Mittlerweile habe ich etwas Zeit gefunden, um mehr des Threads zu überfliegen. Abgesehen von dem rationalen Hinweis, dass selbst versuchen klug macht und wenigstens einem Hinweis darauf, dass Keyboarder immer mehr Vielfalt bevorzugen würden, scheint es zwei Lager zu geben. "Mehr ist mehr" vs "weniger ist mehr".
Ich bin Gitarrist, kein Keyboarder, spiele aber trotz des Unvermögens seit Jahrzehnten Keyboards, zudem sind meine E-Gitarren MIDIfiziert.
Ich vertrete voller Überzeugung und aus Erfahrung das Lager "weniger ist mehr". Viele Möglichkeiten zu haben kann nützlich sein, wird aber selten benötigt.
Selbst wenn man experimentierfreudig ist und immer nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten sucht, nichts imitieren möchte, dann wird man dennoch Vorlieben haben, was sowohl für Keyboarder, als auch Gitarristen gilt.
Ich liebe die Gegenüberstellung der Pianoteq Stage, Pianoteq Standard und Pianoteq Pro Features, s.
https://www.modartt.com/user_manual?product=pianoteq&lang=de .
Tatsächlich nutze ich Pianoteq Standard und habe mich gegen die Erweiterung auf Pianoteq Pro entschieden, obwohl ich sehr experimentierfreudig bin. Aber anders experimentierfreudig als
Fred Frith - Live at Gasthaus zur Post, Ottensheim, Austria, 2018-02-18
View: https://www.youtube.com/watch?v=kivZMdCJ9Ok .
Um es auf den Punkt zu bringen, was die meisten Keyboarder und Gitarristen meistens wollen, ist eine klanglich gute Grundlage, mit gewissen Variationsmöglichkeiten, die verschiedene Ausdrucksmöglichkeiten ermöglichen, ohne das man viel herumbastel muss.
Wer mit Bratpfanne, Messer und Gabel Gitarre spielen möchte, dass extrem außergewöhnliche Will, muss selbst herausfinden, ob Amp Modeling oder ein analoger Amp dies besser unterstützt. Wer einen eher klassischen Weg geht, ich spiele Gitarre meist nur mit einem Plektrum in der einen Hand und manchmal mit einem Stück Rohr auf einem Finger der anderen Hand, mit und ohne Palm Mutes, mit und ohne Pinch Harmonics, muss sich fragen welche weiteren Möglichkeiten der Amp bieten soll. Ich zum Beispiel möchte meist starke Verzerrungen und einen Ausgewogenen Klang, in dem Sinne, dass angeschlagene Palm Mutes nach Noten und nicht nach Plektrumgeräuschen klingen und das wenn ich eine Pause mache, keine lauten Störgeräusche zu hören sind und zwar ohne das ich einen Equalizer und ein Noisgate dazu benutzen muss. Ich möchte Spieltechniken mischen können und immer einen ausgewogenen Klang erhalten, z.B. zwischen Palm Mutes und Pinch Harmonics ohne 100 Einstellungen über ein Display optimieren zu müssen. Analoge Gitarrenverstärker bieten das von Natur aus. Man schaltet die Dinger ein, wählt den Grad der Verzerrung und den gewünschten Klang in einem nicht besonders variablen Umfang und das war es. Kein EQ, kein Noise Gate, gewohntes Verhalten. Wenig Möglichkeiten, aber wenigstens eine Sache tun sie gut bis sehr gut.
In aller Regel chugt es auch noch in Zimmerlautstärke. Da Nachbarn auf Gitarren in Zimmerlautstärke anders als auf Fernseher in Zimmerlautstärke reagieren, ziehe ich Amp Modeling erst ab einem Level unterhalb der Zimmerlautstärke in Betracht.
Einige von uns erinnern sich evtl. noch an
https://de.wikipedia.org/wiki/Rockman_(Verstärker) .
Am Ende wird man aber immer, wenn man es klein und clean mag mit einer Fender Combo oder wenn man es verzerrt mag, mit einer Marshall Combo oder einem kleinen Stack irgend einer Firma glücklicher sein.
Der von mit gewählte BluGuitar Amp1 Iridium Edition ist der Versuch einem großen Stack näher zu kommen, als es eine Combo schafft. Ich bin mir nicht sicher, in wie weit ich damit Glück habe. Es könnte sein, dass dies für verzerrte Klänge so ist, aber für clean Sounds genau das Gegenteil davon ist.
Was die Wartung betrifft. Gerade gestalte ich mein Heimstudio um. Vom neuen Teppich, bis hin zum aus der Mottenkiste geholtem alten Equipment. Interessanterweise sehe ich gerade ganz bewusst, welches Equipment ich viel, welches ich fast gar nicht genutzt habe und welches Equipment wie viel oder wenig Wartungsarbeit erforderte. Die kurze Version, analoge Verstärker gehören mitunter zum dankbarsten Equipment. Für die Gitarre habe ich eine dürftige kleine Transistor-Combo, die wirklich nicht gut klingt, aber notfalls für fast alles genutzt werden kann und seit Jahrzehnten ohne Wartung überlebt hat.
Ich kenne die Definition eines "ambitionierten Neugitarristen" nicht. Der Amp für die E. Gitarre, der zwar nicht super ist, dafür aber Jahrzehnte lang jederzeit einsatzbereit zur Stelle steht und fast alles irgendwie hinkriegt, also irgend ein Transistor-Gerät, hat für mich einen hohen Stellenwert.
Wenn ich es mir erlauben könnte, dann hätte ich gerne ein Pony, da ich aber kein Pony haben kann, habe ich irgend etwas kleines mit Röhre und Celestion 12" und vielleicht hole ich mir noch etwas mehr spezifisches ebenfalls kleines mit Röhre und mit mehr spezifischem Celestion 12" dazu.
Das ich auch noch Amp Modeling Software von Hinz und Kunz habe, sowie einen Roland GR-55 sind Zugaben, die ich aber kaum nutze.
Röhrenamps erscheinen mir das zu sein, was am Ende befriedigt. Transistoramps scheinen mir die treusten Arbeitspferde zu sein.
Ich würde immer mit irgend einem analogen Amp anfangen und gucken wohin es mich zieht und in wie weit ich mir das finanziell, räumlich etc. leisten kann. Wenn ich von vorne herein wissen sollte worauf es hinauslaufen wird, Jazz Comping, Djent ... Bratpfanne, Messer und Gabel, dann würde ich gucken was andere, die Jazz Comping, Djent ... Bratpfanne, Messer und Gabel Musik machen benutzen und natürlich welche Amps immer wieder über die Jahre hinweg gefragt waren und welche nur zu bestimmten Zeiten gefragt waren oder es gerade sind.
Stanley Jordan ist vermutlich der Tim Hendson meiner Generation. So ein gewisser zeitgemäßer unterkühlter Sound verliert seinen Charm. Damals habe ich mir die LP Magic Touch gekauft und gerne gehört, heute höre ich gerne mal in ein Video von Tim Hendson rein. Man hört bei beiden die Ton-Technik der Zeit. Bei vielen anderen Gitarristen aus verschiedenen Zeiten hört man in den Produktionen zwar ebenfalls die Ton-Technik der Zeit, dennoch spielt diese eine untergeordnete Rolle, was die Musik für mich zeitloser macht. Die Sounds von Stanley Jordan und Tim Hendson schreien nicht nach analogen Amps, sie könnten direkt ins Mischpult spielen, was die Sound-Ästhetik angeht.