Gestern habe ich meine Gitarre vom Gitarrenbauer zurückgekriegt. Es hat geschlagene 3 Wochen gedauert...Hölle! Er hat die Elektrik verlötet, den Sattel gekerbt, die Bridge eingestellt (Reiter eingestellt, Bridgehöhe) und Saiten die ich ihm mitgegeben hatte aufgezogen.
Die Bridge sitzt jetzt extrem tief und ungefähr auf gleicher Höhe wie der Saitenhalter. Dadurch laufen die Saiten fast gerade vom Saitenhalter zum Sattel...sie liegen nur knapp auf der Bridge auf, der Saiten-Winkel an der Bridge ist kaum sichtbar.
Ich kann mir vorstellen, dass durch den flachen Saiten-Winkel vom Saitenhalter zur Bridge ein bisschen weniger Gewicht auf der Bridge aufliegt (da die Saiten nicht so nach unten zum niedrig stehenden Saitenhalter gedrückt werden wie üblicherweise) und die Saiten daher mit etwas Glück weniger oft reißen werden wie bei meinen beiden SG's...wenn bei ihnen eine Saite reißt, dann nämlich meistens dort, wo sie an der Bridge aufliegen. An meinem Eigenbau sind übrigens nun INFELD-Saiten (.10er Satz) aufgezogen.
Ich hab die Gitarre an meinen H&K Edition Blonde angeschlossen und zu meiner großen Überraschung festgestellt, dass sie sehr ordentlich klingt. Der Neck-PU ist sehr blueslastig und klingt tiefer als der Neck-PU meiner SG's, der Bridge-PU ist dafür gewohnt rotzig und durchsetzungsfähig. Der Klangunterschied zwischen Neck- und Bridge-PU ist hörbar krasser ausgefallen als bei der Gibson SG, was sicherlich damit zu tun hat, dass durch den verkürzten Hals der Neck-PU des Eigenbaus proportional näher zum 12 Bund liegt als bei einer normalen SG.
Ein Manko ist, dass die Neck-PU beim Eigenbau hörbar leiser ist als die Bridge-PU...das liegt wahrscheinlich zum einen an den tieferen Frequenzen die sie einfängt und zum anderen daran, dass der Abstand zu den Saiten an der Neck-PU größer ist. Ich lasse mich da aber gern eines besseren belehren..!
Eventuell muss ich den Neck-PU daher noch ein bisschen erhöhen. Bei fast ganz runtergedrehtem Gain tut sich der Neck-PU schwer die Gitarre zum Zerren zu bringen (ist nur ganz leicht angezerrt, klingt warm, dunkel und blueslastig), der Bridge-PU zerrt da jedoch schon ordentlich und klingt rotzig wie bei alten Punkrock-Aufnahmen. Ich finde die Klampfe daher recht vielseitig. Von den Tesla-Pickups bin ich übrigens sehr angetan, ich finde, sie sind klanglich nicht schlechter als die 490 R und 498 T PU's der Gibson. Die Epi Humbucker machen insgesamt eine deutlich schlechtere Figur (mulmiger) und sind nicht so dynamisch.
Dafür hebt sich die Mittelstellung beim Eigenbau sehr hervor. Während ich bei meiner Gibson SG nie in Mittelstellung spiele weil die beiden Humbucker an der Gitarrre zusammen irgendwie nichts halbes und nichts ganzes ergeben (Ton ist seltsam leer und gefühlt auch leiser), verhält es sich bei meinem Eigenbau eher so, dass von beiden Welten das Beste mit drin ist. Also knackige Bässe aus dem Neck-PU und durchsetzende Obertöne aus der Bridge-PU.
Was mich am meisten gefreut hat ist, dass die Gitarre absolut oktavrein ist. Selbst im 20. Bund klingen Akkorde sauber. Eine weitere Überraschung war, dass sie mehr Sustain hat als meine Gibson SG. Dafür wirkt sie in der Hand auch viel spröder und steif, was ich wiederum nicht so gut finde.
Wenn man an der Gibson einen Akkord anspielt und den Hals und Korpus "aneinander bzw. auseinanderdrückt" kann man einen leichten "Vibrato-Effekt" erzeugen...bei meinem Eigenbau ist das so gut wie nicht möglich, der Hals sitzt so bombenfest am Korpus, das sich da so gut wie nichts beeinflussen lässt. Die Gitarre ist deutlich schwerer als die Gibson, aber dafür ausbalancierter (die Gibson neigt zur Kopflastigkeit). Zur Bespielbarkeit: Ein weiteres Manko ist, dass sich die Rückseite vom Hals durch den Schiffsklarlack recht klebrig auf der Handfläche anfühlt. Über den Hals der Gibson kann man mit der Spielhand besser rauf und runter gleiten als bei meinem Eigenbau. Die Saitenlage ist bei beiden eigentlich identisch.
Insgesamt hat mich der Bau von den Materialkosten für die Gitarre selbst ungefähr (aufgerundet) folgendes gekostet:
Korpusholz: 60 Euro
Hals: 175 Euro
2x Tesla VR-3 Pickups: zusammen 100 Euro
Potis, Toggleswitch, Knobs, Backplate, E-Fach-Abdeckung, Schlagbrett, Schrauben und der ganze Kleinkram und der mir gerade nicht einfallen will: ca. 100 Euro (ich hab überwiegend bei Rockinger eingekauft)
Beize, Klarlack: Ca. 40 Euro
Halstasche Fräsen lassen: 20 Euro.
Gitarrenbauer (Elektrik verlöten lassen, Sattel gekerbt, Gitarre eingestellt) 80 Euro
Unterm Strich also ca. 575 Euro allein für die Gitarre an sich.
Werkzeugkosten nochmal ungefähr 100-150 Euro. Dazu muss ich aber sagen, dass ich so gut wie kein Werkzeug hier hatte und vieles neu gekauft habe, was beim nächsten Eigenbau natürlich wegfallen wird.
Alles zusammen also plusminus 700 Euro.
Fazit: Die Gitarre ist nicht schön geworden, aber dafür selten. Ich denke wir werden gute Freunde *g*
Vom Klang her ist sie vielseitiger als meine Gibson und kann sich in allen Disziplinen mit ihr messen. Wider Erwarten habe ich dem gefällten Mahagoni-Baum also meine Schuldigkeit getan
Zum Schluss nochmal ein großes Dankeschön an alle, die dieses Projekt verfolgt haben und mir mit Rat zur Seite standen!
Insbesondere nochmal ein großes Danke an:
Uwe.s., züborch, Joa, Barth Basses, Foxytom und The Dude für die Hilfestellung und natürlich an David Bowie höchstpersönlich, dessen Alben ich beim Bau nicht müde wurde zu hören
Soundbeispiele und Fotos kann ich auf Wunsch noch nachreichen.