Moin, ich bin Schlagzeuger mit Tontechnikerambitionen und hab mich in der letzten Zeit (vor dem Pultkauf) in die ganze Materie ziemlich eingehend eingelesen. Ich habe diesen Thread mit Interesse gelesen und wollte das ein oder andere anmerken.
Es gab eine Frage zur Gain-Compensation.
Das X32 sowie sämtliche Breakout- und Stage-Boxen unterstützen seit der FW 2.x per AES50 tatsächlich ein sogenanntes "Gain Splitting" wie man es von "großen" Konsolen her in ähnlicher Form kennt, so dass tatsächlich die Preamps ferngesteuert werden können (das ging vorher schon), vor allem aber dass sowohl FOH als auch Monitor separat Anpassungen vornehmen können. Dazu werden die Kanäle einmal (mit etwas Headroom) eingepegelt - von wo das gemacht wird ist dabei egal - und dann wird das Gain Splitting aktiviert. Damit haben beide Konsolen ausgehend von diesem Preamp Pegel jeweils +-18dB Trim zur Verfügung. Bei Bedarf kann jede der beiden Konsolen über die Preamps-Page dennoch direkt auf die Preamps zugreifen (wenn der Drummer beim Konzert mal wieder doppelt so laut spielt ähem
).
AES50 bietet darüber hinaus noch eine Vielzahl an Vorteilen, so werden die Ultranet Signale (welche dann das P16 System oder eine der neuen Turbosound IQ PAs befeuern) einfach über das Cat5e Kabel mitgesendet und man spart sich eben die analogen Splitter. Martin hat aber durchaus Recht, dass das System mit analogen Splittern (während es eine größeres Fehlerpotential bietet) in der Praxis dennoch praktikabler ist, dann die Hersteller von Mischpulten können sich ja leider selten auf ein Datensystem einigen und das X32 ist zwar immer öfter, aber längst nicht immer bei Verleihern anzufordern bzw. bei Großveranstaltungen steht da halt eine Konsole und dann muss das funktionieren. Mit einer X-Dante Karte wäre man da vermutlich aber eher noch kompatibel gewesen als mit der X-Madi (was ein super Standard ist, der aber soweit ich das überblicke momentan eher im Broadcast Bereich genutzt wird).
Bei den Kosten hat ja der ein oder andere geschluckt und während ich auch der Meinung bin, dass 6000€ für so einen Fuhrpark eher extrem wenig ist, ist es dennoch eine Summe, die eine kleine Band nicht mal eben so schnell wieder reinspielt.
Man muss aber bedenken, dass dies eine große Band ist und dieses Fallbeispiel so ziemlich die Variante "Alles mit Scharf" darstellt.
Eine vierköpfige Band die sich auf 16 Kanäle beschränken kann kommt weitaus günstiger weg:
*** Ein X32 Rack: 1379€
*** statt der 2 notwendigen Splitter sowie des P16D eine SD16, da ist das Monitorhub mit POE schon integriert und man hat zusammen mit dem Rack 16 digitale (und dementsprechend verlustfreie) Split-Ausgänge: 933€
*** 4 x P16M 1212€
*** 1 Case, ein Alukoffer ca. 100€
Macht zusammen 3624€, das macht 906€ pro Nase. Damit hätte man eine etwas kleinere, aber qualitativ sogar noch hochwertigere Lösung mit weniger Fehlerpotenzial. Bei einer Band die genug spielt, dass sich so ein System vom technischen Standpunkt her überhaupt lohnt, sollte das drin sein. Man bedenke nur, welch logistischer und finanzieller Aufwand nötig wäre, um die gleiche "Leistung" mit einem Aviom System zu verwirklichen.
Zum Midas M32 ist zu sagen, dass dahingehend viel geredet wird, die Unterschiede bei genauer Betrachtung aber immer mehr zusammenschrumpfen. Der Satz "Die Hauptargumente für das Midas M 32 Case Bundle sind vor allem die höherwertigen Bauteile im Vergleich zum X32, die von professionellen PA-Leuten einfach mehr geschätzt werden" spiegelt ganz gut wieder, was für ein Bild vom M32 kursiert. Das M32 ist auch ein gutes Pult, keine Frage, und es ist das bessere der beiden Pulte wenn man den Preis außen vor lässt, auch das ist unstrittig. Das Preis Leistungs Verhältnis ist beim M32 allerdings derart anders gelagert, dass es sich schon lohnt mal genau nachzuschauen, was da eigentlich besser ist.
Midas wirbt damit:
Bessere Preamps
Bessere Wandler
96Khz
Bessere Fader
Bessere Buchsen
Was dabei an wirklich relevanten Vorteilen (für den Live Betrieb!) überbleibt ist wenig:
Preamps: Die Preamps im M32 sind besser und entsprechen den Preamps der Midas Pro Serie. Die Preamps im X32 sind allerdings auch nicht von schlechten Eltern und schlagen sich selbst im Direktvergleich mit einem Protools HD System welches finanziell (und offiziell auch qualitativ) nicht mal auf dem gleichen Planeten angesiedelt ist sehr sehr gut. Im Live Betrieb wird man da wenn (und selbst das wage ich stark zu bezweifeln) dann im Direktvergleich minimale Unterschiede feststellen können. Das ganze mutet ein wenig wie der Vergleich Fender Strat zu Gibson Les Paul an. Eine ist deutlich günstiger als die andere, aber beides sind top Arbeitsgeräte, mit jeder der Gitarren kann man in professionellem Kontext problemlos bestehen. Die Preamps im M32 haben zudem einen minimal größeren Headroom, der des X32 reicht aber ebenfalls vollkommen aus. Insgesamt kann man das ganze Paket also als für den Livebetrieb irrelevant verbuchen, die Vorteile sind wenn dann "nice to have".
