gitwork
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In diesem Thread möchte ich der Frage nachgehen, ob, und in welcher Form es eine typische harmonische Tonsprache in der Rockmusik gibt. Wann klingt eine Akkordfolge rockig, wann nicht und warum ist das so.
Ich würde mich sehr freuen, wenn gerade die Rockmusiker, die sich ja recht selten in diesen Teil des Forums verirren, dieses Thema hier diskutieren würden.
Ich habe zu diesem Thema schon einige Ideen, sie gründen aber natürlich auf der Musik die ich kenne und mit der ich aufgewachsen bin, und jede Generation sieht das ja sehr unterschiedlich. Rockmusik ist im Wesentlichen eine Musik für die Jugend, das war schon immer so. Auch die alten Rock 'n' Roller aus den 50ern waren mal jung und ihre Musik auch. Man kann vielleicht sagen, das der Rock'n'Roll die erste wirkliche "Jugendmusik" war und dazu diente der Kritik und dem Protest gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen Ausdruck zu verleihen.
Auf harmonischer Ebene ist der Rock'n'Roll aber nicht sehr spannend. Man kann sagen: man nehme das Bluesschema. und das Thema ist schon wieder beendet. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Rockmusik ist immer als Protestmusik verstanden worden und ihre erste große Blütezeit, die ein "sich wehren gegen althergebrachte Schemata" auch auf harmonischem Gebiet erkennbar wird, ist die Musik der "British Invasion Bands" der 60er Jahre. Mit dieser Musik bin ich aufgewachsen und sie hat mein musikalisches Verständnis wesentlich beeinflusst und geprägt. Deshalb möchte ich diesen Thread zunächst der Analyse dieser Musik widmen. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn es nicht dabei bliebe, sondern wenn wir gemeinsam die stilistischen Entwicklungen der Folgezeit bis heute hier diskutieren würden. Ich selbst kenne mich da nur oberflächlich aus, weiß aber sehr gut, dass die wirklich spannenden Entwicklungen im Underground zu finden sind, selten in den Charts.
Eine (inzwischen ja auch nicht mehr ganz aktuelle) moderne Band hat mich allerdings auch umgehauen, obwohl ich schon ein alter Sack bin:
System of a Down
http://www.youtube.com/watch?v=CSvFpBOe8eY
Diese Musik verkörpert für mich eine äusserst spannende Weiterentwicklung der British Invasion Bands. Wenn ich heute eine Rockband gründen würde, wäre das mein Startpunkt.
Ich würde mich freuen, in diesem Thread auch andere, aktuelle Bands kennen zu lernen.
Aber starten möchte ich wie gesagt in den 60er Jahren mit den klassischen Rockern aus England. Die haben die Sache "Rockmusik" ins rollen gebracht.
Die British Invasion
Als 1960 der Rock ‚n' Roll in Amerika in seichteres Fahrwasser geriet und z.B. Elvis mit herzerschütternden Balladen aufwartete, hatte ihre Stunde geschlagen und zwar in Hamburg auf der Reperbahn. Wenn man sich die alten Beatles Rock ‚n' Roll Covers, denn sie waren ja zunächst eine Rock ‚n' Roll Coverband, anhört, merkt man wie viel Power die Jungs hatten, wie frisch und original die Songs klingen. Die Musik aus Amerika jener Zeit klingt dagegen richtig seicht.
Der Jazz hatte sich in den Kunstelfenbeiturm zurückgezogen und war für das Normalpublikum nicht mehr zu verstehen, die anderen jammerten Liebesschnulzen zur Doowop Formel.
Die Beatles waren auf dem Plan und mit ihnen die
British Invasion
Die ersten Beatles Hits allerdings, "Love me do", eine art Skiffle mit sehr im Vordergrund stehender Mundharmonika und "Love me do", auch "From me to you" aus dem Jahr 1963 waren zwar sehr schön und klingen sehr britisch, sie waren aber eher dazu geeignet ihr Image als Popgruppe zu begründen, nicht als Rockband,
Trotzdem: "I want to hold your Hand" begründete die British Invasion
man fragte sich: "why can't we have that in America?"
http://www.youtube.com/watch?v=EbHcqqvzWt0
Eine andere Band der British Invasion war rockharmonisch bedeutender wenn es um die Kreation eines neuen Rocksounds geht. Und das waren die Rolling Stones.
Es ging darum, mit einfachen Mitteln einen neuen Sound zu kreieren, der härter und frischer klang als die bisher genutzten Akkordfolgen, und die sich von der Tonsprache der in der Zeit bekannten, amerikanischen Popularmusik abhob, die im wesentlichen das Bluesschema, oder die
Doowopformel (z.B. C Am F G) benutzte.
Vor allem die "klassische Kadenz" (z.B. C-F-G7-C) war in der Rockmusik gar nicht geeignet einen neuen Sound zu kreieren.
