So, ich misch auch mal noch in diesem Thread mit, damit er auch ja nicht zum stillstand kommt
Ich beschäftige mich schon seit über 2 Jahren mit dem schreien - hauptsächlich Screamen. Anfangs schrie ich auch einfach drauf los und hatte die gleichen Symptome wie viele andere hier auch: Reizhusten, Schmerzen und Heiserkeit. Nach ca. einem halben Jahr, glücklicherweise nicht zu exzessiven Schreiens, habe ich mich dann in die Powermetal-Sparte eingelebt und fing an Gesangsunterricht zu nehmen. Ich lernte das richtige Atmen, den Kehlkopf unten zu halten und einfach immer locker zu sein. Stellte dann aber fest, dass die Technik zwar immer besser wurde, meine Stimme aber von der Klangfarbe her ziemlich übel klang, darum liess ich es dann bleiben mit dem Singen. Die Gesangslehrerin sagte mir auch, dass keine Schäden an meinen Stimmbändern hörbar wären, also schwein gehabt. Vor einem halben Jahr fing ich wieder an, mit dem Screamen, weil wir niemand anders in der Band haben, der das machen wollte. Ich probierte gleich von Anfang an das Screamen mit der gelernten Technik zu erarbeiten. Es brauchte ein ganz schön grosses Stück Geduld, bis mal vernünftige Laute aus meinem Rachen kamen, dafür ging das ganze ohne jegliche Schmerzen oder sonstigen Begleiterscheinungen und mir war damit klar, dass ich auf dem richtigen Weg war. Jetzt, nach einem halben Jahr nicht zu intensivem trainings, hat sich meine Stimme immens entwickelt. Klingt besser als zu jeder Zeit des "sinnlosen darauflosschreiens" und ich kann locker 5 Stunden am Tag schreien, ohne heiser zu werden. Nichtsdestotrotz bleibt die Ernüchterung, dass ich auf dem Weg des Schreiens noch ganz am Anfang steh und es noch einen grossen Bedarf aufzuholen gilt. Ihr seht also, auch eine guter Schreihals fällt nicht einfach vom Himmel. Ist vielleicht einfacher als richtig gut Clean singen zu lernen, aber von heute auf Morgen ist es nicht erlernbar. Meinen Beitrag will ich mit ein paar Tips verzieren:
Sacrum's Screamingweisheiten:
1. Sei immer locker, auch wenn du am Anfang das Gefühl hast, dass du pressen und drücken musst als würdest du ein Kind gebären. Steh vor den Spiegel und probiere ganz leise zu schreien, ohne irgend eine Fratze zu ziehen. Schaue völlig neutral in den Spiegel und spanne keinen Muskel an. Wenn du die Venen am Hals siehst, bist du verkrampft. Mach ein paar Sekunden Pause und probier' es nochmals. Wenn das leise Fauchen langsam aber sicher völlig locker kommt, probier es zu steigern. Mach das so lange, bis es ein Schreien wird. DAS GEHT NICHT AN EINEM TAG, du wirst sehen, es wird nur schon Wochen beanspruchen, bis man von einem Schreien sprechen kann.
Auch der Kehlkopf will entspannt bleiben. Man sollte ihn weder gewaltsam nach unten drücken, noch sollte man zulassen, dass er nach oben schnellt. In beiden Fällen geht deiner Stimme viel Volumen flöten. Locker bleiben und ein Gefühl dafür bekommen, so zu singen, dass der Kehlkopf in der optimalen Position ist (nämlich die Position, in der er ist, wenn man normal spricht). Berühre ihn leicht mit zwei Fingern und fange an zu schreien. Dann, wenn er sich nur noch um Millimeter von seiner Ausgangsposition bewegt, bist du richtig
2. Die Atmung ist mindestens so wichtig wie das Lockersein. Im Gesangsunterricht lernt man, dass man mit "dem Bauch" atmet, also mit dem Zwerchfell. Ich will darauf nicht weiter eingehen, es gibt sicher genügend Threads zu diesem Thema. Wenn du mit der Brust atmest, brauchst du hier gar nicht weiter zu lesen. Die Zwerchfellatmung ist ein elementarer Bestandteil des richtigen Singens. Wenn du sie beherrschst, wirst du trotzdem versucht sein zu pressen - halt einfach mit dem Zwerchfell. Vergiss das! Die Luft muss von alleine rausströmen und es sollte dein Ziel sein, so wenig Luft wie möglich fürs Schreien zu verbrauchen. Dann wirst du auch nicht mehr jammern, dass dir ständig die Puste ausgeht. Ich kann ohne weiteres 30 Sekunden lang ohne Unterbruch schreien und habe sogar dann noch Luft übrig, aber weil mein Kopf rot wird und mir schwindlig wird, muss ich dann doch wieder mal atmen
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3. Das drumherum. Es gibt hunderte Tipps und Tricks die Sänger und Sängerinnen haben, um möglichst gut singen zu können. Die gleichen Dinge helfen auch dem Screamer. Ich will je das wichtigste von der "have to" und "don't"-Liste nennen:
Have to:
Du musst viel Trinken. Noch mehr als ein Sänger ohnehin schon sollte. Die Stimmbänder müssen immer gut geschmiert sein, da sie sehr stark belastet werden. Wasser ohne Kohlensäure eignet sich dafür mit Abstand am besten. Was sicher nicht gut ist, sind gezuckerte Getränke, da sie die Stimmbänder verkleben. Und Kohlensäure ist darum nicht gut, weil man mit der Bauchatmungstechnik häufig rülpsen muss
Bier hat nicht so viel Kohlensäure und auch kein Zucker, ist daher sicher auch gut. Der Alkohol löst vielleicht sogar noch den einten oder anderen Schleim auf den Stimmbändern.
Don't:
Milchprodukte aller Art. Kein Käse, keine Milch, keine Butter, keine Schokolade. Alle diese Produkte hinterlassen einen "film" auf den Stimmbändern, der ein sauberes Vibrieren deutlich erschwert. Teig und so sind weniger kritisch. Am besten ein paar Stunden vor dem Singen keine Milchprodukte zu sich nehmen. Sollte es doch mal passieren, kann ein bisschen Zitronensaft wunder wirken - der löst den Film wieder ein bisschen. Jedoch wirklich im Masse, da die Säure wiederum die Stimmbänder reizt.
Milchprodukte nach dem Singen sind aber dann sehr zu empfehlen, da der Milchfilm die Stimmbänder wie ein balsam beruhigt. Vor allem wenn man merkt, dass man sich zu fest verausgabt hat, einfach ein Glas Milch trinken, und man fühlt sich schon viel wohler
^^Das alles ist voll und ganz Gesangstechnik-Theorie und lässt sich 1:1 auf das Screamen applizieren. Wenn man's wirklich richtig machen will, kommt man da kaum drum rum. Es kostet Zeit und häufig auch Geld, aber bei welchem Instrument ist das nicht so? Wenn ihr wirklich Screamen (oder auch growlen) lernen wollt, dann kostet das euch einiges - aber wenn ihr's richtig macht sind das nicht eure Stimmbänder
Von mir müsst ihr keine hörprobe verlangen, denn ich gebe zu, dass ich noch einiges zu lernen habe. Vor allem das, dass ich mich nach kurzer Zeit schreien verspanne und dann keinen vernünftigen Ton mehr rauskriege.
Wünsche euch allen viel Glück und auch Geduld!
Sacrum