Wandler: Die Wandler im M32 sind von Burr Brown, die im X32 von Cirrus Logic. Beides sehr renommierte Firmen und beides Wandler deren Spezifikationen sich fast exakt gleichen, in einer Disziplin sogar zu Gunsten des X32 ausschlagen. Da ist also wenn, dann nur die Marketingmaschine zu Werke
[zu diesen beiden Punkte ist zu sagen, dass man ein X32 recht kostengünstig aufrüsten kann - die DL16 kostet "nur" zwischen 200 und 400€ mehr als die S16, der Aufpreis liegt also weit unter dem Aufpreis zu einer Midas Konsole]
96Khz: Bedeutet im Falle des M32 nicht wirklich 96Khz sondern nur 96Khz ready. Das bedeutet, dass die Interne Architektur 96Khz KÖNNTE wenn man das Softwareseitig aktivieren WÜRDE. Das würde aber mit Performanceeinbußen einhergehen. Die Effektslots würden sich halbieren etc.pp. und auch hier kommt man an den Punkt wo man konstatieren muss: Für den Livebetrieb vollkommen irrelevant. Der größte Witz aber: Das X32 unterschiedet sich in dieser Disziplin in KEINEM Aspekt vom M32. Auch das X32 ist "96Khz ready". Auch hier pures Marketing.
Bessere Fader: Die Fader am M32 laufen etwas präziser, auch das ist für den Livebetrieb ziemlich egal, da die Fader des X32 locker präzise genug laufen. Ein tatsächlich Punkt sind aber die Fader Cycle Angaben. Da stehen 300.000 auf Seiten des X32 zu 1.000.000 auf Seiten des M32. Für einen Verleiher oder jemanden, der das Pult jeden Tag einsetzt, mag das ein Argument sein. Ein Fader für das X32 schlägt mit 25€ allerdings auch nicht all zu sehr ins Kontor.
Bessere Buchsen: Das X32 setzt auf Chunsheng XLR Buchsen während das M32 mit Neutrik Buchsen ausgestattet ist und damit dem besseren Industriestandard entspricht. In der Praxis macht das wenig Unterschied. Es hält sich ein hartnäckiges Gerücht, dass die Buchsen des X32 eine Fehlkonstruktion seien ("zu viel gespart") und daher alle Konsolen unter eine Krankheit namens "Hilfe mein XLR Kabel steckt im Pult und kommt nicht mehr raus" leiden würden. Im Music Group Forum gibt es derzeit eine Umfrage zu diesem Thema und wie sich herausstellte betrifft dieses angebliche Massenphänomen nach derzeitigem (noch recht jungen) Stand gerademal 17,14% aller Geräte - wobei man dabei noch bedenken muss, dass zu einer XLR Buchse mit klemmendem Kabel neben der Buchse noch ein XLR-Stecker sowie ein Mensch als Fehlerquelle in Frage kommt. Einmal doof aufs Kabel getreten und der "Latch" ist verbogen, ergo bleibt das Kabel stecken. Zudem ist das Music Group Forum DER Anlaufpunkt für User mit Problemen, das Bild ist also noch zu Ungunsten des X32 verzerrt. Wirklich aufgedröselt kriegt man das alles also nicht, drittelt man das ganze grob, so bleibt eine Ausfallquote von 5,7% zu Lasten des X32. Googelt man mal nach "XLR Connector Stuck", so kommen da neben Behringer in vergleichbarer Anzahl große Namen wie Yamaha, Avid, Tascam, Alesis, Soundcraft, Mackie und Co, das dürfte also im Rahmen normaler Ausfallraten liegen. Bedenkt man dazu, dass das X32 das meistverbreitete Digitalpult ist, liest man da erstaunlich wenig. So oder so, von einem Massenphänomen kann offenbar keine Rede sein und ein XLR-Stecker bleibt ganz offensichtlich auch in einer Neutrik Buchse mal stecken (und tatsächlich gebahren sich die Neutrik Combo Jacks in meiner HK Anlage bisher wesentlich zickiger als die XLR Buchsen meines X32). Kann man also auch abhaken.
Das M32 sieht meiner Meinung nach wesentlich besser und hochwertiger aus, die große Version ist auch vom Layout her praktikabler aufgebaut. Das dreht sich bei den kleinen Varianten allerdings um. Das gäbe es noch zu erwähnen.
Ansonsten teilen sich X32 und M32 ALLES weitere. Die Software, die Chipsätze etc.pp. sind kompletto gleich.
Da stellt sich einem schon die Frage, ob es der Aufpreis denn Wert ist und ob man nicht dann doch mal links und rechts des Tellers schaut und gleich ein Pult kauft, welches mehr als "nur" 32+6 Kanäle handeln kann. Das ist nämlich die einzige handfeste Einschränkung die man beim X32 hinnehmen muss und die exakt so auch beim M32 zu finden ist.
Soviel zu diesem kleinen Exkurs. Würde ich mir ein M32 kaufen wenn ich unbegrenzt Kohle hätte? Klar. Es gibt nichts was dagegen spricht wenn Geld keine Rolle spielt und falls was schief geht meckert niemand, beim X32 heißt es dann immer gleich "ja, ist halt Behringer, das konnte nix werden"...Auch das mag übrigens für einen Verleiher ein wichtiges Argument sein.
Für uns "Privatleute" sieht es aber meiner Meinung nach so aus: Wer aber aufs Geld schauen muss, bekommt in der X32 Klasse schwerlich mehr fürs Geld. In der M32 klasse sieht das etwas anders aus.