Die Zukunft der Musik???

@ Roland Kramer:
ohne diese Beispiele zu kennen, hatte ich dabei auch an farben gedacht, die ähnlich ineinander überlaufen. interessant zu wissen, dass andere schon diese ideen vor 100 jahren hatten.
"impressionistischer Klang" als beschreibung find ich treffend und an sich ne interessante idee.

ich wollte auch nicht sagen, dass es sowas noch nicht gab, nur dass sowas verstärkt vielleicht mal eingesetzt wird. sowas wie das "continuum fingerboard" geht auch in diese richtung.werd mir aber mal deine beispiele kaufen oder versuchen irgendwo anzuhören. danke für den tipp :)
 
Wie gesagt, Schönbergs Orchsterstücke Op. 16 sind auch schon fast 100 Jahre alt. Ich denke, die meisten Leute aus meinem Bekanntenkreis würde ich mit dieser Musik vergraulen.

Wie dem auch sei, ich denke, dass der Durschschnittshörer nur eine bestimmte maximale Komplexität an Musik verstehen kann. Wenn dies Mass überschritten wird, dann führt's zur Ablehnung. Die für mich interssante Frage ist: Steigt das Mass der maximalen Komlexität an Musik, die vom Durchschnittshörer verabreitet werden kann, und wenn ja, wie schnell?

Vielleicht liegt es (vom persönlichen Geschmack mal ganz abgesehen)auch mit daran, dass die meisten einfach nicht bereit sind, überhaupt die Zeit aufzubringen, sich auf das noch Ungewohnte einzulassen. Denn man wird solche Musik normalerweise wohl nicht spontan beim ersten Hören gleich toll finden, sondern muss da erst irgendwie reinwachsen, obwohl es natürlich auch Ausnahmen gibt. Vom Musikunterricht (lang ist's her) kenne ich solch komplexe Musik jedenfalls nicht, das Interesse dafür wurde erst durch Zappa geweckt, war also doch ein etwas längerer Prozess. Aber von sehr nachhaltiger Wirkung, denn heute höre ich - abgesehen von Jazz - fast nur noch sowas.

Mit modularen Synthis hatte ich mich zumindest mal theoretisch (schaltungstechnisch) auseinandergesetzt, gleich nachdem ich von "Switched on Bach" so überaus beeindruckt war. Sicher, man kann damit fast alles machen, und zunächst klingen die Sounds auch sehr faszinierend. Aber nach einer gewissen Zeit wird's dann doch irgendwie langweilig, richtige Instrumente klingen doch wirklich lebendiger.

Grüße,
Rolf
 
Wie gesagt, Schönbergs Orchsterstücke Op. 16 sind auch schon fast 100 Jahre alt. Ich denke, die meisten Leute aus meinem Bekanntenkreis würde ich mit dieser Musik vergraulen.
Die für mich interssante Frage ist: Steigt das Mass der maximalen Komlexität an Musik, die vom Durchschnittshörer verabreitet werden kann, und wenn ja, wie schnell?

Zu1. Ausgesprochen schön sind die kurzen orchesterstücke von Anton Webern, die ich jedem warm ans herz lege.
Zu2. Das sollte mich wundern, wird es doch immer leichter, sich musik zu jeder gewünschten zeit oder als dauerberieselung zu gemüte zu führen. Abhängig wird das u.a. von den modemachern sein, die immer neues verkaufen wollen, meist das altgewohnte in anderem gewande.
Andererseits: mit dem "richtigen " programm "erstellt" heute jeder esel akustische sachverhalte, die er für kompositionen hält. Die begleit-automatik ist auch ein symptom für mühelose schein-"komplexität".
Jeder hör-anfänger will "muster-interpretationen" und höchsten, technischen standard, aber er kann, wie gesagt, weder Dur und moll, noch eine flöte von einem kontrabass unterscheiden und hält "rubato" für kriminell.
Wenn nicht eine wende in der musikerziehung (ganz allgemein, nicht auf schule beschränkt) eintritt (warum sollte sie?), gehen wir mageren, aber aufgeplusterten zeiten entgegen.
 
Die Zeiten waren noch nie so beschissen wie Jetzt
Oh tempora - oh mores

Freunde des Guten, Edlen und Experimentellen

Es war doch immer so, wird immer eine Konstante sein und es wird immer eine Avantgarde (ob jetzt selbsternannt oder anerkannt) geben und es ist doch weitgehend müßig, sich darüber zu ereifern.

Zum anderen sehe ich partout nicht ein, warum ich es schlimm finden soll, einen einfachen song gut zu finden. Oder warum einfache Tanzmusik schlimm sein soll. Unterhaltung, Entspannung und Blödsinn halte ich für ein genau so legimes Interesse wie andere auch.

Allerdings halte ich viel davon, die Zugänge zu erleichtern. Wenn ich an den stinknormalen Musikunterricht an der Schule denke, graust es mir. Wenn ich das Abonenntenpublikum und den Bayreuthrummel mitbekomme, graust es mir. Und Radio und MTV schalte ich schon lange nicht mehr ein. Hier gibt es sicherlich Potenzial nach oben ohne Ende. Englang macht uns da einiges vor - schließlich entstammen Genesesis einer solchen Schmiede, wenn sie auch leider nach ihren guten Alben sich dazu entschlossen zu haben scheinen, im Mainstream unterzugehen.

Aber es gibt wirklich Alternativen zur xten Superstar-Suche, die weitgehend nur dem Voyorismus dient.

x-Riff
 
Die Zeiten waren noch nie so beschissen wie Jetzt
Oh tempora - oh mores

Die zeit heute ist so, weil die zeit gestern sooo war. Vieles klafft weiter auseinander statt sich zu harmonisieren: soziale gegensätze national und global, einkommen, preis/leistung u.a.m.
Auf unserem gebiet stehen hervorragende musiker und klangkörper einem immer verständnisloseren publikum gegenüber, das nicht leistung, sonder event- und massencharakter honoriert. Keine opern- oder konzertübertragung im fernsehen, ohne dass ein möglichst "prominenter" moderator dazwischenquatscht, um das dargebotene dem doofen (oder dafür gehaltenen) zuschauer "rüberzubringen".
HiFi, stereo, surround treffen auf immer taubere ohren, das von dir angesprochene voyeurtum breitet sich immer mehr aus, weil es trefflich bedient wird, und wieviele schaumschläger sind heute auf vielen gebieten erfolgreich!
War immer so? Vielleicht, nicht so, aber anders.
 
War immer so? Vielleicht, nicht so, aber anders.
War ein bißchen provozierend von mir.

Ich denke, grundsätzlich war es immer so - es hat immer einen Massengeschmack und Brot und Spiele und Aventgarde gegeben.

Durch die Massenmedien - insbesondere TV und Internet - ist aber die Möglichkeit und die faktische Verbreitung viel beherrschender geworden - Medien sind der wesentliche Zugang und deshalb muss alles medial verwertbar sein, was diesen Zugang nutzen will.

Aber wie ich schon schrob: wie alles hat dies zwei Seiten - unbekannte Künstler können unabhängig bestehender Vermarktungsschienen Eingang finden und die Möglichkeit, preisgünstig selbst semiprofessionell Musik zu machen und aufzunehmen hat auch zugenommen.

Meines Erachtens wird dadurch auch ein Bedürfnis nach Orientierung zunehmen - wie soll man sonst unter dem Haufen von Heu die Nadeln finden?
 
... Wie dem auch sei, ich denke, dass der Durschschnittshörer nur eine bestimmte maximale Komplexität an Musik verstehen kann. Wenn dies Mass überschritten wird, dann führt's zur Ablehnung. Die für mich interssante Frage ist: Steigt das Mass der maximalen Komlexität an Musik, die vom Durchschnittshörer verabreitet werden kann, und wenn ja, wie schnell? ...
Ich kann deinen Trend nicht sehen, meiner Meinung nach nimmt momentan (recht rapide) die Möglichkeiten komplexe Musik zu hören beim Durchschnittshörer ab!

Günter S. hat es ja schon geschrieben, man muß etwas dafür tun, Musik wirklich hören zu können - unser Schulsystem, unsere Elternhäuser, die "alltägliche Beschallung" wirkt da aber sehr kontraproduktiv. Die Musik wird, wie die gesammte Kunst, vor die Hunde gehen, wenn da unser Bildungssystem nicht schnellstens gegensteuert. Selbst die kleine Elite, die es sich "leisten" kann ihre Nachkommen auszubilden wird irgendwann einfach überrannt werden von der Kommerzmusik (aller Art!)


... Das wäre dann fast eines neuen Threads würdig: Analog zu "Die Zukunft der Musik" der Thread "Die Zukunft der Musik für den Durschnittshörer/die Massen". Wird Kenny G. irgendwann durch Eric Dolphy ersetzt? ...
wieviele, der hier am Thread beteiligten, können auf Anhieb sagen, welche Instrumente Dolphy spielt, ob er noch lebt, schwarz oder weiß,...??
Ich sehe den Trend eher so, daß Kenny G. durch einen Computer ersetzt wird, der mittels Zufallsgenerator Töne aus einer pentatonischen Reihe aneinandersetzt...
 
- wie soll man sonst unter dem Haufen von Heu die Nadeln finden?

Unser thema (unsere befürchtung) war/ist, dass der heuhaufen immer größer und die nadel immer kleiner wird.
Freilich kann man sich umfassend informieren, aber wer tut es bei dem herrschenden überangebot ohne motivation oder wenigstens gelindem zwang? "Wie kann ich komponieren, ohne mich anzustrengen?" Das kann ich auch nicht, obwohl/weil ich etwas gelernt habe, obwohl die technik uns viel arbeit abnimmt.
Wird nicht schon die schule (generationen haben daran gearbeitet, sie "umzupolen" und zum schrecken für schüler und lehrer zu machen) als unerträglicher zwang empfunden, weil lernen nicht immer nur spaß macht. Wer auf einen berg steigen will, muss sich anstrengen, belohnt wird er erst auf dem gipfel.
 
tja wegen dem größer werdenden heu und der nadel darin:

ich sehe auch schon internetwege, die dies aufbrechen - nämlich diese vielen bewertungsplattformen , die ein ranking enthalten, wie bei youtube oder myspace oder ähnliches.
dadurch wird ein ordnungssystem geschaffen.

aber dem individuellen an sich, wie meinerseits, nützt es meist nur bedingt was.
 
Die Fähigkeit Musik bewusst zu hören, nimmt tatsächlich immer weiter ab.
War Musik früher immer noch etwas besonderes wird sie heutzutage überall und zu jederzeit konsumiert.
Die Jugendlichen haben doch ständig die Stöpsel in den Ohren, oder noch schlimmer, die Lautsprecher des MP3 Handy auf ''sehr laut'' gestellt.
Die Konsequenz ist die zu starke Gewöhnung an Musik, sie wird zu einem Hintergrundrauschen degradiert, dass nach und nach vollständig vom Bewusstsein ''ausgefadet'' wird.
Wer an einer Hauptstraße wohnt, hört irgendwann die ganzen vorbeifahrenden Autos nicht mehr, wundert sich aber, wenn sie nicht mehr da sind.
Stille wird heutzutage sehr unterschätzt, weshalb ich auch hin und wieder Musik-freie Tage einlege, um mir den Spass an der Musik nicht zu verderben.

Eine ganz konkrete Konsequenz für die Zukunft der (populären) Musik sehe ich im Aussterben des dynamischen Spiels.
Dazu eine Anekdote eines Bekannten (ein Drummer) von einem seiner ersten Studiojobs:
''Als ich von der Toilette wiederkam, war meine akustische Snare durch eine elektrische ersetzt worden, mit der Begründung ich spielte zu dynamisch...und dafür hab ich also Jazz studiert...''
 
Eine ganz konkrete Konsequenz für die Zukunft der (populären) Musik sehe ich im Aussterben des dynamischen Spiels.
Dazu eine Anekdote eines Bekannten (ein Drummer) von einem seiner ersten Studiojobs:
''Als ich von der Toilette wiederkam, war meine akustische Snare durch eine elektrische ersetzt worden, mit der Begründung ich spielte zu dynamisch...und dafür hab ich also Jazz studiert...''

Das betrifft aber, wie du schon sagst nur die populäre Musik, ich möchte mal in einem Postrocklied z.b eine undynamische Drummachine hören, das gibt es nicht.

Ausser natürlich, es soll bewusst steril gehalten werden.
 
Da sucht man nach einem Xennakis-Zitat und landet hier bei MB in diesem schönen Thread. Ich belebe also mal wieder, auch wenn mittlerweile niemandem mehr ein Rätsel sein dürfte, was Aggro Berlin ist.

ich würde gern meine 5 cent hier noch mit in den Pott werfen.

1. Das meiste, was uns U-Musikhörern neu vorkommt, ist in der E-Musik ein alter Hut. Die meisten Gedankengänge sind vorgezeichnet, warum man es mit U-Musik und einer entsprechenden Ausbildung nicht auf die Höhe der E-Zeit schafft ist mir ein Rätsel. Liegt wahrscheinlich an Berührungsängsten. Man müsste sich doch eigentlich etwas musikalische Bildung anlesen, und diese mit ein bisschen künstlerischem Ehrgeiz entsprechend umsetzen können. Das Problem, ist, dass Musik einen Ausgangspunkt braucht, Spielregeln, die ich nur nach und nach verändern kann und das sind eben unterschiedliche Regeln in U- und E-Musik. Ich denke, Postrock und Drone zeichnen den Weg in Richtung Minimal Music vor, da ist aber noch was drin. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Aleatorik in der U-Musik eine Rolle spielen wird, sofern irgendwer einen Weg findet, das kommensurabel zu machen. Vielleicht könnte man aleatorisch generierte Snare-Beats über einem stumpfen four-to-the-floor Bass als eine neue Entwicklung im Drum-'n-Bass verkaufen? :gruebel:
Es wird nebenbei vermutlich noch mehr die Vergangenheit ausgeschlachtet. Erstens werden wahrscheinlich immer obskurere Sachen zugänglich gemacht, die werden zweitens zu immer krauseren Kombinationen führen. Aber ich freu mich schon auf Kwanza-Industrial. Crossover birgt glaube ich immer noch einiges Potenzial.

2. Ihr unterschätzt die Charts. Klar, es gibt darin Bohlen-Produktionen und Musikantenstadl, aber eben ziemlich oft auch geiles Zeug. Im Augenblick das neueste von den Black Eyed Peas, das ziemlich toll mit dem Autotune-Effekt umgeht. Oder schon etwas länger her, aber unglaublich, Pharell Williams mit Snoop Dog "Drop it like it's Hot" sowas von großartigem Minimalismus. Madonnas "Music"-Album oder auch ein paar Aggro-Berlin Sachen. Vieles von dem Zeug ist nicht umsonst so erfolgreich. Und kommt mir jetzt nicht mit gelernten Akkordschemata, die finden sich auch in extrem vielem Kram, der erfolglos bleibt.

3. Das Internet wird überschätzt. Klar ändert Myspace etwas und iTunes und dass jeder durch digitale Mittel sein eigener Produzent sein kann, ist toll. Aber die Musik als Kunstform wird davon bestimmt nicht beeinflusst. Major Labels werden vermutlich schwächer, dafür werden Konzertagenturen mächtiger. Das ist aber letzten Endes egal, da beide nur die monetäre Seite sehen. Für die muss sich Musik verkaufen, was meines Erachtens in keinem Zusammenhang damit steht, ob sie auf der Höhe der Zeit ist oder nicht. Außerdem findet nicht nur eine immer stärkere Verbreiterung auf der Produzentenseite statt, sondern auch bei den Plattformen selbst. Ich nutze zum Beispiel lieber Soundcloud und Bandcamp als Myspace. Vermutlich gibt es aber noch so einige weitere Anbieter, von denen ich gar nichts weiß. Das wird auch irgendwann unübersichtlich und damit egal. Denn hinter dem Bildschirm sitzt nunmal immer noch ein einzelner und kein Rechenzentrum.

4. Das wahrscheinlich einzige, worin die U-Musik weiter ist, als die E-Musik ist der Sound. In der U-Musik gibt es nämlich mit dem Produzenten einen Spezialisten dafür, deswegen wird auch so extrem viel Wert auf den Sound gelegt, auf die richtige Gitarre mit der richtigen Saitenstärke durch ein Fuzz aber bitte mit Germanium in einen Röhrenverstärker nach Vintage-Specs ohne Klangregelung. :confused: Mist, hab mich vergaloppiert
Zurück, der Sound wird, denke ich in Zukunft noch wichtiger werden, was in erster Linie an HipHop oder Elektro abzulesen ist. Hier ist der Produzent ja eigentlich derjenige, der die Musik macht und der Produzent denkt in aller Regel in Sounds. Ich glaube, wir werden in Zukunft alle mehr und mehr in Sounds denken und nicht in Noten. Das wird unter anderem bestimmt auch zu der oben imaginierten Tümpel-Musik führen. Aber es wird auch unser Verständnis von Musik verändern, indem eventuell derselbe Inhalt durch anderen Sound zu zwei als komplett unterschiedlich empfundenen Stücken führen kann. Oder im Umkehrschluss, unsere Nachfahren vielleicht Schwierigkeiten bekommen, zwei Akustikgitarrenstücke zu unterscheiden, eben wenn sie denselben Sound haben. Klingt erstmal wie eine Horrorvision, aber vielleicht nur, weil es sich von unserer Art, Musik zu hören, so sehr unterscheidet.

Das Xennakis-Zitat, das ich gesucht habe, lautet übrigens so:
"Musik ist keine Sprache. Mit seinen komplexen Formen, Furchen und eingravierten Mustern auf der Oberfläche und im Innern gleicht jedes Musikstück einem Felsblock, den Menschen auf unzählige Arten entziffern können, ohne je die richtige oder beste Antwort zu finden. Kraft dieser vielfältigen Auslegung evoziert Musik vergleichbar einem katalysierenden Kristall alle möglichen Phantasmagorien." Iannis Xenakis: Programmheftbeitrag La légende d'Er
 

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