Da stand er, ziemlich unscheinbar in der Ecke bei meinem Fachhändler. Unvermutet, ich war wegen Kabel da. Angeblich heute angekommen, quasi also noch "unberührt", insofern war es eine Premiere. Zack. Kopfhörer geholt, angeschaltet, losgelegt.
Das Live-Instrument schlechthin.
Die ultimative Perfomance-Maschine.
Sagt das Papier.
Ich sag was anderes.
Jupi Jupi Yeah, Jupi Yeah. (frei nach Deichkind)
Mann oh Mann, wie peinlich ist dass den?
Ich glaube, dieses Gerät hat nur eine einzige brauchbare Anwendungsgruppe - nämlich die, die EINEN Sound gut klingend auf der ganzen Tastatur wollen. Nur das.
Man sollte ja eigentlich immer die positiven Seiten sehen. Also erstmals dazu.
- Tastatur: Spielbar. Da knacks ich mir nicht so leicht den Finger aus wie auf Hammertastaturen. Braucht allerdings ein bisschen Eingewöhnung.
- Schön kompakt isser. Leicht, aufgeräumter, nicht so n Klotz wie der 80er.
- Bedienfeld: Wirkt konstruierter, nicht mehr so wirr. Und hübsch bunt. Und das Display wirkt edel.
- Und ja, er klingt gut. Er klingt wirklich verdammt gut...
... zumindest teilweise ...
Soundmässig ist der Jupi manchmal kaum zu schlagen. Das Piano hat Drive und Wärme, die Synth-Strings sind wirklich gut, auch unter den realen Strings, unter den E-Gitarren, den Synthbässen und teilweise unter den "richtigen" Synth-Sounds gibts ganz tolle Sachen.
Der Rest ist durchschnittlich. Die Akustiksounds sind ab und zu richtig geil, zu grossen Teilen aber auch mal richtig grottig schlecht. Die Bläser-Sections sind ein Witz, die Solobläser (ob Blech oder Holz) sind ähnlich schlecht, die lustig von eins bis ca. vierzig durchnummerierten Saw Leads sind grösstenteils unbrauchbar, akustische Gitarren gehen so. Die Ethno-Sektion wurde bös kastriert, Choir & Pad mittelmässig abgedeckt, die Drums schwanken zwischen "hammer" und "Hammer auf Kopf dresch". Ganz schön sind übrigens die "APS" Voices, wobei "NES" eher passender wäre - das ist ungefähr das klangliche Level, was das Nintendo Entertaiment System anno 1990 an Tönen gespuckt hat. Mit klingenden Namen wie "Trumpet" und so. Mal ehrlich. Die GM-Sektion klingt besser. Teilweise sogar am besten...
Die Orgel bleibt aber die Katastrophe No. 1. Der ist nicht mehr zu helfen. Das neue Display macht die "schöne"
Tonewheel - Orgel ausserdem zum Parametergrab. Ohne Jogdial und viel Geklicke geht da nix, Shift-Shortcuts gibts auch nicht (sonst aber für jeden Dreck) und das Menü mit den Zugriegeln will erstmals gefunden werden. Hat man es dann gefunden, frisst die Orgel nicht selten das gesamte Live-Set - also nix mit Partintern splitten. Ach ja, nebenan stand ein olles Technics (KN7000), dagegen war die Orgelbedienung des Jupi einfach nur Folter. Auch schön. Es gibt separate Tasten für Rotary, aber auf dem Pitchbend nach oben liegt nach wie vor der Vibrato-Effekt. Damit könnte man sich noch anfreunden, das blöde daran ist aber leider: Die Tonewheel klingt leider nicht wirklich gut.
Die ROM-Orgelsounds sind allerdings nochmals eine Reihe schlimmer. "Rock Organ 5" hat den Witz des Jahres für den Laden ausgelöst. Wir, ich und ein im Laden arbeitender Kollege, sind vor den Boxen gesessen und haben "Sound-Raten" gespielt. Bei diesem Sound den Ursprung zu suchen, führte von "Gitarre" über "Flöte mit Verzerrung" und "Synth" bis zum dümmsten Gesichtsausdruck, den ich bisher gesehen hab, als ich dann auflöste, es sei ne Orgel. Anschliessend war der Witz für den Rest des Tages allgegenwärtig. PSR angeschmissen und rübergeguckt "Guck mal, so tönt ne Rockorgel." Casio gegriffen und zurückgebrüllt. "Nee, das hier ist Referenz." Das Problem daran, es war wirklich so, das PSR333 machte bessere Rockorgeltöne als der Jupi - Preisunterschied zwei Tausender oder mehr. Und das schlimmste. Alle Sounds sind so. Am besten sind noch die fiepsigen Combo-Organ Sounds, klassische B3 kann man hingegen vergessen, es sei denn, man will absichtlich eine Verarsche davon.
