Wieso soll das die Angelegenheit der Musiklehrer sein? Die sollen doch das beibringen, was gewollt wird. Ich würde mich auch nicht vom Pkw-Fahrlehrer überzeugen lassen, doch lieber einen Flugschein zu machen oder überhaupt Flugstunden zu nehmen.
Für mich ist der wesentliche Unterschied zwischen Pianisten, Organisten und Keyboardern, dass letztere sich auch mit einer Vielfalt von Sounds befassen. Spieltechnisch auf den weißen und schwarzen Tasten sollte jeder von den dreien gleichermaßen fit sein (ja, beim Piano gibt es Anschlagtechniken, die es auf der Orgel nicht gibt, der Organist sollte auch seine Füße einsetzen können und bei vielen Syntheinsätzen macht die linke Hand etwas anderes, wer aber gelernt hat zu üben, wird in jeder der Richtungen "arbeiten" können.
Und, es geht ja nicht nur um Covers (aus den 60er und 70ern oder von was weiß ich wann). Es wird immer Bedarf an neuen Sounds und Licks geben, auch von Synthesizern. Entsprechend gibt es auch weiterhin Sounddesigner. Allerdings ändert sich der "Arbeitsplatz". Ich stelle das selbst fest. Während ich noch eine Burg von Hardware-Synths im Studio habe, haben meine Jungs an diesen Maschinen kein Interesse, sondern machen alles am Rechner, der dann auch noch weiteres "Spielmöglichkeiten" (um nicht zu sagen Spielhilfen) bietet. Ein Tastendruck macht mit einem Computer dahinter (auch live) einfach mehr als auf einem Moog, Oberheim, Waldorf und wie sie alle heißen. Auch die Musik "unserer Jugend" hat sich geändert und mit unserer klassischen Rockmusik etc. so nichts mehr zu tun. Samples haben eine ganz andere Bedeutung, als profan z.B. einen originalen Trompetensound zu reproduzieren. Mich stört das nicht. Die Menschheit und deren Kutur und damit auch die Musik ist einem steten Wandel unterworfen, und das ist gut so, auch wenn ich jetzt (mal) stehengeblieben bin.
Aber ja, erst mal kommen fast ausschließlich Pianisten von den Lehrern und Musikschulen. Etwas anders sieht es an den Hochschulen aus. Dort wird zeitgenössische und auch elektronische Musik vermehrt gelehrt und weiterentwickelt. Es war aber schon immer so, dass es nahezu keine Ausbildung für Keyboarder im voruniversitären Bereich gibt (und nicht jeder kann und will (diese Art von) Musik studieren). Ich kommen vom Akkordeon her, bin dann auf Orgel weitergegangen und hab mit 15 mit meinem ersten Micromoog (das war 1975; da gab es die Flut an 100en von Synthesizern noch nicht) den Weg auf die dunkle Seite begonnen
, d.h. "wurde Keyboarder". Eine Ausbildung dazu gab es garnicht. Die elektronische Musik war in der Blüte ihrer Entwicklung, aber das waren die absoluten Cracks.
Zurück zu meinem Eingangssatz. Es kommt doch darauf an, dass es Leute gibt, die Keyboarder sein wollen. Und da haben wir immer noch die "geilen" Gitarristentypen, die vorne stehen und ihre Soli rausdonnern. Das will natürlich das "junge Männchen" viel lieber machen, weil es bei den Mädels besser ankommt und zudem billiger ist. Meine damalige kleine 3-manualige Tastenburg (Farfisa VIP 600 und Micromoog mit gerade mal einem Orgelkabinett und zwei Mikros zum Abnehmen für die PA) hatte bis 1975 10.000 DM verschlungen. Den Gitarristen reichte selbst mit Gibson, Fender, Vox und Marshall weit weniger als die Hälfte - wie heute kann man da mit Gebrauchtem noch günstiger fahren, während bei Keyboards gebraucht ja auch schnell "veraltet" bedeutete. Aber es gab damals halt Emerson, Wakeman und Lord sowie auch Tangerine Dream, Jean-Michel Jarre und dergleichen, die bewiesen, dass man auch an den Tasten ein Star sein konnte und nachahmenswert war. Und, die waren verantwortlich für die geilen Sounds. Vielleicht liegt es an meinen persönlichen Kenntnissen der aktuellen Szene, aber außer Schiller (Christopher von Deylen) fällt mir kein markanter Keyboarder ein, und selbst der ist ja mehr ein Insider-Tipp.
