Hallo,
nachdem ich unlängst auf eine Frage nach einer Career CG25 VS prompt Antwort erhielt, will ich meine Schuld einlösen und einen Testbericht schreiben;-)
Also:
In letzter Zeit habe ich ein Faible für Semi-Akustiks im ES-Stil entwickelt - also solider Mittelblock plus Klangkammern und F-Löchern.
Ich mag den etwas perkussiveren Klang und Anschlag - kommt mir einfach etwas "natürlicher" vor, als eine Solidbody….gleichzeitig ist man doch etwas rückkopplungs-freier als bei einer Hollowbody.
Zudem wollte ich immer mal den Klang von P90-Pickups austesten.
Als sich nun justament auf ebay die Möglichkeit ergab, habe ich zugeschlagen und eine Career CG 25 VS für 228,- € ersteigert.
Im Vorfeld Infos zu ergattern war nicht ganz einfach, auch beim Career-Vertrieb war nicht allzuviel zu erfahren. Glücklicherweise wurde mir ein Gitarre & Bass Test zugespielt (danke Schrotty!), der etwas mehr Erleuchtung brachte; also für die Statistik:
Herkunftsland: Korea; Mensur: 630 mm; Hals: Ahorn, einteilig, Palisandergriffbrett; 20 Bünde; Halsform: D, abgeflacht; Halsbreite: Sattel: 43,7; XII. Bund: 54,1 (mm); Halsdicke: Sattel: 19,9, 10. Bund: 21,4 (mm); Binding: Kunststoff; Decke: Ahorn, schichtverleimt; einteilig; Korpus: Ahorn, schichtverleimt; Boden einteilig; Oberflächen: Klarlack, Hochglanz; Tonabnehmer: 2× Career Singlecoil Typ P-90; 1× Dreiweg-PU-Schalter, 2× Volume, 2× Tone; Steg: Palisander Tune-o-matic,
Sattel: Kunststoff; Hardware: vergoldet; Mechaniken: Jinho (14:1).
Was zunächst einmal auffällt, ist der tatsächlich für derartige Gitarren recht schlanke Hals - sehr schön, speziell für Leute mit eher kleinen Händen wie mir.
Dennoch hat man etwas Substantielles in der Hand, also nicht wie einige der in den 90ern populären ultra-dünnen Hälsen zum olympischen Rauf-und-Runter-Jagen.
Was die Besaitung angeht, so ist bislang ein 11er Satz drauf. Ich werde wohl mal probehalber meinen Standard 10er Satz aufziehen, habe aber die Befürchtung, dass da etwas vom kernigen Klang verlorengehen wird…wir werden sehen.
Zu den Sounds:
Zunächst einmal die benutzte Anlage:
Von Gitarre in Rocktron Chameleon, von dort in einen etwas obskuren 2-Kanal-Röhrenvorverstärker (Sovtec 12AX7-R); ab in einen Furman SG 10 Sweep Graphic EQ, den ich eigentlich nur zum Ansteuern der Endstufe nutze; klangtechnisch habe ich da nur den Lowcut-Filter aktiviert.
Verstärkt mittels Kitty Hawk Class AB Stereo 2 x 60 Watt Röhrenamp auf eine Crate 4 x12 Stereobox.
Der Grundsound ist einfach überzeugend.
Clean ist die Gitarre schlicht ein Traum und genau das, was ich wollte. Punkt.
Nunja, sind wir mal etwas ausführlicher: Steg-PU liefert schöne Beatles oder sogar Byrds Sounds, etwas Gain drauf und das Ganze geht schnell in Richtung 60er Beat und britische R'nB, z. B.: frühe Kinks, also rauh, kernig..
Ganz zu schweigen zu sämtlichen Rockabilly-Varianten.
Der Hals-PU bietet - wie zu erwarten ein Spektrum zwischen warmen Jazz-Sounds bis hin zu astreinen Blues/R'n'B.
Allerdings wird das Ganze dank P90 nie wirklich schwammig, man sollte ja beim Testen auch immer im Hinterkopf behalten, dass der traumhaft austarierte Sound im stillen Kämmerlein im Bandgefüge oft untergeht, während ein passender Bandsound ohne Begleitung oft zu mittig oder sonstwie unausgewogen klingt.
Mein eigentlicher Favorit ist aber die Mittelstellung: ausgewogen, rund mit genau dem nötigen Quentchen Draht und Durchsetzungsvermögen.
Kommen wir zur Abteilung Zerre - im Gitarre & Bass Test recht zwiespältig beurteilt.
Eins vorweg: jedem sollte klar sein, dass man auf dieser Gitarre kein British Steel der 80er, Metallica Geriffe oder Nu Metal Gebratze spielt.
High end distortion ist nicht das Spielfeld der Career; konstruktionsbedingt sind da Rückkopplungen und Nebengeräusche einfach zu arg.
Davon abgesehen ist der Klangcharakter für derlei Eskapaden nicht gemacht, zu wenig präsent in den tiefen Mitten, die Höhen spitz, schlicht ein No-Go.
