Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich nachfolgend einen längeren Eintrag poste. Aber ich schaue schon länger nach dem Beltuna Konverter und bin verunsichert, ob die neue Variante erstrebenswert ist oder nicht. Während ich also mit mir ringe und immer überlege, ob die 45-Tasten Converter auch klanglich einen Fortschritt darstellt (das Probespielen deutete diesen Vorteil an), erlitt ich vor einigen Monaten eine Schulterverletzung, die erst jetzt langsam auskuriert ist. Ich kann nun wieder Akkordeon spielen. Aber heute ist mir etwas passiert, das ich unter dem frischen Eindruck mitteilen möchte. Vielleicht nützt es ja anderen. Wer den nachfolgenden Beitrag wegen der Länge als Zumutung empfindet: Bitte einfach überblättern, aber manche Dinge passen nicht in ein Twitter-Format.
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Heute habe ich die Mutantin wieder getroffen. Ich nenne sie so, weil sie ganz offenbar eine Mutation aufweist, die ihr Fähigkeiten eröffnet, unter denen man leiden kann oder außergewöhnliche Dinge zu leisten im Stande ist.
Ihre besondere Gabe liegt darin, Klänge anhand geometrischer Formen zu sehen. Was genau ihre Wahrnehmung ist, bleibt mir verschlossen. Aber ich habe schon davon gehört, dass es Menschen geben soll, die Töne als Farben sehen oder andere Merkwürdigkeiten zustandebringen. Manche können blind und dennoch simultan an verschiedenen Brettern Schach spielen, manche nehmen Gerüche anders wahr als andere Menschen. Für manche ist Mathematik ein eigener Kosmos, der anderen verschlossen ist. Es sind Spezialbegabungen, die so ausgeprägt sein können, dass normalen Menschen die Vorstellungskraft davon fehlen muss, worum es sich handelt. Es sind offenbar Launen der Natur, die bei wenigen von vielen Milliarden Menschen solche Eigenschaften ermöglichen.
Diese Mutantin, die ich meine, kann offenbar an Dingen erkennen, wie sie klingen. Und wenn etwas klingt, dann kann sie sehen, ob der Klang der Geometrie der Sache entspricht, die klingt. Sehr seltsam, dachte ich, als ich auf Empfehlung der Cellolehrerin das Instrument meiner Frau zu ihr brachte, um Unzulänglichkeiten in der Tonbildung am Instrument aufzuheben.
Meine Vorstellung wäre es gewesen, dann ein besseres Cello zu kaufen. Die Empfehlung der Lehrerin lautete jedoch, dass es genügen könne, nur die Fehler abzustellen, die dem Cello meiner Frau anhafteten.
Nun gut, einen Versuch war es wert. Die erste Überraschung bestand darin, mit wenigen Veränderungen am Bogen zu hören, welche Unterschiede daraus resultierten. Diese hochsensible Frau erklärte uns, dass Dinge eine Eigenresonanz aufwiesen, die sie sehen könne. Sie habe gelernt, diesen Sinn abzuschalten, wenn die daraus resultierenden Eindrücke Gefahr liefen, sie in den Wahnsinn zu treiben: Zu viele Informationen, zu viele Farben, zu viele Klänge.
Aber sie hat gelernt, ihre Gabe sinnvoll anzuwenden. Sie ist in der Lage, ein Cello hinsichtlich der Resonanzen an den verschiedenen Bereichen des Cellokörpers, des Halses, der Schnecke, des Saitenhalters, des Stachels zu analysieren. Und die hat sich beigebracht, wie mit geringen physischen Maßnahmen diese Resonanzen verändert werden können. Eine winzige Einkerbung hier, eine kleine Nadelstichvertiefung dort oder das Auftragen einer seltsamen Flüssigkeit im Wirbelkasten: Das Cello ist ein komplexer Klangkörper, der offenbar auf diese Maßnahmen reagiert. Und es war unbestritten: Das Cello wurde einige Tage bearbeitet und heraus kam ein Instrument einer völlig anderen Leistungsklasse.
Meine Frau war glücklich, ich war beeindruckt und die Dinge nahmen wieder ihren gewohnten Gang.
Einige Monate später sollte mein Wunsch Wirklichkeit werden, meinen bisherigen Kontrabass durch einen neuen zu ersetzen. Kein leichtes Unterfangen, denn Kontrabässe sind nicht nur teuer, sie sind hinsichtlich ihrer klanglichen Qualitäten auch schwierig zu beurteilen. Kontrabässen können Diven sein.
