Der Begriff "Deutschrock" kann eigentl. von links bis rechts weit gefächert gesehen werden, wobei ich gar nicht weiß,
ob es zu dieser Zeit schon "bekannte" rechte Bands gab. Man kannte halt Punk & Co als "extreme" Musik, aber die waren
ja alle eher links als rechts.
Vllt. ist eher der Begriff "Krautrock" passender, der so in etwa die progressive Rockmusik aus dieser Zeit umfasst.
Die Beschreibung klingt mir weniger nach Krautrock (Can, Amon Düül II, Guru Guru, Grobschnitt etc., also deutscher Prog Rock), sondern mehr nach härterem, geraderem Rock deutscher Machart, also entweder die von Westernhagen besungene "Rolling-Stones-Kopie", nur eben in semipro mit eigenen Songs, oder generell Hard Rock.
Der TE hatte ja schon gesagt, daß es in der Band keinen Keyboarder gab, sondern nur b/dr/g/g. Das schließt zum einen Krautrock gänzlich aus, zum anderen erübrigt sich das Philosophieren über elektronische Instrumente jeglicher Art, geschweige denn über die Spitzenerzeugnisse der damaligen Zeit wie den zitierten Polymoog (der sich sowieso kaum verkaufte, auch weil er gerauscht hat wie Sau).
Auch die Krautrocker hatten nicht unbedingt Geld wie Heu, zumal Krautrock ja kein Hit-Garant war. Da spielten vor allem in nicht "ganz großen" Bands die Keyboarder am ehesten noch gebraucht gekaufte ältere Comboorgeln italienischer Herkunft (z. B. Farfisa, Godwin) oder vielleicht mal eine gebrauchte Böhm BnT/L. Synthesizer waren, bevor Korg Ende der 70er auf dem Plan auftauchte, teuer und/oder schwer zu kriegen. An einen Minimoog kam man wohl leichter, der kostete aber entsprechend. Ein ARP Odyssey war nicht ganz so teuer, kam aber nicht in so großen Stückzahlen, war gleichzeitig begehrter und daher schwer zu kriegen. Von ARP 2600 oder richtigen Modularsystemen ganz zu schweigen.
Gerade Ende der 70er hatte man richtig gutes, neues Edelequipment nur, wenn man entweder eine Tanzmuckerhure war, schon mal größere Hits hatte, ständig vor ausverkauften Häusern spielte oder wie die Herren Hütter und Schneider-Esleben mit einem silbernen Löffel im Maul geboren war. Außerdem trieben sich in richtigen Krautrockbands meines Erachtens weniger die Elektronik-Aficionados rum; die folgten alle dem Ruf entweder der Berliner, der Düsseldorfer oder – ganz selten – der Münchner Schule. Die elektronische Musik hat den Krautrock ziemlich dezimiert, denn als Kraftwerk 1973 und Tangerine Dream 1974 auf Vollelektronik umschwenkten, verließen sie damit den Krautrock, weil sie überhaupt keine Rockmusik mehr machten.
Was in Krautrockbands unterhalb der Spitzenklasse verblieb, waren eher die Spieler, die keinen Bock auf pompöse Klangschrauberei und daher keinen Bedarf an Wunder wie ausgefuchsten Geräten hatten. Allerhöchstens haben die sich mal einen Korg MS-10 oder MS-20 geschossen, aber der war ja auch billig. Wenn sie mehr Geld hatten, haben sie das in eins der ersten Multikeyboards gesteckt, das dann alles auf einmal erschlagen konnte und sollte. Vielleicht behielt man auch die Orgel und stellte sich noch eine Stringmachine dazu, die ja auch noch den einen oder anderen Sound konnte.
Richtige Polysynths wie Moog Polymoog Synthesizer Mod. 203a (wobei der nur sehr schwer "schraubbar" war), Yamaha CS-80 (mit 82 kg untourbare Immobilie), Sequential Circuits Prophet-5 (Großserienfertigung ging m. W. erst 1979 los) oder Oberheim OB-X (kam überhaupt erst 1979) waren in den Kreisen aber unerschwingliche Träume. Und der schon vorher erschienene Oberheim Four Voice war mehr ein nerdiger Proof of Concept als ein bandtaugliches Instrument. Allenfalls hat sich ab '78 mal einer für vier Kilomark einen Roland Jupiter-4 dazugestellt, aber der war auch kein Allheilmittel, sondern nur ein – obendrein auch für Nichtnerds bedienbarer – Zusatz.
Vielleicht können Zeitzeugen auch sagen, ob Kommune und Deutschrock zusammenpasst. Haben die in den (nach meinen Vorurteilen eher politisch linken) Kommunen so etwas gespielt?
Wenn man mal abseits von linksradikal-alternativen Revoluzzer-Kommunen guckt, gab es sowas definitiv auch in Form ganz einfach von WGs in noch oder ehemals besetzten Häusern.
In Hamburg-Eppendorf gab es in der ehemaligen Villa des kanadischen Botschafters eine WG namens "Villa Kunterbunt", in der ziemlich illustre Gestalten lebten, z. B.
- Otto Waalkes
- Udo Lindenberg
- Marius Müller-Westernhagen
- Gottfried Böttger (Pianist, den sein Publikum immer auf Ragtime festzunageln versuchte)
- Lonzo Westphal (der Teufelsgeiger von Eppendorf, damals erst bei Leinemann, die damals noch eine Skiffle-Band waren, dann bei Okko, Lonzo, Berry, Chris & Timpe, dann solo)
- "Willem" Dinklage (einer der beiden Sänger der Rentnerband neben Peter Petrel, später solo, dann NDR-Moderator)
- Hans Scheibner (Kabarettist, später mit eigener TV-Sendung)
Die haben viel zusammen gemacht, und bis auf Westernhagen traf man sie regelmäßig in der nahegelegenen Kult-Musikkneipe Onkel Pö's Carnegie Hall an.
Aber mit so Formationen wie Ton Steine Scherben hatten die nichts gemeinsam.
Martman