Echt ätzend war auch die Schlepperei. Selbst im Vergleich zum Drum-Kit haben sich die Roadies (ja, sowas hatte ich damals auch schon!) immer gedrückt, die Orgel und das Kabinett zu schleppen, ganz abgesehen davon, dass man auch für ein geeignetes Auto sorgen musste. Ganz so schlimm ist es heute nicht mehr, aber vor allem im Vergleich zu Gitarre und Bass, wo neben dem Instrument ein kleiner Würfel reicht, wenn nicht eh auch gleich über ein 19" Gerätchen in die Stage-Anlage gespielt wird. Als Keyboarder solltest Du aber halt schon zwei Manuale mit wenigstens einmal 73 Tasten oder mehr plus Stativ und (Steh-) Hocker haben - aber auf der Bühne sollst Du bitte möglichst keinen Platz brauchen
und kannst natürlich auch nicht vorne stehen. Für das Publikum sollst Du auch nicht wirklich im Rampenlicht stehen, auch wenn Du der einzige mit profunden Musikkenntnissen bist ...
So als Anekdote noch: Mit 16 machte ich von Beatles etc. bis maximal Prokul Harum einen Abstecher zu einer Tanzband (heute würde man sagen "Top-50 Band"). Die wollten nicht, dass ich Firlefanz an den Tasten machte, sondern ich sollte einfach nur brav die Akkorde im Background halten. Dann war ich in einer Country-Band, die eigentlich nur ein paar verzierende Klavierläufe wollten. Bei Free-Jazzern war ich auch, und denen war es nie wild genug. Zufrieden war ich erst, als ich beim Prog Rock ankam.
Die Fragestellung des Threads klingt etwas groß, meint aber daraus wohl nur den konkreten Fall, weshalb es schwer ist, ambitionierten Nachwuchs an den Tasten für 60s und 70s Cover-Bands zu finden. Und das liegt nicht daran, dass wir zu wenig Leute haben, die das Spielen auf Tastaturen nicht lernen wollten, sondern dass der Tasten-Job eher als undankbar angesehen wird. Auch dass, anders als bei mir mit meinen Jungs, keine Begeisterung für diese Musik entfacht werden konnte, wirkt sich auf das Lack an Interessierten aus. Letztlich gibt es ja inzwischen sogar "Keyboard-Unterricht" und Leute die den nehmen, aber die keiner in irgend einer Band, weil sie halt eher in Richtung Alleinunterhalter in Richtung "Spielen mit Herbert dem Rhythmusgerät" und für sich selbst oder maximal Oma's Besuch spielen wollen.
Also: Keyboarder werden nicht geboren und nicht durch Unterricht herangezogen, sondern müssen sich immer noch selbst einarbeiten (wenn sie nicht entsprechend studieren wollen - ich hab jüngst eine studierte Komponistin (jetzt aber auch schon 56) kennengelernt, die seit 30 Jahren (gedämpft durch Kinderpausen) elektronische Musik macht). Da bleibt einfach nur, nach dem Enthusiasten an den Tasten weiterzusuchen oder einen Pianisten/Organisten so zu begeistern, dass er (oder natürlich sie oder ...) sich entsprechend weiterbilden und auch in Equipment investieren will.
Der allgemein gesprochen herkömmliche "Allround-Keyboarder" folgt allerdings in der Tat den einschlägigen Musikrichtungen, in denen er damals gebraucht wurde, ins Aussterben, aber der neue "Allround-Keyboarder" hat längst die Bühne betreten. Oldie-Cover sind aber offenkundig nicht sein Ding
. Hättet Ihr mal Eure Keyboarder früher besser behandelt