Der "Cry-Baby-Modus" ist denke ich das, was Jessy "pharyngal" nennt. Gut zu sehen in der "Dududu-dadada-NEY!" Übung wo er einen kopfigen Weg in den Belt zeigt.
Der Cry-Baby-Modus ist quasi eine Art Weichensteller. Hat man den erstmal gefunden, braucht man nur ordentlich Stützen und man hat nen knackigen Belt. Oder man geht eher auf die Bremse und geht in den Mix / die Kopfstimme.
Ja, genau, "pharyngeal" nennen sie das bei SingingSuccess. Das ist relativ einleuchtend, wenn man in Begriffen wie "kopfresonanz" und "brustresonanz" denkt. Die Bruststimme resoniert im Bereich des vorderen Brustkorbs/Brustbein, die Kopfstimme resoniert im hinteren Bereich des Kopfes etwa zwischen oder über den Ohren. Wenn man langsam von Bruststimme auf Kopfstimme übergeht, wandert die Resonanz sozusagen vom Brustbein in den Kopf. Genau auf halbem Wege resoniert die Stimme in der Pharynx, deshalb "pharyngeal", dort ist das Mischverhältnis zwischen Brust- und Kopfstimme genau 1:1.
In sofern trifft es ziemlich genau den Punkt, wenn du sagst, dass es eine Art Weichensteller ist. An diesem Punkt, muss man sich sozusagen entscheiden, wie man weitermacht. Entweder man versucht durch Erhöhen der Atemspannung die Resonanz an diesem Punkt zu halten (=Belten) oder man lässt die Resonanz weiter in den Kopf wandern.
Gutes Belting ist mMn immer "pharyngeal" und basiert im wesentlichen darauf das 1:1 Mischverhältnis zu erhalten und die Resonanz eben nicht in den Kopf wandern zu lassen. Das 1:1 Mischverhältnis ermöglicht es nämlich die maximale Schwungmasse mit in die Höhe zu nehmen. Wenn man mehr Bruststimme drin hat ist die Schwungmasse zu groß um wirklich effektiv belten zu können (= "pushing chest"). Wenn man mehr Kopfstimme drin hat, besteht die Gefahr die Stimmlippen gewaltsam aufzusprengen durch den hohen Atemdruck oder ins Falsett abzurutschen. Es ist mMn so ziemlich einer der größten Irrtümer, dem fast jeder Anfänger unterliegt, anzunehmen, dass gutes Belting brustdominant ist.
"Mix" als Bezeichnung für eine Technik oder einen Gesangsstil finde ich im wesentlichen einen sehr verwirrenden Begriff, weil im Prinzip alles, was beim Singen passiert, in irgendeiner Form "Mix" ist (auch das Belten). Was sich ändert ist nur das Mischverhältnis. Trotzdem verwende ich den Begriff oft, um genau das zu bezeichnen was du auch meinst, nämlich, dass man eben nicht beltet, sondern graduell in die Kopfstimme übergeht.
Zum Thema 2 verschiedene Atemkonfigurationen für Mix und Belt würde ich dir größtenteils zustimmen. Es gibt meiner Meinung nach wirklich 2 verschiedene Atemkonfigurationen, die zum Singen verwendet werden können. Eine davon ist gekennzeichnet durch eine etwas höhere Atmung und das Stützen vornehmlich mit der Zwischenrippenmuskulatur. Diese Atmung ist tatsächlich nur für den Mix geeignet und nicht so gut zum belten. Die zweite Atemkonfiguration ist das klassische "Appoggio", also ein sehr tiefes atmen und ein sehr starkes stützen, v.a. unter wesentlich stärkerer Beteiligung der Rückenmuskulatur. Diese Atemkonfiguration ist tatsächlich besser zum belten geeignet. Tatsächlich bin ich aber der Meinung, dass man mit dem "Appoggio" in der Lage ist sowohl Belt als auch Mix zu singen (klassische Sänger tun genau das im Prinzip). Aus der Position des Appoggio ist es allerdings schwieriger in einem Mix zu singen, denn es erfordert große Fähigkeiten beim Arbeiten mit dem Stimmsitz. Auf der anderen Seite kann man natürlich auch lernen fließend zwischen den zwei Stütztypen zu wechseln. Für mich persönlich hat es sich als sehr hilfreich erweisen die höhere Stütztechnik gedanklich und technisch mit dem Twang zu koppeln, der ohnehin für das Singen im Mix in größerem Maße erforderlich ist.
Hier mal ein paar Gedanken wie sich die ganze Sache effizienter gliedern lässt...
Dein Konzept finde ich ziemlich gut. Wobei ich es gar nicht so unsinnig finde die Entscheidung Belt oder Mix ganz an den Anfang zu stellen und sich zunächst mal wirklich für eins von beiden zu entscheiden, gerade weil ja auch die jeweils ideale Atmung und Stütze etwas anders ist. Zudem ist es so, dass bestimmte Sachen, die beim Belting in der Regel schlecht sind (Tilt z.B.) beim Mix hingegen sehr wichtig sind. Deshalb würde ich absolut ja dazu sagen, diese Konzepte zunächst strikt zu trennen. Wenn man aber hinterher im "Fortgeschritten"-Modus ist, macht es durchaus Sinn die Schnittstellen zwischen den beiden zu finden (nämlich das Belting im Prinzip auch nur ein Mix ist mit einem ganz besonderen Mischverhältnis). Das erleichtert es dann auch zwischen den beiden Modi je nach künstlerischer Anforderung hin und her zu wechseln.
Der Belt ist mMn etwas leichter zu erlernen, weil man relativ intuitiv in den Cry-Baby-Modus kommt (im Prinzip braucht man "nur" die richtige Atem- und Stütztechnik und einen "entspannten" Kehlkopf) und daraus einen guten Belt entwickeln kann. Es ist aber danach mMn schwieriger auf einen guten Mix umzulernen. Der gute Mix hingegen ist schwieriger zu lernen, aber der Belt lässt sich daraus etwas einfacher entwickeln.
Wenn man mit dem Belt beginnt ist die darauf angepasste Atmung sehr wichtig und deshalb auch Priorität Nummer 1. Wenn man hingegen mit dem Mix beginnt, ist die korrekte Stütze nicht ganz so wichtig, weil es im Mix wesentlich leichter ist, die korrekte (in dem Fall recht hohe und schwache) Stütze "passiv" zu erzeugen. Im Mix hingegen ist es sehr wichtig den Twang zu beherrschen, den ich in diesem Fall nicht unter "Kreativität" einordnen würde, sondern bereits unter "Kontrolle".
Wenn ich übrigens von "Kehlkopf zuerst" rede, wird das meist falsch verstanden. Was ich damit meine ist v.a., dass der Kehlkopf immer mit einbezogen werden muss. Wenn mann z.B. mit einer Belting-Einstellung anfängt, ist es sehr wichtig den Kehlkopf zunächst in eine entspannte Position zu bringen. Das ist zwar nur eine geringe Anpassung aber dennoch sehr wichtig bevor man mit hohem Atemdruck "draufballert"