Die alten Rocker benutzten die trotzdem, aber etwas anders angeordnet:
C-G-F-C
Damit kannst Du z.B. "Bad moon rising" von CCR spielen
http://www.youtube.com/watch?v=tZozxZYGrm8
zugegeben, dieser Sound klingt für heutige Rockerohren eher lächerlich, aber dennoch, die Umstellung der klassischen Kadenz ist rocktypisch. Noch ein Beispiel:
Sweet home Alabama: D-C-G-G (klassisch: G-C-D-G)
http://www.youtube.com/watch?v=XzbdY_rPtjw
allerdings bringt uns das dem englischen Sound nicht näher, das führt eher in die Countryrockrichtung wie man hört.
Tools zur Analyse
Damit man die Struktur der Akkordfolgen gut erkennen kann, benutzt man in der Harmonielehre gerne die Stufenbezeichnungen. Eine Tonleiter, z.B. C-Dur
C D E F G A B (B= deutsches H)
wird durchnummeriert 1 2 3 4 5 6 7
Auf jedem Ton können Akkorde auf gebaut werden. Es entstehen also 7 Akkorde die wiederum durchnummeriert werden, die Stufenakkorde, sie werden mit römischen Zahlen durchnummeriert:
I II III IV V VI VII
Am häufigsten lernt man zuerst diese Kombination kennen:
I IV V I - C F G C
das ist die klassische Kadenz, wie gesagt das klingt gar nicht rockig.
interessant ist, dass kleine Umstellungen aber zu Ergebnissen führt, die sehr wohl rockig klingen können:
I V IV I - C G F C
damit sind wir wieder bei Bad moon rising
In dieser Weise funktioniert auch das Bluesschema:
I / I / I / I
IV / IV / I / I
V / IV / I / I
Blues und Rock sind also harmonisch sehr eng verwandt und der Rock 'n' Roll basiert harmonisch vollständig auf dem Bluesschema.
Die Musik der British Invasion Bands ging aber harmonisch einen anderen Weg, sie schaute zuerst auf die wichtigste "Rocktonleiter"
Kommt ihr mit den theoretischen Bezeichnungen klar?
Ich würde mich freuen Beispiele aus eurer Hitliste hier zu finden, die wir dann mit der Musik der klassischen Rocker vergleichen können. Wie die Briten das damals gemacht haben, habe ich ja noch gar nicht erklärt, das kommt in meinem nächsten Post dran.
Gruß Hagen
Ich würde mich sehr freuen, wenn gerade die Rockmusiker, die sich ja recht selten in diesen Teil des Forums verirren, dieses Thema hier diskutieren würden.
Ich habe zu diesem Thema schon einige Ideen, sie gründen aber natürlich auf der Musik die ich kenne und mit der ich aufgewachsen bin, und jede Generation sieht das ja sehr unterschiedlich. Rockmusik ist im Wesentlichen eine Musik für die Jugend, das war schon immer so. Auch die alten Rock 'n' Roller aus den 50ern waren mal jung und ihre Musik auch. Man kann vielleicht sagen, das der Rock'n'Roll die erste wirkliche "Jugendmusik" war und dazu diente der Kritik und dem Protest gegen verkrustete gesellschaftliche Strukturen Ausdruck zu verleihen.
Auf harmonischer Ebene ist der Rock'n'Roll aber nicht sehr spannend. Man kann sagen: man nehme das Bluesschema. und das Thema ist schon wieder beendet. Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.
Rockmusik ist immer als Protestmusik verstanden worden und ihre erste große Blütezeit, die ein "sich wehren gegen althergebrachte Schemata" auch auf harmonischem Gebiet erkennbar wird, ist die Musik der "British Invasion Bands" der 60er Jahre. Mit dieser Musik bin ich aufgewachsen und sie hat mein musikalisches Verständnis wesentlich beeinflusst und geprägt. Deshalb möchte ich diesen Thread zunächst der Analyse dieser Musik widmen. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn es nicht dabei bliebe, sondern wenn wir gemeinsam die stilistischen Entwicklungen der Folgezeit bis heute hier diskutieren würden. Ich selbst kenne mich da nur oberflächlich aus, weiß aber sehr gut, dass die wirklich spannenden Entwicklungen im Underground zu finden sind, selten in den Charts.
Eine (inzwischen ja auch nicht mehr ganz aktuelle) moderne Band hat mich allerdings auch umgehauen, obwohl ich schon ein alter Sack bin:
System of a Down
http://www.youtube.com/watch?v=CSvFpBOe8eY
Diese Musik verkörpert für mich eine äusserst spannende Weiterentwicklung der British Invasion Bands. Wenn ich heute eine Rockband gründen würde, wäre das mein Startpunkt.
