Schade, dass viele Leute nie einen Blick in den Wirtschaftsteil ihrer - hoffentlich noch vorhandenen - Zeitung werfen - man bekommt oft einen ganz anderen Eindruck von den Dingen.
In der Wirtschaft sind keine Idealisten unterwegs, die die Menschheit mit ihren Produkten beglücken wollen, es geht hier erst einmal ums Geldverdienen. Niemand kann/will seine Waren verschenken oder auch "nur" bei ihrer Produktion draufzahlen. Der Verkauf muss sich auch lohnen!
In einem Forum, wo man unter sich ist, gibt es vielleicht keinen Widerspruch, aber bewegt man sich einmal aus seinem Gitarristen-(Probe-)Kämmerchen heraus und riskiert einen Blick auf die Wirtschaftslage, könnte man sich seitenlange Klagen über angebliche "Abzockerei" sparen.
Beim letztendlich abgebrochenen Börsengang von Fender vor zwei Jahren wurde die schwierige Lage der Musikindustrie doch diskutiert:
- (Billig-)Konkurrenz aus Fernost
- fehlender Nachwuchs - die Jugend spielt lieber mit dem Computer und gibt ihr Geld für andere Dinge (Elektronik) aus
- wie überall wächst vor allem der Billigbereich und das Premiumsegment - die Mitte fällt weg
- auch für wenig Geld erhält man heute Produkte, mit denen man etwas anfangen kann
- die anhaltende Wirtschaftskrise wirkt sich immer noch aus, auf dem wichtigen Absatzmarkt in Europa gehen die Absätze zurück, in anderen/ärmeren Ländern hat man kein Geld für teure Instrumente
Fender hatte 2010 bei 700 Millionen Umsatz nur einen Gewinn von 3,2 Millionen Dollar - und 250 Millionen Dollar Schulden!
Und das, obwohl Fender zum Beispiel auch in Mexico produziert, wo die Lohnkosten deutlich geringer sind als in den USA. Auch wenn die Südstaaten der USA inzwischen "die billigsten Produktionsstandorte in der gesamten industrialisierten Welt" sind und sich die USA zu einem
Billiglohnland enwickeln könnten, weil ein Arbeiter dort im Durchschnitt 35 Prozent billiger ist, als sein Kollege in Westeuropa, leuchtet mir nicht ein, warum es in den USA möglich sein soll, E-Gitarren unter 1000 Euro zu bauen, wenn es keinem deutschen Hersteller gelingt, Gitarren unter grob geschätzt 2000 Euro herzustellen.
Vor allem, wenn auch andere Hersteller nicht nur Billigware, sondern auch Gitarren mit vierstelligen Verkaufspreisen schon seit Jahren in China herstellen lassen.
Fender hat mit seinem Ableger in
Mexico noch dazu einen deutlichen Kostenvorteil, denn schon seit ein paar Jahren gilt "So sind die Lohnkosten heute niedriger als in China. Vor zehn Jahren noch waren die Lohnstückkosten in Mexiko zweieinhalb Mal so groß wie im Reich der Mitte. Das zählt vor allem im Vergleich zu den USA." und "Ein Stundenlohn in den Südstaaten der USA entspricht einem Tageslohn in Mexiko". Dazu kommt die Standortnähe, die Transportkosten und -zeit spart und trotzdem ist damit offensichtlich nicht viel verdient - wie wird es dann erst mit einer reinen USA-Produktion aussehen?
Bei einer Personengesellschaft wie Gibson kann man nur Vermutungen anstellen, aber ich gehe hier von einer allgemein üblichen
Mischkalkulation aus:
"Man erwartet dabei in der Regel, dass die geringeren Gewinne oder sogar Verluste, die mit einigen dieser Produkte erzielt werden, durch entsprechende höhere Gewinne anderer Produkte ausgeglichen werden, so dass insgesamt ein akzeptabler Deckungsbeitrag erreicht wird. Mischkalkulation kann dem Zweck dienen, die Preisgestaltung zu vereinfachen oder neue Zielgruppen zu erschließen, häufig wird damit aber auch das Ziel verfolgt, Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, die aufgrund anderer Kostenstrukturen keine entsprechende Mischkalkulation anbieten können."
Auf Dauer muss sich das aber rechnen und vermutlich hat man nun die Preise den Produktionskosten angepasst, weil man sonst Geld zuschiessen muss und versucht, den Kunden das Ganze mit neuen Features schmackhaft zu machen.
Das führt natürlich dazu, dass das Hobby E-Gitarre nicht mehr ganz so billig zu haben ist, wenn man Wert auf grosse Namen legt, aber wenn ich mir so anschaue, was Leute heute bereit sind an Geld auszugeben, für Dinge, die so sinnlos wie teuer, aber Mode sind, dann halte ich das für gar nicht mal so schlimm!