Sorry - nee, eigentlich nicht Sorry. Ich muss mal kurz:
Die gängigen Blues-Künstler, die die Allgemeinheit kennt und auf die man als Interessierter zuerst stößt, sind Gitarristen wie B.B.King und Johnny Lee Hooker.
Und worauf basiert diese Erkenntnis? Ich halte sie für total falsch und sehe das ganz anders. Verallgemeinerungen sind schwierig, wenn sie nicht belegbar sind, daher mach ich gleich weiter...
Die Zeitenwende des Blues hat mit dem Aufstieg des Chess-Labels in den 1950ern angefangen.
Auf einmal war Blues Hit-Material - zumindest in seinem kulturellen Milieu.
Das ist schlichtweg Quatsch. Lies vielleicht meinen Artikel nochmal durch. Blues war seit den 1920er Jahren ein sehr erfolgreiches Genre mit hohen Verkaufszahlen. Richtig ist vielleicht, dass Chess für den Chicago Blues wichtig war, der mit der Zeit des Folk-Revivals populär wurde, und das hat wiederum dazu beigetragen dass die Musik auf einmal auch bei einem breiteren weißen Publikum Interesse fand. Es gab Cross-Over-Hits von den schwarzen in die weißen Charts, auch das stimmt... aber dass Chess Blues zu Hit-Material gemacht hat, ist halt einfach falsch.
Chess vereint zusätzlich die letzten der alten Blueser, wie Muddy Waters oder Howling Wolf, mit den ersten der neuen, z.B. der schon genannte Chuck Berry.
Auch wieder Kappes. John Lee Hooker war nicht bei Chess, er hat unter falschem Namen ein paar Platten für sie rausgebracht - aber die "Hits" waren eher bei "Modern". Son House hat ein Album bei Columbia rausgebracht. "Alte" wie Fred McDowell oder Skip James waren bei Capital oder Vanguard. Chess war wichtig, keine Frage, aber es war bei weitem nicht wie von Dir dargestellt der einzige Dreh- und Angelpunkt der Blues-Szene. Und ob man Muddy und Wolf als "alte" Musiker klassifiziert, halte ich auch für fragwürdig - sie sind ja mit elektrifiziertem Delta-beeinflusstem Chicago Blues gross rausgekommen, nicht mit traditionellem Kram aus den 1930ern.
Ein gutes Beispiel dafür ist die Platte "Riding With The King" von Eric Clapton und B.B. King aus dem Jahr 2000.
Hier hört man sehr gut die Unterschiede: Clapton, der versierte Techniker, King, der intuitive Gemütsmensch.
Hört mal in die Platte rein, euch fällt sofort auf, was ich meine.
Mir fällt das nicht auf, weder sofort noch irgendwann. Ich höre zwei wirklich gute Musiker, die keinem mehr irgendwas beweisen müssen, die offensichtlich Spaß an der Arbeit hatten.
Ich bin ja auch schon wieder still. Ich mag aber auch nicht alles stehen lassen, was ich für falsch halte. Dürft gerne wieder draufhauen und auf die Breite und Weite und künstlerische Freiheit hinweisen, meinetwegen.
Aber nochmal: Wer Blues spielen will, sollte Blues hören.
Und ergänzt: Wer was über Blues wissen will, sollte die Chance auf richtige Informationen haben.
Wie hier wohl üblich versuche ich diesen Rant mit einem versöhnlich gemeinten Blues-Track abzuschließen: