x-Riff
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Das ging nur, wenn "gut" ein unabhängiger Begriff wäre, das ist er aber so gut wie nie.
Deshalb ist "objektiv gut" nur sehr schwer vorstellbar.
Suche mal irgend etwas, bei dem "gut" ohne erklärende Defintion auskommt.
Der Sperwurf ist gut. Weil er technisch gut war oder weil er weit war oder weil er das Reh getroffen hat?
Vielleicht ist hier der Begriff "intersubjektiv" nicht übel und kann einige Mißverständnisse aus dem Weg räumen.Na, das stimmt schon. Alles dient irgendeinem Zweck.
(Ich habe sogar selbst ein Lied darüber geschrieben: Everything serves).
In der Kunst halte ich es aber gerne mit dem alten Protagoras:
"Der Mensch ist das Maß aller Dinge."
https://de.wikipedia.org/wiki/Intersubjektivität
Denn objektiv ist nur der Gegensatz zu subjektiv, wenn wir uns in den Naturwissenschaften bewegen bzw. der Welt nachweisbarer bzw. falsifizierbarer Urteile. Der Satz: "Es regnet" oder "Es ist heiß" läßt sich mit spezifischen Instrumenten und angebbaren Skalen bzw. Definitionen "regnen tut es, wenn Wasser aus Wolken vom Himmel fällt" objektiv messen.
Der Gegensatz zu subjektiv ist intersubjektiv, wenn wir uns in der Gesellschaft bewegen. Dann bedeutet subjektiv weiterhin, dass eine Aussage, Wertung etc. rein auf ein Individuum beschränkt ist (und damit auch keine allgemeine Gültigkeit behauptet: "Ich mag diesen Film gerne"), während intersubjektiv meint, dass eine nicht objektiv bestimmbare Aussage, Einschätzung, Einstufung oder Wertung unter bestimmten bzw. angebbaren Bedingungen auch von anderen nachvollzogen und geteilt werden kann.
Das ist beispielsweise der Fall, wenn die Behauptung aufgestellt wird, dass Pink Floyd eine gute Prog-Rock-Band ist und wenn weiter angegeben wird, dass guter Prog-Rock vorliegt, wenn die songs komplex und oft lang sind, die Musiker ihre Instrumente außergewöhnlich virtuos beherrschen, das Konzept oft ein ganzheitliches bzw. umfassendes oder multimediales ist, oft auf spätere Musik-Richtungen, Musiker, Genres und Stile Einfluß hatte und so weiter und so fort.
Wenn andere Menschen diese Kriterien teilen, kann man intersubjektiv ein Urteil fällen, ob eine bestimmte Band eine "gute" oder eine "prägende" etc. Prog-Rock-Band ist bzw. war. Und man kann nach diesen Kriterien auch andere Bands beurteilen - unabhängig davon, ob man ein Fan von Prog Rock ist oder nicht.
Bach war das bekanntlich nicht, könnte aber durchaus zu den guten Komponisten klassischer Musik gezählt werden. Wenn denn jemand anzugeben bereit wäre, was unter einem guten Komponisten klassischer Musik (bzw. eines Teilbereichs der klassischen Musik) zu verstehen wäre bzw. welche Kriterien zu erfüllen wären, um zu einem dementsprechenden Urteil zu kommen.
Mit dem Konstrukt "Intersubjektivität" kann man sich also zwischen Individuen unterhalten und zu nachvollziehbaren Einschätzungen und Urteilen kommen ohne entweder in die Falle "dass alles rein subjektiv sei" noch in die Falle "dass es etwas objektives (besonders im Sinne eines: unabhängig von Menschen existierendes) sein müsse" tappen und man kann sich dabei wesentlich entspannter unterhalten.
Ich persönlich kann der Liste der oben aufgestellten Kriterien einiges abgewinnen (wobei ich eben "Objektivität" als Kriterium ablehnen würde), habe aber erhebliche Schwierigkeiten, mir vorzustellen, dass sinnvoll (im Sinne beispielsweise von erkenntnisfördernd) sein könne von "Musik an sich" auszugehen oder von "Musik im Allgemeinen" zu sprechen. Sowohl die kulturellen Unterschiede, wenn man sie ernst nimmt (wir sind alle schon in einer Welt aufgewachsen, die tendenziell schon "Weltmusik" kannte - das war vor einhundert, vierhundert oder tausend Jahren völlig anders) als auch die Unterschiede zwischen den Genres sind in meinen Augen so groß, dass der Versuch, etwas zu finden, was eine Klammer bildet, die alles fassen kann, in einen Begriff ausartet, der eine zu dünne Suppe bildet als dass man sie noch genießen könnte.
Filmmusik hat eine ganz andere Bedeutung und muss sich an ganz anderen Kriterien messen (lassen) als Tanzmusik, klassische Musik, Jazz oder Pop oder sonst etwas.
Wenn ich oben Prog Rock angeführt habe, kann ich dem, ohne den Bereich "moderner Musik" zu verlassen, "Punk" entgegensetzen. Gute Punk-Musik oder eine gute Punk-Band wäre bestimmt durch kurze, einfach strukturierte Stücke, die stark Riff- und Rhytmusbetont sind und in der Regel mit den basic-Rock-Instrumenten (gitarre, drum, bass, Gesang) auskommen, und durch eine "Auf-die-Fresse"- und eine Protesthaltung geprägt sind.
Das würde auch gut funktionieren - aber weder mit den Kriterien für das eine noch für das andere wäre irgendetwas gewonnen, das Tanz- oder Filmmusik oder auch klassischer Musik gerecht würde.
Natürlich kann man anführen, dass jegliche gute Musik das Leben angenehm macht und dass das das allgemeinste Kriterium sei. Aber tut es das, stimmt das? Sehr dramatische Musik, sehr viel Bluessongs und andere Musik führen nicht dazu, dass der Mensch angenehme Stunden verbringt, denn sie führt uns in die Tiefe, bringt uns Trauer, Aggression, Wut etc. nahe. Das ist nicht wirklich angenehm und unterhaltend - aber es kann bereichernd sein. Kunst funktioniert meines Erachtens nicht mit einem Begriff, der ausschließlich auf angenehme Gefühle abzielt.
Was der eine als Bereicherung ansieht, kann für den anderen aber eine höchste Form der Belästigung sein. Man setze ein Wacken-Publikum vor ein Walzer-Orchester und setze einem befracktes Wiener Opernball-Publikum eine Death-Metal-Band vor.
Das Argument, dass Menschen, die "gute" Musik in ihrem Genre (oder in mehreren) zu erkennen vermögen, diese Elemente oder diesen Kern auch in anderen Genres zu erkennen vermögen, halte ich einerseits für nachvollziehbar, andererseits trifft das meiner Erfahrung nach am ehesten auf Musiker zu - und dort auch bei weitem nicht auf alle. Es ist vielleicht eher eine Art Wertschätzung und Würdigung, die damit zu tun hat, dass man in gewisser Weise "hinter die Kulissen blickt" und dabei feststellt, dass viele Vorgänge hinter einer Bühne ähnlich sind und von einem hohen Grade der handwerklichen Beherrschung, der Meisterung technischer Vorgänge und dem bewußten Umgang mit Vorgängen, die eine emotionale und/oder geistige Wirkung erzielen, geprägt sind - unabhängig davon, welches Stück gerade gespielt und welches Publikum bedient wird.
x-Riff
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