Ich würde mich freuen, in diesem Thread auch andere, aktuelle Bands kennen zu lernen.
Aber starten möchte ich wie gesagt in den 60er Jahren mit den klassischen Rockern aus England. Die haben die Sache "Rockmusik" ins rollen gebracht.
Die British Invasion
Als 1960 der Rock ‚n' Roll in Amerika in seichteres Fahrwasser geriet und z.B. Elvis mit herzerschütternden Balladen aufwartete, hatte ihre Stunde geschlagen und zwar in Hamburg auf der Reperbahn. Wenn man sich die alten Beatles Rock ‚n' Roll Covers, denn sie waren ja zunächst eine Rock ‚n' Roll Coverband, anhört, merkt man wie viel Power die Jungs hatten, wie frisch und original die Songs klingen. Die Musik aus Amerika jener Zeit klingt dagegen richtig seicht.
Der Jazz hatte sich in den Kunstelfenbeiturm zurückgezogen und war für das Normalpublikum nicht mehr zu verstehen, die anderen jammerten Liebesschnulzen zur Doowop Formel.
Die Beatles waren auf dem Plan und mit ihnen die
British Invasion
Die ersten Beatles Hits allerdings, "Love me do", eine art Skiffle mit sehr im Vordergrund stehender Mundharmonika und "Love me do", auch "From me to you" aus dem Jahr 1963 waren zwar sehr schön und klingen sehr britisch, sie waren aber eher dazu geeignet ihr Image als Popgruppe zu begründen, nicht als Rockband,
Trotzdem: "I want to hold your Hand" begründete die British Invasion
man fragte sich: "why can't we have that in America?"
http://www.youtube.com/watch?v=EbHcqqvzWt0
Eine andere Band der British Invasion war rockharmonisch bedeutender wenn es um die Kreation eines neuen Rocksounds geht. Und das waren die Rolling Stones.
Es ging darum, mit einfachen Mitteln einen neuen Sound zu kreieren, der härter und frischer klang als die bisher genutzten Akkordfolgen, und die sich von der Tonsprache der in der Zeit bekannten, amerikanischen Popularmusik abhob, die im wesentlichen das Bluesschema, oder die
Doowopformel (z.B. C Am F G) benutzte.
Vor allem die "klassische Kadenz" (z.B. C-F-G7-C) war in der Rockmusik gar nicht geeignet einen neuen Sound zu kreieren.
Die alten Rocker benutzten die trotzdem, aber etwas anders angeordnet:
C-G-F-C
Damit kannst Du z.B. "Bad moon rising" von CCR spielen
http://www.youtube.com/watch?v=tZozxZYGrm8
zugegeben, dieser Sound klingt für heutige Rockerohren eher lächerlich, aber dennoch, die Umstellung der klassischen Kadenz ist rocktypisch. Noch ein Beispiel:
Sweet home Alabama: D-C-G-G (klassisch: G-C-D-G)
http://www.youtube.com/watch?v=XzbdY_rPtjw
allerdings bringt uns das dem englischen Sound nicht näher, das führt eher in die Countryrockrichtung wie man hört.
Tools zur Analyse
Damit man die Struktur der Akkordfolgen gut erkennen kann, benutzt man in der Harmonielehre gerne die Stufenbezeichnungen. Eine Tonleiter, z.B. C-Dur
C D E F G A B (B= deutsches H)
wird durchnummeriert 1 2 3 4 5 6 7
Auf jedem Ton können Akkorde auf gebaut werden. Es entstehen also 7 Akkorde die wiederum durchnummeriert werden, die Stufenakkorde, sie werden mit römischen Zahlen durchnummeriert:
I II III IV V VI VII
Am häufigsten lernt man zuerst diese Kombination kennen:
I IV V I - C F G C
das ist die klassische Kadenz, wie gesagt das klingt gar nicht rockig.
interessant ist, dass kleine Umstellungen aber zu Ergebnissen führt, die sehr wohl rockig klingen können:
I V IV I - C G F C
damit sind wir wieder bei Bad moon rising
In dieser Weise funktioniert auch das Bluesschema:
I / I / I / I
IV / IV / I / I
V / IV / I / I
Blues und Rock sind also harmonisch sehr eng verwandt und der Rock 'n' Roll basiert harmonisch vollständig auf dem Bluesschema.
Die Musik der British Invasion Bands ging aber harmonisch einen anderen Weg, sie schaute zuerst auf die wichtigste "Rocktonleiter"
Kommt ihr mit den theoretischen Bezeichnungen klar?
Ich würde mich freuen Beispiele aus eurer Hitliste hier zu finden, die wir dann mit der Musik der klassischen Rocker vergleichen können. Wie die Briten das damals gemacht haben, habe ich ja noch gar nicht erklärt, das kommt in meinem nächsten Post dran.
Gruß Hagen
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