Das stellt für mich kein Manko dar, da ich relativ wenig Verzerrung benutze; das Rocktron Chameleon hat die schöne Funktion Variac Adjust, mit der die Endstufensättigung simuliert werden kann, im Gegensatz zu einem echten Röhrenamp muss man dazu aber nicht die Vorstufe voll aufreißen - die Ohrenärzte werden es einem danken.
Was allerdings geht, sind mehr oder weniger die Classic Rock Varianten der 60er und 70er inklusive durchaus singender Leadsounds…sofern man/frau einen parametrischen EQ besitzt.
Dank der ausgefuchsten Klangregelung des Chameleon mit den verschiedenen vollparametrischen EQs kann man recht gezielt die übelsten Feedback-Frequenzen ausmerzen und die klanglichen Mankos kaschieren….aber es soll ja keine Kritik des Rocktron Chameleon werden…deswegen:
Mal so eine Bandbreite dessen, was machbar ist:
60er Jahre Who aus der prä-Tommy Phase mit aggressiven Höhen und viel Draht (Herr Townshend hat hier häufig eine Kombi aus Rickenbacker Semi-Akustik/Hiwatt zum Einsatz gebracht).
Crunch-Sounds mit Punch ala Dave Davies von den Kinks oder Mr Derringer mit Hang on Snoopy bis hin zum zum etwas heftigeren Born to be wild Sound von Steppenwolf.
Warme Overdrive-Sounds, die nicht aus jeder Gitarre ein Einheitsgematsche machen, sondern noch spieltechnische Feinheiten wie Vibrato und Anschlagtechniken hörbar machen.
Man muss dann halt auch ein bisschen Spieltechnik kultivieren, Pitch Harmonics wie von Reverend Billy Gibbons sind schon machbar, aber natürlich nicht solche Selbstläufer wie mit einem hoch ausgesteuerten Humbucker. Ich spiele mittlerweile eigentlich ausnahmslos Fingerpicking ohne Plektrum, musste da aber doch häufiger wieder ein Plek hervorkramen, weil bei weniger gesättigten Zerrsounds die künstlichen Flageolets sich nicht durchsetzten bzw. ich mit den Fingern nicht genügend Attack im Anschlag entwickelt habe.
Zum Vergleich habe ich die Gitarre auch mal vom Direct Lineout des Chameleon in ein 16 in 4 Pult mit Zwei-Wege Boxen (Hochtöner + 12 Zoll) gespielt; ebenso in einen Laney Pro-Linebacker 65 Watt Transistoramp mit 1x12 Bestückung sowie einen Fender Super Champ XD 15 Watt Röhrenamp mit 1x10 Zoll-Speaker; schließlich auch mal spasseshalber an meine 2x12 Selbstbau Bassbox.
Die Gitarre machte überall eine gute Figur, allerdings waren die klassischen Kuhschwanz-EQs des Laney und die doch mit Bass + Treble recht rudimentäre Klangregelung des Fender schnell überfordert bei extremeren Soundvariationen. Bei der Bassbox mit dem Bass-spezifisch neutralerem Klangbild waren die für Gitarre entscheidenden Mittenfrequenzen etwas unter- und die Bässe überrepräsentiert.
Über das Mischpult sind natürlich Distortionsounds gewöhnungsbedürfig, zumal ich hier die vielfältigen Speakersimulationen des Chameleons nicht wirklich eingesetzt habe.
Was ist negativ zu bewerten?
Die Positionierung der Potis. Die entspricht zwar der Tradition bei derlei Modellen, aber speziell der Volumenregler des Steg-PU ist für mich fast nicht einsetzbar. Um hier beim Spiel schnell nachzuregeln, muss man schon das Geschick eines Hütchenspielers haben.
Das Gewicht ist nicht ohne, außerdem hat man natürlich einen deutlich größeren Korpus - aber das ist halt bei dickeren Jazzklampfen so.
P90er sind halt Single Coils, daher ist das Nebengeräuschverhalten schon ein Manko - nicht so schlimm, wie etwa bei einer Tele oder Strat, aber bei Alleinbetrieb von Hals- oder Steg-PU mit Verzerrung schon arg, wenn kein Rauschunterdrücker zum Einsatz kommt. Dafür gibt es aber das hervorragende Rocktron Hush, ansonsten muss man halt auf den Winkel zum Verstärker achten.
Die Mehrheit der SpielerInnen wird Bund 21 und 22 vermissen….allerdings sind die ganz hohen Lagen konstruktionsbedingt durch die Verbindung Hals/Korpus ohnehin schwierig zu bespielen. Da sind Solidbodies und speziell modernere Modelle mit abgerundeten einfach ausgefuchster.
Mich hat es anfangs aber schon etwas irritiert.
Mein Fazit ist aber absolut positiv, ich habe das bekommen, was ich mir erwünscht habe.
Für den gezahlten Preis von 228,- € ein Schnäppchen.
Mein Limit bei der ebay-Auktion waren 400 ,- €, auch das wäre für mich absolut angemessen.
Aber wie immer ist hier natürlich der persönliche Geschmack entscheidend, andere würden vielleicht abwinken.
Ich kann aber die Career nur empfehlen!
Wenn ich es endlich mal schaffe, mir aufnahmetechnisch etwas zuzulegen, werde ich auch mal einige Klangbeispiele hochladen und hier verlinken.
Beste Grüße!