Nach gut 30 Jahren ist mir gestern wieder mal eine Squier Strat ist Haus geflattert. Eine "zeitgenössische" Chinesin mit Floyd Rose und zwei Humbuckern in Gunmetal Grau.
Ich wollte wieder eine Strat um die's nicht schade ist, wenn sie mal was abbgekommt, oder an der man auch was verändern kann ohne ein schlechtes Gewissen zu haben...
Zu schonen gelten eine koreanische Fender Strat (BJ 97) mit hot Noiseless und eine American Ultra Luxe (BJ14). Aber die Contemporary ist erstens was anderes und zweitens dann doch zu gut...
Aber der Reihe nach:
Beim Preis von 350,- Euro hatte ich kaum Erwartungen, eigentlich fast eher Ängste, in Erinnerung an meine letzte Squier Strat 1990 (Korea). Damals rissen zuerst die Federhakenschrauben aus dem Korpus, dann ein halbes Jahr später das Griffbrett vom Hals, noch bevor ich die Saitenlage auf Wunsch hinbekommen hatte.
Die Schachtel mit "Schublade" (gewohnt bin ich Kartons mit Deckel) fand ich schonmal praktisch, die Verpackung des Instruments 1A. Dass auf einer FR Gitarre die billigsten und schon nicht mehr frischen Saiten drauf sind, stört hingegen etwas, das können andere Hersteller besser. Aber OK. Der Preis.
Ausgepackt, Locks gelockert, gestimmt, wieder gestimmt (ich bin von den Ibanez Edges verwöhnt), und wieder, ehe alles passte, erstmal über eine perfekte (!) Intonation gewundert, trocken angespielt und erschrocken: Ne, das geht garnicht. Perfekt intoniert, aber 6mm Saitenhöhe am 12. Bund? FR Trem in schwarz mit lackierten Messerlagern... Bäääh. Also erstmal an den Hals, da ist nicht viel zu holen, am 7. Bund 0,2mm, also zwei halbe Umdrehungen auf ~0,05mm - defacto gerader Hals. Ändert kaum was an der Saitenlage. Also wieder aufmachen, Saiten lockern und Brücke runter, runter, runter, stimmen, stimmen, stimmen,...
Nach einer Stunde ist die Saitenlage zwar nicht ganz perfekt, dazu ist der Klemmsattel zu hoch, aber doch soweit, dass man die Intonation wieder einstellen kann und es dann auch zwischen 0 und 12 passt.
An diesem Punkt habe ich schon bereut, mich für FR entschieden zu haben, statt für eine starre Brücke - aber da wäre das Wunschinstrument gute € 500,- teurer gewesen und eben keine richtige Strat mehr (sondern eine RG).
Aber gut. Es geht, sie ist so bespielbar, auch wenn ich genau weiss, dass ich in den nächsten Tagen das Spiel mit frischen Saiten wiederholen werde, sobald der Hals nicht mehr arbeitet.
Hals und Griffbrett: Ein Traum! Ich hatte bei den Strats bisher meine japanische Deluxe als Maß aller Dinge angesehen was Hals, Griffbrett u. Bünde angeht, aber das hier ist wirklich gut, nochmal nen Tick komfortabler. Das Halsprofil würde ich als modern, leicht, aber nicht dünn beschreiben, die Griffbrettkante als präzise, aber nicht störend, die Bünde zwar vielleicht optisch nicht wunderschön poliert, aber glatt wie Babypopo rund bis aufs Holz und in noch angenehmer Größe (ich steh eigentlich auf zarte Vintage Bünde kurz vor Ende). Die Verarbeitung bei meinem Modell ist tadellos und der geriegelt schimmernde, geröstete Ahorn eine Augenweide, die matte Lackierung sehr angehem zu spielen und zwar bis zum letzten Bund, dank endlich erleichtem Zungang durch eine abgerundete Halsplatte.
Body: Trotz FR angenehm im Gewicht, perfekt balanciert, sehr sonor (klingt weder beim Klopfen, noch beim trocken spielen nach Pappel, eher wie alter Ahorn), dick lackiert im "modernen, zeitgenössischen ^^ " spät 80er Look, mit robustem Pickguard und leichtgängigen Potis und funktionierendem, robusten Schalter. Ausgang unten, statt vorne.
Bedienbarkeit: Aus meiner Sicht 1A, die Schaltung und die Potis bedienen sich wie bei einer PRS, das gefällt mir gut, wie gesagt, die Bespielbarkeit ist noch nicht optimal, da die Saitenlage noch etwas feinarbeit braucht, wahrscheinlich muss der Klemmsattel auch 0,1-0,2mm runter, aber viele Leute würden sie schon so nehmen und nichts ändern wollen. Sonst gibts absolut nix zu meckern.
Sound: Vorab: Für eine Strat extrem viel Sustain und mit den beiden sehr heissen (aber nicht unbedingt klanglich ausgewogenen) Pickups sehr gut auch für härtere Gangarten geeignet. Ich finde die Atomic HBs etwas dumpf, vielleicht etwas zu stark im Output um sie als "Universal" zu bezeichnen, aber vielleicht kann man da mit anderen Potis nachhelfen.
Neck-Stellung: Humbucker am Hals etwas matschig, da die tiefen Frequenzen stark betont sind, sehr schnell "crunchend"
Vordere Mittelstellung: Split des Neck-HB. Nicht ganz Strat-Neck, nicht wirklich 1. Mittelstellung, aber clean und crunchy doch gut brauchbar.
Mittelstellung: Innere Spulen der Humbucker, klingt als wären sie in Serie, bin mir aber nicht sicher, müsste man messen. Ist auf jeden Fall interessant, wofür, weiss ich noch nicht.
Hintere Mittelstellung: Äquivalent zur vorderen, ein Split des Bridge-Humbuckers, kommt klanglich zwischen Tele und Strat Bridge. Echt gelungen!
Bridge: Schade: Hier hätte ich ein trockenes Rockbrett erwartet, man bekommt aber einen saftigen Ton, der schon die meisten Clean Kanäle überfordert und nicht besonders gut auf 6-8 am Vol-Poti reagiert, hier verliert er zu sehr an Dynamik, bleibt aber vom Pegel noch immer laut. Eher für Metal als für Rock geeignet, vielleicht an einem 1W Röhrer, der nur in der Endstufe zerrt, perfekt für bluesige Soli? Muss ich mal testen...
Mein Fazit:
Für mich sicher nicht die perfekte Gitarre, aber ganz, ganz, ganz viel Wert fürs Geld mit einem traumhaften Hals, einer Verarbeitung, die an die alten Japan Fender/Squier erinnert.
Für viele andere sicher die perfekte Gitarre: Floyd Rose, Roasted Maple Neck mit viel Sustain, heissen Pickups.
Wenn die Saitenlage dem Genre entspechend so gut eingestellt wäre, wie die Intonation (ich habe noch nie erlebt, dass die ab Werk auf die zweite Kommastelle genau stimmt), würde ich glatt an den Jungs bei Fender zweifeln, denn dann gäbe es keinen Grund mehr, eine Mex oder US Strat zu kaufen. Denn in allen anderen Aspekten der Materialien und der Verarbeitung hat diese Contemporary nahezu auf Augenhöhe aufgeholt.
Im Vergleich zur ~8x teureren Ultra Luxe kann die dann eigentlich nur durch das Werkssetup des Trems (das identlisch ist!), den Compound-Radius des Griffbretts und den (dafür deutlich) besseren Bridge-Pickup punkten, wobei die Lackierung des Halses und auch die Bundierung bei der Squier besser ausgeführt sind, als bei der US Strat...
Also wer sowas sucht: zugreifen! Es lohnt!
Ich werde mir aber dennoch eine RG(wohl eine 421 HP...) dazu nehmen, die liegt mir doch mehr.
Ich wollte nur noch eine Strat um die es nicht schade ist, eigentlich ist es um diese hier aber schade, da sie richtig gut ist.