Point to Point und Printed Circuit Board
Vorneweg die Grundaussage von Randy Smith. Diese Aussage habe ich auch schon bei Paul Reed Smith gehört, als ich ihn zum Thema Relic Gitarren befragte …
Gäbe es einen wirklichen Sound-Vorteil (Point to Point), würden wir all unsere Amps so bauen, darauf können Sie wetten. … oder im Originalton Paul Reed Smith … Oh, we would do it all day ..
Wie ich ja schon gezeigt hatte, wird bei MESA die Platine in 3 Schritten bestückt …
- Automatisiert …
- teilweise Automatisiert …
- von Hand …
Hinzu kommen dann noch Wegstrecken, die bewusst als Point to Point ausgelegt sind. Diese können bestimmte Punkte der Platine verbinden, aber auch z.B. die Potis direkt anbinden.
Die Motivation für MESA eine Leiterbahn statt eines Kabels zu nehmen ist ausschließlich der Wiederholbarkeit des Ergebnisses untergeordnet und kommt auch nur dann zur Anwendung, wenn es keine Auswirkungen auf den Ton hat. Es steht also der Ton und die Verlässlichkeit im Vordergrund, nicht jedoch der Rotstift.
Tien Lawrence gibt Euch her noch mal einen Überblick und erklärt die Besonderheiten des von MESA verwendeten Boards. Im Anschluss gibt es dann noch die Meinung von Randy Smith zum Dauerbrenner "Point to Point" vs. "Printed Circuit Board".
Zitat von Firmengründer, Designer & Präsident Randall Smith … (mit Teilen des von mir übersetzten englischen Text zusammengeführt …)
Im Verlauf eines Interviews wurde ich kürzlich gefragt, woher der Trem-O-Verb seinen erstaunlichen Vintage- Charakter hat, ohne eine Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung zu besitzen. Und wenn, würde er nicht noch besser klingen?
Um was geht es? Bei der Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung werden die Widerstände und Kondensatoren auf einer Ösenpappe über Kabel zu Lötpunkten verbunden. Von diesen Lötpunkten führen weitere Kabelverbindungen zu den Röhrensockeln, Schaltern und Regelelementen. Alternativ zur Ösenpappe könnte man Phenol-Lötstützpunkte bevorzugen, welche im Chassis verschraubt sind. Diese Bauart verdient sicherlich Hochachtung - sie ist die aufwendigste und arbeitsintensivste und gleichzeitig auch die fehleranfälligste. Bei der Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung handelt es sich um die älteste Fertigungsmethode, was sich heute noch eignet, um Einzelstücke zu produzieren. Aber ob es gleich für einen besseren Amp-Sound sorgt?
Meine Aufgabe als Entwickler war es immer schon, den Geheimnissen der "Magie"; von Amps auf den Grund zu gehen. Meine erste Frage lautet, wie erreicht man ein bestimmtes Sound-Phänomen. Zweitens, wie erreicht man es
konstant. Dieser Punkt stellt den größten Nachteil der Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung dar. Es ist schwierig, durchgehend eine Konstanz in der Fertigung zu erreichen.
Von Anfang an verwendeten Mesa/Boogie Amps eine Kombination von Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung und gedruckten Schaltungsplatinen (engl. Printed Circuit Boards). Auf diese Weise lässt sich konstant die gleiche Positionierung entscheidender Bauteile und Leiterbahnen erreichen. Eine Verschiebung von nur etwa einem halben Zentimeter reicht, um bei relevanten Komponenten beispielsweise einschneidende Unterschiede in der Höhentransparenz zu produzieren - genau dort wo Sound-Magie lebt... oder stirbt. Innerhalb eines frei verdrahteten Amps führen Signalverbindungskabel von den Sockeln der Vorstufenröhren zu dem Bord mit den weiteren Komponenten - einige können sehr empfindlich reagieren. Um die Verbind- ungen ausgesprochen kurz und konstant von der Länge zu halten, plazieren wir die Röhren stets zentral oberhalb der Schaltungsplatine. Dabei erfordert das Layout einer Platine größte Sorgfalt und etliche Testversionen, um unerwünschte Einstreuungseffekte, welche Sound-Verluste herbeiführen, auszuschließen - oder andersherum die positive Beeinflussung und "Klangmagie";, die eine Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung besitzen kann, gezielt nachzuahmen.
Das charakteristische Höhenbild unseres Dual Rectifiers beispielsweise präsentiert aggressiven Biss, vermeidet gleichzeitig jedoch Härte - dies wird durch die spezielle Führung zweier entscheidender Leit- erbahnen auf der Platine erreicht. Die eine Leiterbahn verläuft auf der Oberseite der Platine, die andere parallel auf der Unterseite. Die geringe, aber entscheidende Kapazitätsbeeinflussung durch das Schaltbord hindurch bewirkt einen subtilen Filtereffekt, ähnlich einer Gegenkoppelung, wodurch im entscheidenden Bereich die Obertöne optimal geprägt werden. Um diesen Effekt zu erreichen, muss die Anordnung der Leiterbahnen auf beiden Platinenseiten absolut präzise ausgeführt sein.
