weil die Stücke, die sie unterrichtet, mich sehr ansprechen.

Was ich jedoch vor allem schön fand, ist, dass sie hier von Sequenzen und Kadenzen spricht, mit denen ich jetzt mehr verbinde, seit ich mich mit Partimento beschäftige. Wie Händel dieses Stück komponiert hat, ist mir jetzt viel klarer. Ich verstehe, was er da getan hat. Und das freut mich richtig.
 

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