Hallo Gemeinde,
So, nach ca. 40 Stunden Beschäftigung mit der BFG und 2 Blasen an den Fingern hier mein Review:
Ausstattungsmerkmale
Griffbrett: Rosewood/Palisander
Bauart: Solid Body
Pickup: H-S, 1x Humbucker + 1x Singlecoil
Decke: Plain Maple
Korpus: Mahagoni
Pickups: 1x Gibson Burstbucker 3, 1x P90
Regelmöglichkeiten: 2x Volume, 1x Ton
Bridge/Tremolo: Tune-O-Matic
Anzahl Saiten: 6
Hals: Mahagoni
Farbe: Translucent Gold
Lieferumfang: Koffer
Hardware: Black
Anzahl Bünde: 22
Besonderheit(en): P90 Pickup
Halskonstruktion: eingeleimter Hals
Special: KILL Switch
Erscheinungsdatum: 2007, eingestellt 2009, ab da nur noch als Gary Moore Signature Version erhältlich
Fotos:
siehe weiter unten
Ankunft:
Das Paket ist schnell aufgerissen und dann liegt der schicke schwarze Koffer mit der gewölbten Decke vor mir. Sieht schön aus, man weiss sofort was drin ist und fett prangt das Gibson Logo drauf. 4 Verschlüsse und ein Schnapper-Zahlen-Schloss sichern den Inhalt. Alle lassen sich sofort und leicht öffnen. Robust und präzise verarbeitet. Nach dem Öffnen liegt die BFG in sattes dichtes weisses Plüsch gebettet. Zusammen mit der goldenen Farbe hat das irgendwie was von Märchen. Einatment und Nase rümpfen: Ein muffiger, industrieller, unangenehmer Geruch schlägt mir entgegen. Ich nehme die BFG raus und stelle verwundert fest dass sie total staubig ist. Ich hatte zwar davon gelesen dass das Teil des Konzepts ist, aber richtig fetter Staub der überall drauf und drin sitzt ist nicht cool, nicht konzeptionell, nicht authentisch sondern einfach nur schachsinnig. Offensichtlich hat sich der Staub mit der Luftfeuchtigkeit besonders an den Seiten zu einer klebrigen Masse vereinigt, so dass sowiso nichts bleibt als Seiten und Hardware runter und erst mal ordentlich reinigen. Das Griffbrett ist in einem erbärmlichen Zustand, supertrocken und gobporig. 3 Runden mit Lemonoil und es sieht wieder schön aus, für den Rest reicht ein Polish mit einem leicht feuchten Tuch, dass hinterher schwarz ist.
Ich ziehe Elixir 009er auf und spiele sie trocken an: Mann, ist die laut und frisch. Klingt wie eine superresonante Strat, nur wärmer und satter.
BFG:
Da das meiste ja schon eingehend diskutiert wurde nur das was mir über das im Thread bereits beschriebene hinausgeht:
Gewicht: Die ist superleicht, leichter als meine Strats, das hat mit Paula-Normal-Gewicht grad gar nix zu tun, eher so Paula mit Magersucht. Ansonsten ist das Shaping aber normaler Standard. Obwohl das Holz irgendwie rauh aussieht ist es jetzt nicht so roh dass man irgendwo hängen bleibt oder sich anratscht, im Gegenteil, es hat alles einen matten seidigen Schimmer. Der Zargen sieht aus wie grob abgehobelt, die Holzpoties sehen auch sehr naturbelassen aus. Kopfplatte matt gehalten, is ok, nich doll und nich doof, halt ok.
Der Hals ist sehr gewöhnungsbedürftig, erstens sehr satt und dick, 2. sehr grob irgendwie. Das hat lange gedauert bis ich mich dran gewöhnt hatte, dann aber war es ganz normal. Was super aussieht sind die Mechaniken und der Rest der Hardware: Alles in abgegriffenem Mattschwarz - sieht wirklich super aus und funktioniert hervorragend, absolute Weltklasse.
