Was soll denn bitte eine modale Randschwingung sein?
Die Modalstimme ist zwangsläufig auch die Vollstimme. Das Wort "modal" bezieht sich nicht auf eine freie Schwingung, sondern eine maximale und die ist nur gegeben, wenn die Stimmlippen ganz schwingen. Sobald der Vocalis festgehalten wird, ist man in der Randstimme und eben nicht mehr modal.
Das Wort "modal" bezieht sich auf den Schwingungsmodus der Stimmlippen im Sinne des Verhältnisses von Öffnungs- und Schließphasen. In der Modalstimme sind die Schließphasen tendenziell länger als die Öffnungsphasen. Die Begriffe Voll- und Randstimme hingegen beziehen sich auf die Masse, die an der Schwingung beteiligt ist. Wobei Vollstimme auch eher definiert ist als "es schwingt mehr als nur die Randkanten", weil genau wie du sagst ja eine leichte Randkantenverschiebung noch keine Randstimme macht.
Die hin und wieder verwendete Gleichsetzung Vollstimme = Modalstimme gilt nur dann, wenn man den Twang außen vor lässt. In diesem Fall gilt dann aber auch Randstimme = Falsett.
Wenn man zur Randstimme Twang hinzufügt, wird daraus eine Modalstimme, denn der Twang verlängert die Schließphasen in einem Maße, dass sie ähnlich lang sind wie in der Vollstimme.
Wenn man also davon ausgeht, dass das Falsett der "natürliche Modus" ist, in den Höhen zu singen, dann basiert das "Belten" darauf, die Vollstimme in den Höhen zu erhalten, während das "Mixen" darauf basiert die Modalstimme in den Höhen zu erhalten. Deshalb sind das tatsächlich sehr verschiedene Ansätze, um in die Höhen zu gehen und Kenshis Trennung ist durchaus sinnvoll. Kenshi schreibt ja selbst, dass er den Twang erhöht in den Höhen, was sozusagen ein "umswitchen" der Strategie ist. Ich nehme mal an, dass der TVS-Ansatz auf einem ähnlichen Prinzip fußt, nämlich, dass man noch bis etwa d' in der Vollschwingung singt und dann erst den Twang verstärkt und auf die andere Strategie übergeht.
Wenn man "Belt" eher akustisch definiert, kann man diesen Zustand mit beiden Ansätzen erreichen, weil dieser akustische Eindruck eben auf einer Lautstärke und Frequenzzusammensetzung beruht, die man auch "im Mix" erreichen kann. Dann bräuchte man natürlich einen anderen Begriff, um den gesanglichen Ansatz zu bezeichnen, der darauf basiert die Vollstimme möglichst lange zu erhalten.
Ich glaub ich mach dir nochmal ein Hörbeispiel wie ich das c'' mit volltönender, twangender Kopfstimme singe und mit dem, was ich für Belt halte.
Nach deine sehr genauen Erläuterung der Muskelgruppen im Kehlkopf kann es auch tatsächlich sein, dass ich rein objektiv betrachtet daneben liege und ich wäre der letzte der das nicht zugeben würde.
Trotzdem muss ich sagen, dass mein Modell der "sauberen" Trennung für mich und meine Schüler bisher bestens funktioniert hat - wobei es unter Umständen nur ein Modell sein könnte. Nach einiger Lektüre stelle ich derzeit fest, dass ich damit garnicht so weit weg von Estill bin, nur dass ich eben primär auf einen funktionierenden Körper und ein entsprechend gutes Körpergefühl setze. ^^
Nachdem was du bis jetzt geschrieben hast, würde ich fast wetten, dass du beim Mixen im Prinzip eine ähnlich Strategie fährst, nur wahrscheinlich schon beim ersten Passagio (also etwa ab c') auf Twang als Strategie umswitchst, wodurch die Masse, die du mit in die Randstimme nimmst einfach sehr gering wird.
Wie gesagt, die generelle Trennung finde ich sehr sinnvoll. Das wird ja auch eigentlich bei den meisten Programmen so gemacht, nur dass man sich da halt prinzipiell auf eins beschränkt, also erstmal sagt "Belten verboten" z.B..