Generell sind, von einigen Ausnahmen wie dem Piano abgesehen, die absichtlich digital charakterisierenden Sounds nicht selten besser als die "richtigen" Akustiksounds. Das Supernatural - Argument ist einfach nur ein Witz. Man sollte den Jupi eigentlich mit dem Anspruch spielen, den ich bei meinem Elektroprojekt habe. Möglichst digital zu sein. Meine Orgeln kommen aus dem VA. Meine Bläser sind Synth. Wenn man das am Jupi durchzieht und ein Faible für schräges Sounddesign hat, ist das die Kiste der Wahl. Damit wir uns nicht missverstehen, da sind auch schon mal ganz tolle akustische Sachen drin, aber quer durch die Bank... nö...
Performance, die erste: Split&Layer - Hölle
Für alle, die bereits jetzt aufschreien. Luft holen, im Zweifelsfalle einen Eimer bereitstellen und tief durchatmen. Es kommt nämlich noch besser.
Um den Abstand zum "Spitzenmodell" Jupi 80 aufrecht zu halten - und wahrscheinlich auch um zu verhindern, dass da am Ende doch noch ne brauchbare Maschine rauskommt - hat man den Jupi 50 erstmals empfindlich kastriert. Von vier auf drei Parts ginge ja noch, aber damit ging auch das zweite Liveset flöten. Was auf dem ersten Blick nicht so schlimm wirkt, eröffnet einem den zweiten Blick in wahre Abgründe. Dass der Lower-Part nun mit dem immer noch unnützen (und damit eigentlich ignorierbaren) Perc-Part zusammengelegt wurde, stört noch nicht so wirklich. Läuft halt drauf raus, dass man jetzt nur noch auf maximal sechs Parts raus kommt, sofern man das Liveset voll splittet.
Aber: An die zwei Drittel aller Sounds sind LiveSets. Dass die Orgel relativ zackig alle vier Parts frisst, hab ich oben schon geschrieben, aber das trifft leider auf die meisten Sounds zu. Bläsersets, Synthsounds, Pads, String-Ensembles... so ziemlich alles funktioniert nun weder im Lower noch im Solo-Part. Letzterer hat übrigens noch so n weiteres kleines, tolles Feature, dazu aber später.
Nun, wie bedient man dann den Lower-Part? Alle der hübschen bunten Taster gelten ja fast alle nur für den Upper-Part... Pustekuchen, das geht genauso über die. Nur muss man - sobald Lower gedrückt wird, trotzdem noch per Tasten und Jogwheel auf das "Lower" - Feld "gehen", denn obwohl die bunten Lichter aufleuchten, verstellt man beim Druck auf den Taster den Upperpart. Erst wenn die weisse Mausfläche auf dem Lower-Feld ist, funzen die Tasten wie gewollt. Dazu muss man sagen, anschalten kann man einen Part immer auf beide Arten, entweder den bunten Taster (bzw. das Lower/Perc-Tasterpaar) oder den "Part" - Taster unterhalb der (für mich) zu klein geratenen Reglern. Abschalten geht aber nur per Part-Taster, erneutes Drücken des leuchtenden bunten Knopfes führt sofort zur Auswahl des "Lieblingssounds" per Kategorie, den man natürlich nur global auswählen kann...
Ganz so nett ist der Solopart in der Auswahl dann nicht. Er hat seine dedizierten vier Tasten für Geigen, Flöten und Oboen, Glöckchen und SynthLeads. Alles andere kann man per "Other" - Knopf anwählen. Und hier kommt die nächste grosse Überraschung. Der Solo-Part ist von Natur aus monophon und gestackt. Sprich, wenn man in den Others n Klavier auswählt, ist das nur einstimmig spielbar
. Abschalten kann man das zwar irgendwie, die Presets zeigen das, aber im Manual-Mode funzt das erstens nicht und das Untermenü hab ich auch nach 15 Minuten Suche nicht entdeckt. Shift geht übrigens nicht. Soll der Part wirklich nur für Melodien gedacht sein? Ach ja. Der Solosplit. Der lässt sich ganz einfach zuschalten, aber ist dann wieder registrationsabhängig. Der einfache 80er - Trick, drauf klick, taste anschlag, bereich gesplittet, funktioniert hier nicht! Und das kann sogar mein Juno Di!!
An dieser Stelle sei auch noch was zur Polyphonie allgemein gesagt. Der Jupi 80 wirbt ja mit 256 Stimmen, aber diverse Quellen besagen, er habe nur 64 und das jeweils pro Part. Beim Jupi 50 habe ich dasselbe Gefühl, einfach für 128 Stimmen verteilt (vielleicht 64 auf den Upperpart und je 32 für die anderen, vielleicht auch alle gleich viel). Selbst bei einfacheren Livesets wie Pads mit zwei Intern-Parts fängt der Jupi bei Akkorden mit Sustainpedal gerne mal abzuwürgen. 128 Stimmen für alle verteilt wäre da was besseres gewesen, gerade weil der Solopart ja eigentlich nur monophon sein will - und wenn das so ist, wieso klemmt mir der Jupi ständig die Akkorde weg?
Performance, die zweite: Einen für alle, alle fürn Hintern.
War das jetzt eigentlich schon genug kompliziert und seltsam, folgt hier der nächste Hammer.
Diese beiden kleinen Regler da oben sind die einzigen von zugegeben schon wenigen Controllern, die nicht in die Ursprungsposition zurückkehren. Standartmässig sind sie auf Cutoff und Resonance geroutet, das lässt sich aber ändern, und zwar nämlich in einer Unterebene des Global Menüs. Und hier wird es jetzt richtig scheisse, denn beim nächsten Registrationswechsel sind die Dinger wieder auf dem Standartrouting, also Cutoff und Resonance. Und da bleiben sie, bis man sie wieder ändert - natürlich global. Abschalten kann man's offenbar nicht, bzw. hab ich's jetzt nicht gefunden. Für den Live-Performer natürlich ideal, das ganze.
Apropos globales ändern: Tempo wird per Registration gespeichert, aber der Manual - Modus hat sein eigenes, global festgelegtes. Ändert man das, überträgt der Jupi es - ihr glaubt es nicht - in alle Registrations!
Un-fass-bar! Da geht mal ganz schnell die Arbeit von Stunden verloren. Dieselbe Scheisse mit den Controllern. Die kann man zwar per Registration ebenfalls konfigurieren, ändert man aber global was, was für den Manual-Modus zwingend notwendig ist, zumindest wenn man da länger als nur kurz zum Sounds suchen verweilt, setzt der Jupi die kompletten Einstellungen wieder für alle Registrations zurück.
Ach ja: Die Main - EQ & Main-Reverb - Parallel/Serial - Einstellungen sind nur global schaltbar. Das Ausgangs - Routing (L&R/Sub) ist auch nur global schaltbar.
Was das kleine Bild noch aussagt. V-Link ist tot, das heisst jetzt Visual Control. Und der Arpeggiator ist nur für Lower und Upper. Speichern kann man ihn übrigens auch nicht. Roland as usual.
Performance, die dritte: Das perfekte Liveinstrument!!11!!
Bevor wir zum Schluss kommen, hier noch das absolute Killerfeature des Fuffis, welches mich in meinen zwei Stunden Probespielen am meisten begeistert hat.
Der Jupi hat keine Knöppe unterhalb der Tastatur. Stattdessen hat er diese sechs (sind 4, die eine ist auf dem Bild nicht sichtbar) Registrations-Tasten. Soweit ist die Struktur also noch altbekannt. Neu ist der oben schon oft erwähnte Manual - Modus (siehe die Taste links). In diesem Modus ist der Jupi wirklich "pur" spielbar, also die einzelnen Sounds mit den einzelnen Parts anwählbar, sehr gut zum mal eben einfach schnell einen Sound zu nutzen. Schöne Idee, wirklich praxistauglich. Aber live arbeitet man dann auf Registrations - Basis. Die wird ebenfalls hier bedient. Und da liegt der Hase im Pfeffer, der dem ganzen Dreck wirklich die Krone aufsetzt:
Der Jupi hat 8 x 4 x 4 Registrations. Davon sind die ersten 16 belegt. Das Presetmaterial ist typisch Micro-Korg, also nach dem Motto: Ich protze mit den Möglichkeiten der Maschine, ob man die Dinger brauchen kann, ist egal. Ab Registration 17 bis 128 ist dann alles frei. Schön. Weniger schön ist, dass die Fachleute bei Roland diesmal nicht nur im 3-Schritt Modus (Paket-Bank-Registration) gedacht hatten, sondern die Paket-Up-Down-Taster schlichtweg vergessen haben. Die gibts nirgends. Und es gibt auch keine Controller, die das mal eben zackig übernehmen können.* Während man also bei der Bank-Bedienung wirklich gut überlegt hat: (Bank-Taster drücken dann zuerst die Bank auswählen (1-4) dann nochmals das Preset (ebenfalls 1-4), muss man für den "Paket"-Wechsel das Jogdial bemühen. Unterbrechungsfrei umschalten ist dabei unmöglich.
(* es gibt die Option (Paket-)"UP" bzw. "DOWN" für den Assignable-Footswitch. Das blöde ist einfach, wenn man oben, bzw. unten angelangt ist, gehts nicht wieder an den Anfang, like Jupi 80, bzw. ans Ende. Also bleibt mindestens eine Richtung zum Scrollen).
Das ist gemein? Wartet, es kommt noch besser. Während nämlich die Bank-Taster immerhin im Paket bleiben, welches man einmal ausgewählt hat, also immerhin die 16 Registrations auf einmal auswählbar sind, vergisst der Jupi beim Zurückschalten in den Manual-Modus das Paket, welches gerade ausgewählt ist, und aktiviert wieder Paket 1. Sprich, mal eben kurz spontan n Sound anwählen ist zwar möglich, aber dann muss beim Zurückschalten unter Umständen lange gesucht und gescrollt werden - im Livebetrieb eigentlich ein No-Go. Und als wäre das nicht schon genug, sind die ersten 16 Registrations auch noch FIX IM ROM. Sprich, nicht überschreibbar. Netto stehen einem also 7 x 16 bzw. 7 x 4 x 4 freie Plätze für Registrations zur Verfügung. Würde für ne Weile reichen, legte einem das Gerät nicht noch so elend Steine in den Weg. Mal ehrlich. Ich habe beim Testen noch nie so oft mit der Hand an die Stirn geklatscht wie hier...
Könnte man bis hierhin nämlich noch sagen "och, das programmier ich zuhause", wird es spätestens hier auch dem Livemusiker klar, dass das Gerät einfach - sorry - nicht für ihn geschaffen wurde.
Fazit:
Aber für wen denn dann? Der Manual - Modus ist in der Tat genial, mal schnell in der Probe einen Sound haben, vielleicht einen Split, geht alles superflott. Aber sobald es an komplexere Setups geht, macht der Jupi einen auf "Stein um Stein, mauer ich dich ein" und kombiniert das vollidiotenkompatible Interface mit mindestens genauso idiotischen Eigenheiten, die die Arbeit mit dem Gerät zur Hölle machen.
Das Ding ist ein Schlag ins Gesicht. Und in die Eier. Reihenfolge wahlweise.
Wenn sich Roland mal nicht ganz schön auf die Schnauze legt mit dem Teil, weiss ich auch nicht, was mit den Leuten los ist. Nun gut, sie werden es irgendwann einmal spüren müssen, sonst bauen sie noch bis in alle Ewigkeiten seltsame Dinge (wie ein Rackgerät im Zeitalter, wo das Rack toder ist als tot). Aber jegliche Gedanken an einen Kauf des Jupi werde ich zumindest mal für mich selig lächelnd begraben. Nun gut, er hat einige tolle Sounds, die mir wirklich gefallen. Er wäre ein geiles Zweitboard für manchmal, so quasi als "extended - Juno Di". Aber bei diesen Eindrücken beim ersten Test... hm... so viel Geld hab ich dann doch nicht. Und wenn ich es hätte, würde ich es vielleicht zuerst in Facebook - Aktien... öch, wobei, da vielleicht dann doch eher der Jupi. Aber egal.
Viel dazu sagen muss man eh nicht mehr. Der Verkäufer-Kollege hat es ganz treffend formuliert.
Völlig depperte Kiste. Aber hübsch bunt. Das ist die Hauptsache.
Und für das philosophische Schlusswort zitiere ich mal den Ralf Hütter:
Bokuwa ongakuka, dentaku katateni
Tashitari, hiitari
Sousashite, sakkyoku suru
Kono botan oseba, ongaku kanaderu
LG
Ribbon
PS: Ach ja, noch was: Es wird vielerorts behauptet, der Fuffi hätte alle Sounds der grossen übernommen. Da muss ich aber sagen, dem ist nicht so bzw. kann nicht so sein. Da fehlt wirklich einiges, sowohl auf LiveSet - Ebene wie auch auf Tone - Ebene. Ginge ja noch. An der Stelle von Roland hätte ich die Kastrierung aber wenigstens besser kaschiert...