Die Decke ist gecarved und golden eingetönt. Hauchdünn ist sie mit Nitrolack überzogen. Dieser ist tief ins Holz eingezogen, so dass man ihn eigentlich gar nicht sieht, sie sieht auch aus der Nähe aus wie unlackiert. Gibson meint dazu, das sei damit sie völlig frei schwingen kann.
Der Korpus ist gechambered und zwar nicht zu knapp. Wir sprechen hier nicht von ein bisschen weight relief, sondern massiven Tonkammern, daher ist sie auch so resonant. Apropos, was mir schon beim trocken anspielen auffiel, war, dass sie unglaublich Obertonreich ist und die Harmonics nur so pinchen und pfeifen. Sehr geil.
Bei meiner ist die Klinkensteckerbuchse sehr schwergängig. Der Pickupselector sitzt unten wo sonst das Tonpoti des Halspickups wäre. Ist zunächst ungewohnt, aber bei ner Strat ja auch nicht anders und da gehts ja auch ohne Probleme. Der Killswitch beim Halspickup funktioniert super, sehr geiler Effekt. Das versehentliche Umlegen des Switches beim Spielen kann ich mir irgendwie nicht erklären. Bei mir gibts da keine Probleme.
Sound:
1. Tag: Ich stöpsel sie in meinen Kettner Tube 50 ein, schalte auf clean.
Steg: Sehr transparent, extrem direkte und dynamische Ansprache, klingt wie ne Paula aber viel transparenter.
Hals: Warm, dick und doch mit dem typischen Knack eines Single Coils. Wesentlich perkussiver als bei einer Standard.
Mitte: Super, gar nicht mal unähnlich einer Zwischenstellung bei Strat oder Tele, irgendwie out-of-phase-artig, transparent, perkussiv und doch warm.
Das gleiche wiederholt sich bei crunch, wobei hier meine Standard-Amp Einstellung nur zu einem eher hyper-transparenten, spitzen und doch undefinierten Sound verklumpen. Hi-Gain am Hals P90 klingt schön, cremig und doch viel rauher als bei einer Standard. Mitte ist ok und Steg klingt nur nach Bässen und Höhen, als wäre ein riesiges Loch im Frequenzgang. Ich setze sie in Verkaufsannoncen im Flohmarkt, quoka und bei Thomann.
Die Tage danach:
Ich spiel sie immer mal wieder an und experimentiere mit verschiedenen Zerrpedalen. Das Ergebnis bleibt wegen der oben erwähnten Probleme unbefriedigend.
Sonntag: Ich fange von vorne an. Clean und experimentiere mit den Reglern der Gitarre, drehe die Lautstärke 10% zurück - und der Sound rastet ein. Wunderbare Klangfarben, kein Höhenverlust, extrem ausgewogen, perkussiv fast wie eine Strat, eine Anschlagsdynamik wie ich sie bei Paulas noch nie erlebt habe, luftig, aber immer sehr warm und voller Timbre sowie mit viel Harmonics.
Naja, dann probieren wir das doch mal im Crunch: Hals P90 absolut super für Blues Riffs, total rauh aber bei weitem nicht so spitz wie ne Strat, viel wärmer, aber extrem definiert und akzentuiert. Nichts von dem üblichen eher trägen, warm-dicklichen Paula Ton, bis auf eine leicht Wärme. Lasst es mich mal so sagen: Wenn die BFG clean und crunchy die leichte frische Wärme eines Frühsommertages in der Natur hat, dann ist die Standard die schwüle drückende Hitze eines Augusttages in der Frankfurter Innenstadt. Bridge: Ganz ok für Picking, aber mir zu spitz und dünn im Crunch-Betrieb, da bleib ich in der Mitte, das klingt so fett wie eine Standard am Steg aber deutlich definierter und mit mehr Attack.
