Nach einiger Zeit möchte ich auch nochmal ein Review zu meinem ersten Bausatz schreiben. Die Gitarre ist zwar schon länger fertig, aber irgendwie habe ich es komplett vergessen
Das Holz:
Was mir gut gefallen hat, war die Qualität des Holzes an sich. Der Hals hat ein angenehmes Profil und ist etwas dicker als der meiner Mexico Standard, was mir sehr entgegen kommt. Ich hatte ursprünglich bei dem Preis eher mit einem sehr dünnen Hals gerechnet - geringerer Materialverbrauch und daher geringere Produktionskosten etc. Der Korpus besteht aus mehreren Teilen, was mich aber nicht stört. Alles in allem aber sauber verarbeitet, keine Leimstellen und alles schon recht fein geschmirgelt. Super! Die Halstasche/Halsfuß passte nicht, habe ich zwar auch nicht erwartet. Jedoch habe ich auch nicht erwartet, dass es in dem Maße nicht passte und derartig viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Bohrung für die Anschlussbuchse ist leider schief.
Die Holzarbeiten:
Da ich zum ersten Mal mit Holz gearbeitet habe, war ich gespannt, wie ich mich auf diesem Feld schlage. Vorneweg, dieser Teil hat mir mit Abstand am meisten Spaß an dem Projekt gemacht
Die Kopfplatte war mit einer kleinen Puksäge und einigen Raspeln eine ziemliche Aktion, da würde ich mir beim nächsten Mal eine Maschine für ausleihen. Ich finde die blaue Beize wirkt auf der Decke richtig gut.
Auf der Rückseite gab es einige Stellen, wo die Beize partout nicht richtig einziehen wollte und deswegen etwas heller geblieben sind, egal wie oft ich nachgebeizt oder dunkler gebeizt habe. Erst hat mich das ziemlich gestört, aber inzwischen mit dem Ölauftrag finde ich den "used look" eigentlich ganz cool.
Damit komme ich auch schon zu dem großen Minus
: Der Öllack (
http://www.sehestedter-naturfarben.de/a-198/oellack-0-375l), den ich als Wiping-Varnish nach dieser Anleitung (
http://www.liutaiomottola.com/PrevPubs/WipingVarnish/WipingVarnish.htm) aufgetragen habe. Sprich: 10-12 dünne Schichten Öllack mit Terpentin verdünnt mit einem Tuch aufgetragen, feiner Zwischenschliff und der ganze Spaß geht von vorne los. Problem Nr. 1: Das passende Tuch. Ich habe vieles ausprobiert- alte T-Shirts, „fusselfreie“ Mikrofasertücher, Poliertücher aber Fusseln gab es immer. Und die dann wieder rauszubekommen ohne die neue dünne Lackschicht durchzuscheuern ist fast unmöglich. Grade auf dem Korpus sah man jede einzelne Faser, deswegen sind da glaube ich an die 20 dünne Ölschichten drauf. Am besten funktioniert hat letztlich ein Fensterreinigungstuch mit einer glatten und einer rauen Seite. Zwischendrin war ich ziemlich runter mit den Nerven und hätte es alles am liebsten in die Tonne getreten. Zum Schluss kam noch eine Schicht „Filmer Polish & Wax“ drauf. Es besteht in erster Linie aus Kieselerde und Carnaubawachs und hat noch einiges gerettet und die Oberfläche spürbar glatter gemacht.
Der zweite negative Aspekt ist die mangelnde Stoßfestigkeit des Finishs, die praktisch gegen null geht. Mir war klar, dass dies kein Klarlack ist, aber etwas mehr habe ich doch erwartet. Mit meinen Fingernagel könnte ich problemlos Rillen und Dellen ins Finish treiben. So taugt das Finish nur als Oberflächenschutz gegen Schmutz und Wasser. Alles in allem keine Empfehlung für den Gitarrenbau! Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall ein anderes Produkt und eine andere Auftragungsform wählen, zumal durch das ganze Hin und Her, die unzähligen Schichten und die leicht gelbliche Farbe des Öls auch das Binding etwas gelitten hat. Etwas verfärbt und durch das Abtragen des Öls an einigen Stellen etwas zerkratzt.
Hardware und Elektrik:
Die Tuner und Bridge machen einen soliden Eindruck und bleiben erstmal drin. Die Gurtpins habe ich nicht verwendet, sondern Loxx Securitylocks eingebaut. Evtl. baue ich später mal eine String-Through Bridge ein, Empfehlungen für eine passende Bridge nehme ich gerne entgegen
Leider fehlten einige Schrauben und Muttern oder sie sind mir weggefallen, was ich aber nicht glaube, weil ich aus dem Karton eigentlich nie was rausgenommen habe, ohne es zu verbauen. Aber ist auch nicht dramatisch, der Baumarkt ist gleich um die Ecke.
Die hauseigenen Tonabnehmer habe ich gegen Wilkinson PUs getauscht (
https://www.musiker-board.de/thread...ory-im-selbstbau.307471/page-215#post-8080104). Der mitgelieferte Schalter war sehr wackelig, mir brach schon vor dem Einbau einer der Kontakte ab. Jetzt ist ein Toggle von Göldo verbaut. Die Potis sind ebenfalls 250er von Göldo, nachdem im Set 500er mitgeliefert wurden (Ist das bei allen Tele-Kits so?!). Zwischendrin hatte ich Probleme bei der Verkabelung (
https://www.musiker-board.de/threads/tele-toggle-verdrahtung-lautes-brummen.651691/). Der Gitarrenbauer hat dann den Toggle neu verlötet und die Ausgangsbuchse ausgetauscht und dann war auch das Brummen weg.
Sound und Fazit
Besonders gespannt war ich, ob und wie die Thinline im Vergleich zu einer klassischen Tele klingt. Sie klingt unplugged erstmal viel lauter und „offener“. Letzteres bestätigt sich auch am Verstärker. Sie liegt gut in der Hand und ist auch spürbar leichter. Insgesamt ist der Unterschied größer als erwartet. Auch der Sound ist gut.
Alles in allem bin ich mit meinem ersten Versuch im Gitarrenbau zufrieden. Einige Sachen klappten gut (Beizen, Zusammenbau), einige Sachen weniger (Öllack) und bei wiederum anderen hat man einfach eine Menge gelernt für die Zukunft (Elektrik, Kopfplatte). Mit der Qualität vom ML-Factory bin ich im Großen und Ganzen zufrieden, für den Preis. Beim nächsten Mal würde ich aber von Anfang einen höherwertigeren Bausatz kaufen oder mir die Einzelteile zusammensuchen, weil sich das dann doch summiert hat. Der Bausatz hat 170€ gekostet, wobei ich mit Öl, Beize, etwas Werkzeug, neuem Toggle, neuen Potis und dem Gitarrenbauer locker auf das Doppelte komme.
Und hier einmal die ganze Familie: