Ich wollte früher auch klingen wie Jimi Hendrix.. wie Jimmy Page.. über die Jahre waren alle Möglichen Soundvorlagen vorhanden.
Ich denke mit dem passenden Setup und einer annähernd passenden Spieltechnik kann man serwohl auch ohne die Finger des Originals an dessen Sound herankommen.
Ich denke, dass wir in jungen Jahren fast alle so eine Epigonen-Phase durchmachen. Mal ehrlich: Was hat uns damals dazu motiviert, Gitarre spielen zu lernen? Natürlich der Klang unserer Helden, die wir bewundert haben. Klar träumt man dann davon, ein ähnliches Equipment zu haben - und man tut alles, um an den Ton heranzukommen. Da man schnell merkt, dass es nicht so klingt, wie wir es uns wünschen, analysiert man die Gründe hierfür - und landet neben der Spieltechnik eben beim Equipment.
Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie ich seinerzeit verzweifelt versucht habe, meine Bendings so klingen zu lassen, wie es Stevie Ray Vaughan bei Texas Flood gemacht hatte. Ich hatte wirklich alles: Eine American Stndard Strat aus 1994 (kein Überflieger, aber damals für mich das höchste der Gefühle), einen großen Bluesbreaker (kein Fender-Amp, aber doch schon ordentlich), einen Tubescreamer (kein Vintage-Modell, aber trotzdem grün und mit ordentlich Bassklau - habe mich gefühlt, wie der König der Welt) und Saiten von 13 auf 58 (selbstverständlich auf Eb gestimmt). Trotz massiver Hornhautvernichtung, den passenden Grimassen, Lautstärke und sogar Hut klang es aber nicht so. Das Licht ging dann auf, als ich die El Mocambo-Aufnahme von Stevie (damals noch als VHS-Video) studiert hatte und feststellte, dass der fiese Trick ist, dass man an den Saiten mit dem Mittelfinger reißen muss, während man das Plektrum weiterhin ganz normal hält. Auch habe ich bemerkt, dass der Shuffle bei Pride and Joy mit der berüchtigten "Windmühle" mit der Anschlagshand zu spielen ist. Natürlich klang es nicht so, wie bei Stevie, aber ich war stolz über meine Fortschritte, und die Groupies dankten es mir!
Was ich dadurch gelernt hatte, war nicht, dass Equipment zweitrangig ist. Vielmehr habe ich gelernt, dass Sound und Ton zwei voneinander verschiedene Sachen sind: Der Ton kommt aus Deinen Händen, der Sound nicht! Auch habe ich durch die lange Trial-and-Error-Phase mein Equipment sehr gut kennengelernt. Jetzt weiß ich, wie z.B. Mitten, Höhen, Lautstärke, Gain, etc. den Sound beeinflussen - was mir ungemein zugute kommt, da ich so mit etwas Rumgedrehe es schaffe, mit jedem Equipment einen zumindest halbwegs passablen Sound (nicht: Ton!) zu produzieren.
Dies hängt mit etwas zusammen, was ich schon lange gebetsmühlenartig vortrage: Das intensive Studium der Technik eines Gitarristen (krasser ausgedrückt: das exakte Kopieren) ist sehr effizient, wenn man an seinem TON arbeiten möchte. Wenn jemand z.B. 10 Soli von Albert King Note für Note und mit perfekter Intonation und perfektem Timing spielen kann, kann ihm nichts mehr passieren, wenn es um Bendings geht. Jemand, der BB King auseinandergenommen hat, wird auch gelernt haben, wie man Dynamiken einsetzt. Ich könnte jetzt beliebig weitermachen.
Ist es nicht vergleichbar, wenn es um den SOUND geht? Wenn man den Sound von einigen Gitarristen analysiert, lernt man daraus doch sehr effizient, wie die einzelnen Komponenten den Sound beeinflussen. Hast Du z.B. eine Gitarre mit Single Coils und einen einkanaligen Röhrenamp, kannst Du damit relativ leicht einen Clapton faken, wenn Du ordentlich Mitten hinzufügst und den Amp so weit aufdrehst, dass er ein wenig übersteuert. Aber dies weißt Du doch nur, weil Du vorher Claptons Sound studiert hast. Ebenso kannst Du mit vielen cleanen Amps einen Blackface-artigen Sound zumindest befriedigend hinbekommen, wenn Du Bässe und Höhen aufdrehst, die Mitten ein wenig scoopst, alles clean lässt, einen Compressor vorschaltest und das ganze ordentlich laut machst - aber dies weißt Du alles nur, weil Du vorher den Sound der alten Funk/Soul-Alben genau analysiert und Dich danach ein wenig mit Deinem vorhandenen - bescheidenen oder weniger bescheidenen - Equipment auseinandergesetzt hast. Die schmucke Sängerin, die Du begleiten sollst, wird es Dir danken, wenn Du als Gitarrist mal eben einen auf Clapton oder auf Leo Nocentelli machen kannst.
Seien wir doch mal ehrlich: Die beiden Sachen, die Du Deinen Zuhörern präsentieren kannst, sind doch Dein Sound und Dein Ton - und für das Gesamtpaket müssen beide stimmen. Der beste Gitarrist wird auch nicht sein Bestes bringen können, wenn sein Sound nicht stimmt. Es ist also durchaus sinnvoll, an beiden Faktoren zu arbeiten. Natürlich ist es einfacher, einen guten Sound zu kreieren, als einen guten Ton - Ersteres ist (leider) eben nicht nur eine Frage des Könnens, sondern auch der finanziellen Mittel.
Ich sage immer: warum soll man nicht alle Möglichkeiten nutzen, die einem geboten werden? Mit befriedigender Spieltechnik und sehr gutem Sound wird man gut klingen. Man höre sich doch nur John Mayer an: als Gitarrist sicherlich ordentlich, aber kein Überflieger wie z.B. Scott McKeon. Trotzdem klingt er oft unglaublich geil - weil er eben einen mörderisch guten Sound hat. Warum also nicht das beste auf seinem Ton rausholen und ihn mit einem guten Sound abrunden? Oder etwas drastischer: Pimpen!
Mit der Musik ist es doch so, wie mit allem im Leben. Das Motto: Style over Substance! Die erfolgreichsten Gitarristen sind doch die, die es schaffen, ein beeindruckendes Endergebnis zu erzielen, indem sie ihre - technisch limitierten - Möglichkeiten optimieren und das beste aus sich machen, indem sie einen Sound finden, der ihren Ton hervorhebt. Praktisch machen wir das, was Frauen machen, um attraktiver auszusehen. Es hat schon seinen Grund, warum Frauen Zeit und Geld in Bekleidung, Kosmetika, etc. investieren - sie wollen sich im guten Licht präsentieren. Wir machen doch das Gleiche! Natürlich wird aus einem miserablen Gitarristen niemals ein Warren Haynes und aus Renate K. niemals eine Megan Fox werden - aber mit etwas "Pimpen" kann man jedem auf die Sprünge helfen!