Ich fragte bei der Mutantin an, ob es möglich sei, eine etwaige Neuanschaffung kritisch durch sie zu begleiten, weil es möglich war, das neue Instrument auf Probe zu erhalten. Sie willigte ein. Es war wirklich ein neuer Kontrabass, direkt vom deutschen Hersteller in einer Mittelpreisklasse-Liga. Das ist für mich schon teuer genug, denn gute Kontrabässe können ein Vermögen kosten.
Neue Bässe sind unausgeglichen, um es vorsichtig auszudrücken. Mein Baß kam schon nach kurzer Zeit zur Mutantin. Ich war beim Kauf ihren Empfehlungen gefolgt und hatte ihr den Bass nach einigen Tagen des Anspielens auch vorstellen dürfen. Ihre Analyse lautete: Es ist ein guter Grundstock vorhanden, aber es wären deutliche Änderungen sinnvoll. In meinem Blut fließt offensichtliche eine Prise von Glücksrittern. Ich zögerte keine Sekunde. Denn es konnte ja sein, dass sich das Wunder am Cello meiner Frau hier vielleicht nur in Ansätzen wiederholen ließ. Das Vertrauen zur Mutantin war immerhin schon so groß geworden, dass es gewiss schien, schlechter könne der Bass jedenfalls nicht werden.
Der Baß verbrachte eine gute Woche bei der Mutantin. Sie sägte den Steg aus Ebenholz nicht nur kürzer, sondern asymetrisch (das abgesägte Stück bekam ich als Andenken), veränderte den Wirbelkasten, stach und korrigierte Leisten im Kontrabass, veränderte hier und da und war – das teilte sie mir zwischendurch am Telefon mit – sehr zufrieden.
Der große Moment kam und ich konnte es nicht glauben. Das war ein ausgewogenes schönes Instrument mit wundervoller Ansprache. Ich möchte meinen nicht so preiswerten neuen Kontrabass nicht als häßliches Entlein bezeichnen, aber nun war ein weißer Schwan daraus geworden.
Aber junge Bässe verändern sich. Nach einigen Woche wurde ihm eine weitere Pflege zuteil (dauerte nur einen Tag) und heute war die zweite Nachpflege (nur eine Stunde) vereinbart. Darum traf ich heute die Mutantin. Das ist die Vorgeschichte.
Weil das Vertrauen inzwischen immens gewachsen war, erzählte ich ihr davon, dass ich eigentlich Akkordeon gelernt hatte. Ich hatte als Kind, vor allem aber später als Jugendlicher teilweise viel geübt, verfügte aber nur über ein Instrument von mittlerer Qualität. Viel viel später habe ich mir dann irgendwann einmal einen Wunsch erfüllt und kaufte ein richtig gutes Instrument. Ich spiele nicht besonders häufig, aber liebe es, guten Klang erzeugen zu können. Nicht wenige lehnen den Klang eines Akkordeons ab. Vielleicht zu recht. Aber das Akkordeon hat viele Facetten und viele Klänge. Einige mag ich sehr. Und dieses schöne dieses Instrument besitze ich nun schon viele Jahre und kenne es gut. Und ich kenne deshalb auch seine kleinen Schwächen. Es wird ordnungsgemäß von Fachleuten gewartet und gestimmt, damit es sein Potential entfalten kann.
Aus Neugier fragte ich die Mutantin, ob sie auch ein Akkordeon klanglich verbessern könne. Sie sagte, sie kenne sich mit Akkordeen nicht aus, aber ein Versuch könne sie starten. Während sie also noch dem Bass ihre magischen Fähigkeiten angediehen lies, fuhr ich nach Hause – ich wohne nicht weit entfernt – und holte das Akkordeon. Es ist eine Beltuna-Leader V. Ein schönes Instrument mit einem weichen Klang unterstützt durch ein Doppelcassotto. Aber noch weicher und vor allem noch abgestimmter zwischen Diskant- und Bassseite war ein Wunsch, der schon lange in mir keimte. Es ist die ständige Gier nach noch mehr und noch besser, der auch ich unterliege.
Sie ließ sich das Instrument erklären. Sie war interessiert. Und vor allem sah sie wohl eine Menge mit ihren Ohren und Augen, was ich nicht sehen und hören kann. Dann machte sie den Vorschlag, nur am Gehäuse vorsichtige Änderungen zu versuchen.