Lead: Ich hab die PU'S immer noch 10% zurückgefahren und jetzt gehts total ab. Die Harmonics springen einen bei allen Stellungen richtig an. Hals und Mitte sind nun optimal für Solo Arbeit, wie auch zuvor klingt es total warm und wunderschön singend wie bei einer Paula, aber der rauhe kehlige Unterton ist immer noch zu hören, es klingt einfach dreckiger als bei einer Standard, aber typisch Paula. Für Solos ist es kein Problem im High-Gain den P90 ganz aufzudrehen.
Für Rhythmus ist nun die Mittelstellung super wenn es richtig fett sein soll, klingt ähnlich massiv wie bei einer Standard, aber der P90 sollte dabei 10% zurück gedreht sein. Klingt akzentuierter als bei einer Standard. Jetzt kann man den Bridge PU ruhig auch voll aufreissen. Der Burstbucker alleine klingt etwas dünner, aber superpräzise und transparent. Eventuell wird der bei mir mal später durch einen van Zandt oder einen Häussel Vin+ mal ersetzt, mal sehen.
Sustain: Ist etwas weniger ausgeprägt als bei einer Standard. Wenn PRS 100% ist und die Standard 85% dann wäre die BFG 75% und meine 79er Greco Strat 60%.
Bespielbarkeit: Ziemlich gut, die Bünde sind nicht zu dünn und nicht zu dick, Saitenlage lässt sich sehr flach einstellen und dass es scheppert. Mein Massstab für Bespielbarkeit ist klar meine Charvel Model 4, die hat 100%. Meine Standard bei 85%, die BFG landet bei 78%, meine alte Strat bei 63%.
Die Schlampe rockt und bluest was das Zeug hält und der beste Vergleich der mir einfällt ist die Symbiose aus Perkussivität und Transparenz einer Strat mit dem Ansprechverhalten und offenen Ton einer Semiakustik sowie mit der Kraft und Wärme einer Les Paul. Für mich die absolute Blues und Rock-Klampfe. Drop D klang auch sehr geil und transparent, ist aber nicht meine Heimat, daher halt ich mich dazu etwas zurück. Für mich klangs geil, aber bin da kein Experte.
Ich lösche die Verkaufsannoncen, mach ein Licher auf und überlege was ich anstelle der BFG verkaufen soll.
Fazit:
Die wirklichen Mängel (Geruch, Staub, Saitenlage, Saitenqualität) waren schnell behoben. Aus meiner Sicht haben wir es hier mit einem eigenständigen Instrument zu tun auch wenn Les Paul drauf steht. Durch das Tonkammersystem hat sie deutliche Anleihen bei Semiakustik-Gitarren was Resonanz, Obertonverhalten und Offenheit des Tons betrifft sowie bei Strats was Transparenz und Perkussivität angeht. So roh und rauh wie sie aussieht, sie lässt sich gut spielen. Für mich sieht sie so wie sie ist super aus. Den Koffer find ich total geil. Für den Preis ein so ausgefallenes und eigenständiges Instrument zu bekommen ist schon sensationell. ABER: Man muss sich über 2 Dinge klar sein: Sie ist und bleibt barely finished und bad fucking. Wer eine Hochglanz-Paula mit AAAAA Wölkchen Ahorndecke und 1+ Verarbeitung sucht bekommt hier das Gegenteil. Zweitens: Der Klang ist Les Paul mit sehr deutlichen Einflüssen von Semiakustik und Strat-ähnlichem. Sie kann sehr gut am Hals singen und am Steg Druck machen. Das cremig-dichte-dicklich warme Sahnebrett einer Standard liefert sie jedoch nicht ab, dafür ist sie einfach zu transparent. Möglicherweise wird sie mal wegen ihrer absoluten Einmaligkeit gesucht sein unter Sammlern. Ob sie dadurch jedoch gleich zu einem Investitionsobjekt wird, bezweifel ich mal. Was aber imho klar sein dürfte ist, dass sie ihren Wert wie fast jede Gibson erhalten wird über die Jahre.
So jetzt trink ich noch n Licher und geh dann ins Bett. Keep on Rocking, Schlampe!
vg meikii