Nachdem Lisa schon alles geschrieben hat, was ich auch geschrieben hätte (mit dem einzigen Unteschied, daß ich Dich zur Bushaltestelle hätte laufen lassen anstatt im Kreis herum
), und nachdem der Troll auch wieder etwas Ruhe gibt, schreibe ich hier einfach noch ein paar Gedanken auf, die mir zum Thema in den Sinn kamen.
Musik machen ist eine körperliche Angelegenheit. Wir spielen mit unserem menschlichen Leib die Instrumente, nicht mit dem Verstand. Man muß also beim Musizieren nicht etwas verstehen, sondern etwas können. Die gute Nachricht: Unser Körper kann Rhythmus schon von Geburt an, ohne daß wir ihn verstehen müssen. Die grundlegenden rhythmischen Funktionen des menschlichen Leibes sind Herzschlag, Atemrhythmus, Verdauung und der Schlaf-Wach-Rhythmus. Diese Rhythmen
können wir alle schon von vorne herein, ohne daß wir wissen müssen, was wir dafür zu tun haben. Wenn auch nur einer dieser Rhythmen gestört ist, geraten wir in eine unangenehme Lage und werden krank. Auch in der Natur finden wir Rhythmen: Tag und Nacht, der Kreis der Jahreszeiten, die Plantetenumläufe oder der Gezeitenrhythmus von Ebbe und Flut.
Der Atemrhythmus hängt unmittelbar mit dem Herzrhythmus zusammen. Ein häufig vorkommendes Verhältnis ist in etwa 4:1. D.h. wir haben 4 Herzschläge in der Zeit, in der wir einmal Atem holen. Damit ist schon eine Art Takt gegeben, sogar ein Vierertakt. Aber natürlich ist dieses Verhältnis je nach Tätigkeit, körperlicher Verfassung etc. individuell verschieden.
Da die menschliche Sprache umittelbar von der Atmung abhängt, ist auch sie rhythmisch geprägt. Betonte und unbetonte Silben ergeben mit de Anzahl der gesprochenen Silben pro Atemzug den Sprachrhythmus. Die Lyrik erhebt den Sprachrhythmus zur Kunstform und bildet mit den verschiedenen Versmaßen den musikalischen Takten vergleichbare Gestaltungen.
Auch der Gang, der Schritt des Menschen ist rhythmisher Natur. Einen hohen Berg erklimmt man leichter, wenn man dabei in einem gleichmäßigen, stetigen Rhythmus läuft, als wenn man alle paar Schritte stehen bleibt, überlegt, weitergeht, stolpert etc.
In den früheren Zeiten war Arbeit häufig rhythmischer Natur. Als Beispiele mögen das Mähen mit der Sense, das Sägen von dicken Balken mit der Zwei-Personen-Säge u.a. dienen. Man schlägt beim Eisenbahnbau zu zweit mit dicken Hämmern abwechselnd im Takt einen Pfahl in den Boden (
Hammer ring). Aus diesen Tätigkeiten sind auch immer musikalische Formen entstanden: Das Schnitterlied, die
Worksongs der Sklaven in Amerika. Ein schönes Beispiel sind auch die Drescharbeiten mit dem Dreschflegel, die von mehreren Personen durchgeführt wurden. In diesem Video, sieht man ab 0.58, wie zunächst ein Drescher drischt, dann ein zweiter, ein dritter und schließlich ein vierter hinzukommt und sich jedesmal der Takt ändert. Um im Takt zu bleiben, kannten die Drescher spezielle Dresch-Sprüche.
Wenn man sich schneller als zu Fuß fortbewegen wollte, setzte man sich auf's Pferd. Auch das Pferd bewegt sich im Takt: Der Schritt ähnelt dem 4/4 Takt, im 2/4 Takt trabt das Pferd, der schnelle Galopp geht im 6/8 Takt. Auch hier entstanden musikalische Formen, wie z.B. der den Galopp imitierende
Jagdgesang. Das wiegen des Kindes in der Wiege ist rhythmisch (Wiegenlied), ebenso das Rudern eines Bootes über den See (Gondellied).
In der heutigen Zeit sind viele dieser rhythmischen Alltagstätigkeiten verschwunden. Wir fahren mit dem Auto zur Arbeit oder mit dem Skateboard zu Bushaltestelle, wir haben eine Motorsäge, einen automatischen Mähdrescher, waschen die Wäsche in der Waschmaschine und lassen den Brotteig mit der Knetmaschine kneten. Deshalb müssen wir uns etwas einfallen lassen, um den Takt zu lernen: z.B. im Kreis zum Metronom gehen, im Takt die Treppe hochlaufen oder eben mit dem Staubsauger rhythmisch saugen.
Tja, und wenn wir tanzen wollen, brauchen wir heute eine Musik, die den Beat brutal laut hämmert, weil wir ihn sonst nicht hören.
Viele Grüße,
McCoy