Wo verwenden wir heutzutage noch Punkt-zu-Punkt-Verdrahtung? Die simple Antwort: Überall dort, wo es für den Amp von Vorteil ist. Viele Hersteller versuchen sämtliche Bauteile auf der gedruckten Platine aufzubringen. Wir dagegen montieren und verdrahten sämtliche Buchsen, Schalter, Trafos und die 8-pin- Endröhren separat. Grund dafür ist einmal die höhere Betriebssicherheit und zum anderen die Service- freundlichkeit, insofern ein Austausch notwendig werden sollte. Wären diese Bauteile fest auf der Platine montiert, wäre erst ein umständlicher Ausbau notwendig, um an sie zu gelangen. Ebenso könnten mechanische Belastungen, wie ein Schlag, die komplette Platine beschädigen, in dem Fall wäre der Verstärker praktisch irreparabel.
Unser Anspruch ist es, professionelles Equipment, das mit geringem Wartungsaufwand ein Leben lang (und länger) einwandfrei funktioniert, zu fertigen. Unsere Schaltungsplatinen sind doppelseitig beschichtet und "durchkontaktiert";, das bedeutet, dass jedes Loch eine Hülse aus Kupfer mit Platinlegierung erhält, welche die Kupferleitbahnen auf der Ober- und Unterseite verbindet. Auf diese Weise ist jede Komponente drei- fach verlötet: oberhalb, unterhalb und innerhalb der Bohrung. Die meisten Hersteller verwenden einseitige Platinen, bei denen lediglich eine Lötverbindung zu einer dünnen Folie besteht, welche auf die Platine auf- geklebt ist. Überdies erfordern diese Platinen, sind sie einmal montiert, bei anfallenden Reparaturen, dass man den Verstärker komplett auseinanderbaut, sonst gelangt man nicht an die Lötstellen.
In der Vergangenheit habe ich tausende alter Fender Amps repariert, in der Regel war ich derjenige, der Störgeräusche stets beseitigen konnte - aber nicht immer. Schließlich fand ich heraus, warum einige dieser geplagten Amps einfach unheilbar erschienen. Die Störgeräusche entstanden in dem Punkt-zu Punkt-verdrahtetem Bord selbst! Das Material kann Feuchtigkeit aufnehmen und dadurch selbst leicht leitfähig werden. Die Empfehlung vom Hersteller lautete: Das Bord in einem Trockenofen zu backen und es anschließend in flüssiges Wachs zu tauchen, um es gegen Feuchtigkeit zu versiegeln! Eine weitere Fehlerquelle ist: Die Bords können sich verziehen, wodurch sich die Abstände zwischen den Lötösen vergrößern, im Zweifel über die Belastungsgrenze der Lötstelle hinaus.
Vor einigen Jahren rief mich ich ein Gitarrist an und verzweifelte, dass sein Fender kurz vorm Gig seinen Geist aufgab. Ich hörte mir die Beschreibung des Problems an und riet ihm, das Chassis auszubauen und nach einem braun-schwarz-braun-silber gekennzeichneten Widerstand, der längs zum Bord montiert war, zu suchen. "Tipp ihn leicht an und wahrscheinlich merkst du, dass er eine defekte Lötstelle hat";, sagte ich ihm. Kurz darauf rief er zurück und war völlig aus dem Häuschen - er hatte noch nie im Leben etwas repariert und es war auf Anhieb ein Volltreffer!
Ich muss an die hundert Fender Black Face repariert haben, bei denen Verwindungen des Bords an dieser Stelle genau das gleiche Problem verursacht haben. Um mich nicht falsch zu verstehen, ich liebe Fender Amps! Ohne sie wären wir heute nicht da, wo wir sind - das lässt sich mit Sicherheit sagen.
Nun, was ist weiterhin mit der Art und Weise, in der Verbindungsleiter den Sound beeinflussen? Ist runder Kupferdraht nicht besser als flache Kupferleitbahnen auf einer Platine? Nein, nicht nach Meinung von Ran- dalls Research (weder verwandt noch verschwägert mit mir!), er nahm Audioleiter unter allen Betriebsbedingungen unter die Lupe, inklusive des Molekularverhaltens unter dem Elektronenmikroskop.
Seiner Meinung nach - existierte überhaupt einen Vorteil - dann läge er bei den Leiterbahnen einer Platine. Sie besitzen den größeren Oberflächenquerschnitt und es ist bewiesen, dass der Strom von Audio-Signalen, speziell in den höheren Frequenzen, eher dazu tendiert, auf der Oberfläche des Leiters anstatt in seinem Kern zu fließen.
Alles zusammen soll keinesfalls bedeuten, dass es keine phantastisch klingenden Punkt-zu-Punkt-ver- drahteten Amps gibt. Nachdem ich selbst viele Verstärker auf beide Weisen gebaut habe, ist die Punkt-zu- Punkt-Verdrahtung in meinen Augen jedoch lediglich eine Garantie für einen höheren Preis.
Zitat Ende …
Gruß
Martin