Aus meiner Sicht ist ein Akkordeon eine Musikmaschine mit zig Tonzungen und einer komplexen Mechanik. Anders als ein Cello oder ein Kontrabass wirken auf engem Raum Schrauben, Metalle, Schieber, Ventile und Bauteile aus Holz, Wachs und Kunststoffen so zusammen, dass der Klang von Tonzungen so zur Geltung kommen kann, dass in der Summe sensible Luftdruckänderungen mit dem Balg des Instrumentes schöne Modulationen des Tons erlauben. Aber das hat Grenzen.
Dachte ich jedenfalls.
Die Mutantin identifizierte die metallenen Riemenhalter am Instrument nebst diversen Schrauben als geeignete Kandidaten der Verbesserung. Außerdem die „Füße“ auf der Balgseite des Instrumentes. Manche Maßnahmen konnte sogar ich verstehen. Vor einem Ritz durch ihr Messer klang das jeweilige Bauteil so, danach anders. Sie klopfte also, die hörte, sie schaute und sie veränderte hier und da.
Was ich jedoch nicht verstand, aber hören könnte, war das Resultat dieser vielen Einzelmaßnahmen auf den Gesamtklang. Der Ton war weicher und der Diskant wurde lauter. Es war, als wäre eine Lage störender Überlagerungen weggewischt worden und zum Vorschein kam ein Klang, der nach der Vorstellung der Instrumentenbauer vielleicht der Originalklang sein sollte: Sensibel, differenziert, obertonreich und gleichmäßig. Auf einmal stimmte das Verhältnis zwischen Diskant- und Baßseite.
Was soll ich sagen? Ich bin sehr überrascht und sehr überwältigt. Das hatte ich nicht erwartet. Ich hielt ein Akkordeon für einen klanglichen Kompromiss. Der Vorteil der komplexen Mechanik war zugleich für mich die Erklärung für Einschränkungen in der Klangerwartung. Ein Cello kann klingen. Ein Kontrabass auch. Aber ein Akkordeon? Nur ansatzweise und damit musste man zufrieden sein. Gerne hätte ich einen Klang wie Manfred Leuchter erzielt. Es gelang nie. Nun aber schon. Auf einmal war diese gute Akkordeon ein sehr sehr gutes Akkordeon geworden.
Die ganze Aktion hat eine Stunde gedauert.
Und ich staune immer noch so sehr, dass ich notieren muss, was ich heute erleben durfte. Die Metamorphose eines Akkordeons zu einem Klangkörper, der nur offenbar nur von Störungen befreit wurde.
Als Wissenschaftler bin ich skeptisch, sogar ablehnend gegenüber Hokuspokus. Aber ich kann akzeptieren, dass die Mutantin über Wahrnehmungen verfügt, die mir zunächst unverständlich waren, deren Existenz aber vor meinen Augen und Ohren bewiesen wurden an einem Cello und an einem Kontrabass (die jeweiligen Bögen nicht zu vergessen, die ebenfalls optimiert wurden). Und nunmehr heute auch an meinem Akkordeon. Es ist ein Wunder! Aber weil ich nicht an Wunder glaube, präziere ich meinen Eindruck dahingehend, dass es Menschen mit wunderbaren Eigenschaften gibt, die Dinge können, die anderen unverständlich sein müssen. Ich bemühe mich, möglichst viel zu verstehen. Aber hier genügt mir das Ergebnis. Ich habe ein neues Instrument geschenkt bekommen. Durch eine Stunde unter den sachkundigen Händen der Mutantin.
Ich schreibe diese frische Eindrücke von heute, um anderen, die mit Ihren Instrumenten noch klangliche Ziele anstreben, mitzuteilen, dass es nicht notwendig sein muss, sich neue und bessere Instrumente zu kaufen. Denn nach dem Durchschreiten der Angebote mittlerem und erhöhten Preissegment ist es auf einer preislich noch höheren Ebene manchmal gar nicht möglich, mit mehr Geld auch klanglich neue Welten zu erschließen. Manchmal scheinen die Dinge ausgreizt zu sein. Offenbar aber nicht. Es ist durchaus möglich, das bestehende Potential erheblich weiter auszuschöpfen. Offenbar bestehen ungeahnte Möglichkeiten dafür. Und diese Möglichkeiten scheinen nicht einmal denen bewusst zu sein, die diese Instrumente bauen, sonst täten sie es für einen entsprechenden Aufpreis.
Jetzt fehlt mir der richtige Schlusssatz, denn eigentlich bin ich nur überwältig von dem Unterschied zwischen meinem Akkordeon heute morgen und meinem Akkordeon heute mittag. Belassen wir es dabei.