Bist du denn sicher, dass du seinerzeit in der DDR mit der Kodaly-Methode ´traktiert´ wurdest? Meines Wissens nach dominierte in der DDR die "Jale-Methode" (die schon 1930 von Richard Münnich veröffentlicht wurde).
Ganz sicher bin ich nicht, aber ich glaube, wir hatten "Do Re Mi" und nicht "Ja Le".
Zu
dem JaLe-System hab ich mich grade nochmal bei Wikipedia belesen.
Es ist schon spannend, was sich diese Musikwissenschaftler da für Gedanken gemacht haben, um ein möglichst in sich stimmiges und logisches System zu entwickeln. Das muss man erstmal anerkennen.
Man könnte philosophieren, warum sich das nicht durchgesetzt hat. Ich vermute, es ist einfach zu komplex, und man braucht es nicht wirklich als drittes System; dazu die Doppeldeutigkeit relative/absolute Notennamen.
- Absolute Notierungen macht man mit Noten.
- Für die relative Denkweise hat man ja die Stufen I, II, b IV usw., damit kann man alles ausdrücken.
Die Zahlen nochmal mit Silben zu codieren, macht die Sache nur komplexer. Musikalisch erfassen muss man es sowieso, also welche Intervalle/Töne konsonant/dissonant klingen, wohin sie sich auflösen, wie Intervalle klingen und wie man sie vom Blatt singt. Das scheint mir alles über Zahlen (Stufen) einfacher als ein zweites Notennamensystem.
Als einziger sinnvoller Anwendungsfall erscheint mir, dass man einem Chor mit Handzeichen eine Melodie zeigen kann. Bloß müsste der dann auch die Intervalle singen können. Und bei Melodien mit Modulationen geht es nur, wenn man alles vorher festlegt.
Aber vielleicht gibt es doch jemand, der das irgendwie nutzt? Würde mich interessieren. Vielleicht hänge ich ja auch nur geistig in dem System fest, das ich kenne.
=== EDIT ===
Ich habe eine recht ausführliche
Arbeit eines Herrn Buchholz zu dem Ja-Le gefunden, wo der Autor beschreibt, wie man mit Modulationen im Volkslied umgeht (dort häufig in die Dominante oder die Mollparallele).
Auf Seite 37 unten schreibt er, es sei "relativ einfach, wenn man die Veränderung des Ni der Ausgangstonart ... erkannt hat". Hm. Alles ist einfach, wenn mans kann
Aber lassen wir das mal dahingestellt sein.
Gleich danach kommt folgender Abschnitt:
Also um das System verwenden zu können, muss ich
1. eine harmonische Analyse machen
2. da es viele Varianten gibt, brauche ich eine Tabelle.
Damit ist es aus meiner Sicht auf elementare Melodien beschränkt und - wie der Autor auch schreibt - hauptsächlich für das Singen mit Anfängern geeignet, um Noten auch im wörtlichen Sinn mit den Handzeichen "greifen" zu können. Auch wer parallel ein Instrument lernt, braucht das nicht.
Was mich auch hier generell stört, ist, dass er wieder mal die Vorteile der Methode postuliert, ohne irgendwelche Belege dafür anzuführen. Zudem behauptet er auch noch (in der Einleitung) die Gründe zu kennen, warum viele Menschen nicht sicher singen können.
Die Gegner sind politisch motiviert oder kommen "immer aus einem Lager, wo auch sonst in Sachen musikalischer Praxis wenig zu erwarten ist." Da klingt schon etwas Frust durch. Aus meiner Sicht setzt sich eine Methode schon durch, wenn sie praktisch gut ist.
Richtig spannend fände ich mal eine Untersuchung, in der größere Gruppen Kinder mit und ohne das System Singen lernen, und das dann ordentlich ausgewertet wird. Kennt vielleicht jemand einen Prof oder wissenschaftlichen Mitarbeiter/in an einer Hochschule, die sich dafür interessieren würden?
Also nach allem, was ich jetzt so gelesen habe, scheint es mir doch ein ziemlich verkopftes, sehr beschränktes System zu sein. Würde mich aber auch gern vom Gegenteil überzeugen lassen.