Bei TVS wird Belten als "notwendiges Übel" bezeichnet, weil es einfach nötig ist, die Töne c' und d' zu belten, damit die Masse in der Randstimme nicht zu gering ist. Belten bei TVS wird nach Estill definiert und das scheint wirklich sehr nah an dem zu liegen, was du als belten bezeichnest. Wobei ich auch Foxx recht geben muss, dass diese Definition irgendwie wenig intuitiv ist,
wenn man davon ausgeht, dass Belt primär ein klangliches Ereignis ist.
Die CBM-Übung finde ich gut. Für einen "atemorientierten" GL arbeitest du ganz schön viel mit kehlkopffokussierten Techniken
. Wobei der Atempush aus den Flanken natürlich aus dieser Position der Schlüssel zum Belt ist und vorher gelernt sein muss.
- - - Aktualisiert - - -
Den Cry-baby-Modus hat Broeschies glaub ich geprägt. ^^ Kommt vll. aus dem TVS oder ist Broeschies Eigenkreation. Im zweiten Fall:
Ist im Prinzip angelehnt an Brett Manning, der es in irgendeinem Video "natural free crying" genannt hat. Das mit dem Baby hab ich hinzugefügt, weil es irgendwie intuitiv ist. Bei TVS wird es "appoggio" genannt, weil der Modus dort nicht kehlkopforientiert erreicht wird, sondern so "wie beim echten baby" primär durch den Atempush im Sinne einer klassischen Stütze erzeugt wird.
Nochmal zum Thema bottom-up, top-down: Im Prinzip geht es hier nur um Begrifflichkeiten. bottom-up heißt in der Regel, dass die Bruststimme dominant ist, top-down, dass die Kopfstimme dominant ist. Ein Chesty mix ist immer bottom-up, weil die Bruststimme dominiert. Den Bereich der Stimme unterhalb des 1. Passaggio (bei Männern etwa bei c') kann man nur bottom-up singen, den Teil oberhalb des Tilt-Punktes (ich nenne es manchmal 3. Passaggio), kann man nur top-down singen. Belting (nach Estill und Kenshi) bedeutet im Prinzip, dass der Bereich dazwischen bottom-up gesungen wird, Mixen bedeutet, dass top-down gesungen wird.
Dadurch, an welchem Punkt man die Strategie von bottom-up auf top-down umstellt, entscheidet sich auch, wie viel Masse man am Ende in die absoluten Höhen nimmt. Je später man wechselt, desto mehr Masse. Je mehr Masse man mitnimmt, desto weniger hoch wird man am Ende in der absoluten Höhe kommen. Die Masse aber im Nachhinein zu reduzieren ist extrem schwer. Deshalb ist diese Entscheidung, wie viel Masse man an welcher Stelle mit in die Höhe nimmt, sehr wichtig und grundsätzlich. Kenshis Gesangseinstellungen Mix und Belt sind halt die beiden Extrempunkte. Beim Mix wird früh gewechselt und wenig Masse mitgenommen, beim Belt wird spät gewechselt und viel Masse mitgenommen. Ein Wechsel zwischen diesen beiden Extremen ist extrem schwierig.
Dieser "Bereich zwischen den Passaggii", manchmal einfach auch nur DAS Passaggio genannt, ist überhaupt der interessanteste. Belting (nach Estill und Kenshi) kann NUR in diesem Bereich stattfinden. Ein "chesty mix" innerhalb des Passaggios ist also immer auch Belting, ein "chesty mix" unterhalb dieses Passaggios (unter etwa c') ist kein Belting.
BTW: Der Konflikt zwischen diesen beiden Einstellungen ist nach wie vor eins meiner größten Probleme beim Singen des Mix. Ich singe dann von der Kehlkopfeinstellung sehr Mixig mit starker Kopfstimmenaktivität. Aufgrund meines "Naturbelter"-Charakters pushe ich dann aber ziemlich viel Atemdruck von unten dagegen und der Kehlkopf macht dicht. Genau aus dem Grund werden Atemübungen auch bei Programmen die "den Mix" lehren häufig erstmal außen vorgelassen, weil gerade wenn man isolierte Atemübungen ohne Phonation macht, die Gefahr besteht, dass man die "Grundspannung" zu hoch hält.